Po1, Pommersfelden, Gräflich Schönbornsche Schlossbibliothek, Cod. 320 (2741)

Papier ‒ noch 214 Bll. ‒ 36,0 x 26,0 cm ‒ Elsass ‒ um 1420

Elsässisch (Schmidt 1938, 79; KdiH 1, 195).

Beschreibstoff Papier.
Wasserzeichen Waage, Briquet 2423 Var. Katze, Briquet 3554 Var. Menschenkopf mit Monogramm vergleichbar, Briquet 15743.
Lagen 22 Lagen: (V‒6)4 + 7 V74 + (V‒1)83 + 12 V203 + (V + 1)214.

Bei der ersten Lage scheinen die ersten vier Bll. zu fehlen, die möglicherweise das Register und Miniaturen enthielten (vgl. Schmidt 1938, 78). Textverlust (2 Bll.) nach Bl. 3: Schluss der Rede des 1./Anfang der Rede des 2. Alten. ‒ Bll. nicht gezählt (beim Binden abgeschnitten? Vgl. Schmidt 1938, 78). Besch meint auf der 2. Seite des 11. Alten die Zahl 52 lesen zu können; vgl. Besch 1967, 31. ‒ Pergamentstreifen mit lat. Text zum Schutz gegen die Heftfäden wurden später entfernt und sind nur noch in Leimspuren sichtbar.
Schriftraum 25,5‒27 x 16‒17 cm
Spaltenzahl 2
Zeilenzahl 30 - 34
Hand Eine Hand.
Schrift Bastarda. Kapitelüberschriften in Textura.

Überschriften Rote Kapitelüberschriften in Textura.
Rubrizierung Rubriziert.
Anfangsbuchstaben Zweizeilige rote (und wenige blaue) Lombarden.
Initialen 24 fünf- bis neunzeilige Schmuckinitialen zu Beginn des Prologs (1ra) und der einzelnen Reden, meist unter der Miniatur, beim 16., 17. und 22. Alten am Kopf der Folgespalte (125ra, 134vb, 186ra). Häufig rechteckige farbige Umrandung, einfarbiger Buchstabenkörper mit Linien oder Punkten verziert, Binnenraum mit Fleuronnéewerk, Blümchen, ornamentalem Schmuck oder Fabeltieren (2ra, 32va) gefüllt; Feder, Aquarell- und Deckfarben (vorwiegend Hell- und Dunkelpurpur, auch Grün, Zinnober, Gelb, selten Blau). Initiale zur Vorrede 1ra: Goldener Buchstabenkörper in purpurnem, mit grünen Blättern belegtem Rahmen (5,5 x 5,5 cm), Binnenraum in Blau und Purpurrosa geteilt, am linken und (beschnittenen) oberen Rand Blattwerkranken in deckendem Hell- und Dunkelgrün, Zinnober, Lila, Kobaltblau und Weiß um roten Stab laufend.
Miniaturen 23 kolorierte Federzeichnungen (2ra, 6ra, 11rb, 15va, 21ra, 26va, 32va, 41rb, 46vb, 51vb, 69va, 104ra, 110rb, 118va, 124vb, 134va, 142ra, 149vb, 156rb, 178rb, 185vb, 195rb, 202vb), zwei Zeichner, einer vermutlich Zeichner C der Lauber-Werkstatt. Format und Anordnung: Spaltenbreite, z. T. auch seitlich über die Kolumne ragende, ca. 1/3‒2/5 des Schriftraums hohe, quadratische, hoch- und querrechteckige Miniaturen (8,7‒13,8 x 8,5‒11,5 cm) am Beginn der Reden, darüber rote Kapitelüberschrift, darunter Initiale (Seitenlänge zwischen 4,5 und 8,0 cm, durchschnittlich 5,0‒6,0 cm). Das Blatt mit der Miniatur des 2. Alten fehlt. Bildaufbau und -ausführung: Kastenrahmen aus doppeltem Pinselstreifen (Hell-/Dunkelrot, Blaugrau/Schwarzblau), um den z. T. eine Federlinie läuft, Hintergrund in der Gegenfarbe (warmes Blau, bräunliches Rot), auf drei Seiten von einem punzierten Streifen in hellerem Graublau bzw. dunklerem Rot eingefasst. Grüner Bodenstreifen mit Grasbewuchs aus Federkringeln, darauf in der einen Bildhälfte ein gelber hölzerner Kastensitz mit Holzmaserung aus waagrechten dünnen Pinsellinien in Ocker (51vb ein Stuhl), auf dem der bärtige gekrönte Alte sitzt bzw. gegen den er sich lehnt. Reiche, stets wechselnde Tracht der Alten (kurzer Mantel, oft mit Pelzbesatz, zuweilen weite modische Ärmel, enge Beinkleider, auch lange, am Boden aufstoßende, stoffreiche Gewänder, die zuweilen [z. B. 26v] den Bildrahmen überschneiden). Der Alte belehrt mit unterschiedlichsten Handgebärden die seitlich vor ihm stehende minnende Seele: eine bekrönte Jungfrau mit meist schulterlangen blonden Haaren, in ein langes, jedoch nicht immer am Boden aufstoßendes, weißes, mit blauen und roten Punktrosetten belegtes Gewand gekleidet, unter dem die nackten Füße mit den Wundmalen hervorschauen. Gestik der anima ebenso variationsreich wie die der Alten (vor der Brust verschränkte Arme; ausgestreckter linker Arm, rechte Hand vor dem Herzen; beide Arme ausgebreitet; auch Redegesten). Die Alten und die minnende Seele tragen silberne (die Alten z. T. auch goldene) Blattkronen und Gürtel, schwärzlich oxydiert. An- und abschwellende Umrisslinien, nur wenige Federschraffen in den Schattenpartien faltenreicher Gewänder, Modellierung meist durch ausgesparte Lichter, verlaufende Schattierungen der Grundfarben und Pinselschraffen. Das weiße Kleid der Seele ist durch wenige senkrechte, mit Hellgrau ausgemischte Deckweiß-Pinsellinien auf dem großzügig freigelassenen Papiergrund wiedergegeben, Punktrosetten ohne Berücksichtigung des Faltenwurfs. Meist Parallelfalten, bei aufstoßenden Gewändern auch Haken- und Grubenfalten. Gesichter und Hände nur sparsamst orangerot koloriert. Runde Gesichter der anima, eher schmale der Alten, langer Nasenrücken, starrer Blick. An den Illustrationen waren, möglicherweise sogar gemeinsam innerhalb einer Darstellung, zwei sehr ähnliche Hände beteiligt. Die Zeichnungen von Hand A (vermutlich der Zeichner C der Lauber-Werkstatt) sind im Ganzen gröber, die Sitzhaltung der Figuren ist häufig ungeschickt wiedergegeben (z. B. 6r), die Kleidung eher karg; typisch sind die in die Lidecken gedrängten Pupillen. Für Hand B sind die hohen, gewölbten Augenlider, sorgfältiger durchgebildete, schlanke Hände, eine anatomisch eher zutreffende Sitzhaltung und die Vorliebe für reiche, modische Gewänder charakteristisch (z. B. 156r). Die Handschrift scheint ein Bindeglied zwischen der ‚Elsässischen Werkstatt von 1418‘ und der Hagenauer Werkstatt Diebold Laubers zu sein. Sie hängt textkritisch eng mit He2 (Heidelberg, UB, Cpg 27) aus der ‚Werkstatt von 1418‘ zusammen; vermutlich gehen beide Manuskripte auf eine gemeinsame Vorlage zurück. Bildthemen: Die Alten im Dialog mit der minnenden Seele. Farben: Dunkles Graublau, Hellblau deckend und laviert, Kobaltblau, kreidiges Blaugrün, z. T. mit laviertem Gelb übermalt, Lila, Hell- und Blaugrau, Ocker, Gelb, Orange deckend und laviert, Rot, mattes Zinnober, Pinselgold und -silber; Gelbgrün und Rosa nur in den Initialen.
Einband Neuerer Einband: Bibl.-Einband des Grafen Lothar Franz von Schönborn, Anfang 18. Jh.; Pappdeckel mit braunem Leder; an den Außenseiten vorn und hinten das gräflich Schönborn-Wiesentheidsche Wappen in Golddruck. Aus dieser Zeit stammen Bll. a‒d mit dem Menschenkopf als Wasserzeichen (Schmidt 1938, 79).

Enstehungszeit Um 1420.
Enstehungsort Elsass.
weiteres

Die Hs. steht in engem textkritischem Zusammenhang zu He2 (Heidelberg, UB, Cpg 27), die aus der ‚Werkstatt von 1418‘ (nach Schmidt 1938, 79 eine „Art Vorläufer Diebold Laubers“) stammt. Vermutlich gehen beide Manuskripte auf eine gemeinsame Vorlage zurück.Im 16. Jh. im Besitz der Kartause Salvatorberg bei Erfurt (Eintrag 214v). Im 18. Jh. in der Bibliothek des Mainzer Erzbischofs Graf Lothar Franz von Schönborn (1655‒1729). Die gräfliche Bibliothek befand sich seit 1821 auf Schloss Weißenstein bei Pommersfelden, südlich von Bamberg.

Bibliografie

Bethmann 1845, 371

Schum 1873, 264

Schmidt 1938, 78‒81 (Nr. 27)

Schonath, Bd. IV, 1951‒1952 (Nr. 320)

Besch 1967, 31 (Nr. 27)

Ott 1987, 111f.

KdiH 1, 195‒197 (Nr. 4.0.48) und Abb. 84

Saurma-Jeltsch 2001, 98, 188 (Abb. 85).

Online

www.handschriftencensus.de/3067

Archiv Schmidt, 7 Bll., 1928.

Es wurden keine Angaben zum Inhalt hinterlegt.