Editionskriterien

Text

Der Referenztext gibt den Text der Leithandschrift Ka1 mit den Besserungen des Korrektors wieder. St3, Ka2 und Ka3 werden punktuell nur an denjenigen Stellen als Vergleichshandschriften herangezogen, an denen Ka1 dubiosen Text bietet.

Ka1 enthält, vor allem im zweiten Teil (3. Hand), zahlreiche Korrekturen, die zum einen häufig den ursprünglichen Text unlesbar machen und zum anderen in der Regel nicht sicher zugeordnet werden können.1 Vor allem bei Streichungen ist oft nicht zu unterscheiden, ob es sich um Korrekturen bei der Herstellung des Textes oder um spätere Korrekturen handelt. Die analog zum Vorgehen Kurt Ruhs 2 getroffene Entscheidung, mit dem Referenztext dem korrigierten Text zu folgen, ist also eine pragmatische, die nicht zuletzt die Les- und Zitierbarkeit der Ausgabe im Blick behält. Wichtige Eingriffe des Korrektors sind im Text durch Kursivierung markiert und im Lesartenapparat nachgewiesen. Die Korrekturen der sehr häufigen v/w-Verwechslung der 3. Hand im Wort- und Silbenanlaut, des Nasalstrichs 3 und der Superskripte 4 dagegen sind ohne Markierung und Nachweis umgesetzt. Wo Änderungen des Korrektors nicht gefolgt wird, steht die urspüngliche Schreibung unmarkiert im Referenztext, die Korrektur wird im Apparat nachgewiesen. Sämtliche in der Handschrift vorgenommenen Änderungen – also auch die nicht in den Referenztext aufgenommenen – sind detailgenau in den Transkriptionen markiert.

Aufgrund von Blattverlust fehlen in Ka1 die Vorrede und der Beginn des 1. Alten. Hier springt St3 als Leithandschrift ein, während Ka2, Ka3 und Am1 als Kontrollhandschriften dienen. Der Text der ‘Dankbarkeit’ folgt der ältesten sie überliefernden Handschrift He2 mit den Handschriften Sl1 und Be2 als Kontrollhandschriften.

Gegen die Leithandschriften werden ſ als s sowie u/v und i/j nach dem Lautwert wiedergegeben. Abkürzungen wurden stillschweigend aufgelöst. Die Groß- und Kleinschreibung wurde vereinheitlicht: Majuskel steht nur bei Eigennamen und am Satzanfang.

Die Getrennt - und Zusammenschreibung richtet sich in der Regel nach dem Usus der Wörterbücher, insbesondere des Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs. Das heißt, abweichend von der Leithandschrift werden die Negationspartikel en (en ist > enist 12.63.34) sowie Präfixe bei Substantiven (bi wonung > biwonung 12.20.7), Adjektiven (in brúnstiger > inbrúnstiger 12.24.4) und nicht trennbaren Präfixverben (zer ran > zerran 12.54.3) ohne Nachweis im Apparat stets direkt angeschlossen. Zusammengeschrieben werden auch die Adverbien bisher, damit, daran, darin(ne), darnach, daruf, darumb (auch in der Konjunktion darumb daz), darus, darzu, davon, herab, herumb, herwiderumb, iegenot, voran, vorhin, fürbas, warumb, widerumb, wamit/womit, zehant, zemal und zesame, die Adjektive ainfeltig, aingeborn, allerlaig, allermenglich (auch als Pronomen gebraucht), helfenbainen, kaynerlaige, manigerlaige und welherlayge sowie das Verb rehtvertigen. Die Schreibung der Substantive folgt hingegen, auch dort, wo es sich möglicherweise um Komposita handelt, der Schreibung der Leithandschrift. Ungewöhnliche Zusammenschreibungen werden getrennt (z. B. zebesiczen > ze besiczen, 11. Alter; sosolt > so solt 3.5.4).

Der Text enthält als Lesehilfe eine moderne Interpunktion in Anlehnung an die Grundsätze Hübners. Nebensätze und inquit-Formeln werden durch Komma abgesetzt. Der Doppelpunkt steht bei Redeeinleitung und vor Zitaten, außer wenn das Zitat uneingeleitet beginnt, die inquit-Formel also in das Zitat eingeschoben ist (z. B. 10.11.6). Das Semikolon dient zur Binnengliederung größerer Satzgefüge. In einfache Häkchen gesetzt ist direkte Rede, in doppelte Häkchen Rede in Rede. Zitate aus der Bibel stehen in einfachen Häkchen; sie sind in der Regel im zweiten Apparat nachgewiesen. Bei allen anderen Zitaten unterbleibt eine Markierung, da oftmals unklar ist, wo das jeweilige Zitat endet; 6 erhellend könnte hier eine detaillierte Quellenuntersuchung sein.

Ka1 sowie die bei Ausfall von Ka1 als Leithandschriften einspringenden St3 und He2 haben als Superskripte o, e und ein v-artiges Zeichen (erscheint im Referenztext als ǎ ). 7 In Ka1 und He2 kommen zudem verschiedene Akzentformen über u vor, die im Referenztext einheitlich als ú wiedergegeben sind, sowie in Ka1 die vom Korrektor eingefügte Umlautmarkierung ea (z. B. bei sealig 12.14.1). St3 hat zusätzlich einen den Umlaut markierenden Zirkumflex bei û . Im Referenztext nicht wiedergegeben werden die vereinzelt auftretenden Akzente über y (z. B. bÿ , drývaltekait).

Absätze werden nach Sinnzusammenhängen gebildet. Auf sie stützt sich die neu eingeführte kanonische Zählung nach Kapitel, Absatz und Satz, “12.63.2” steht also für 12. Alter, 63. Absatz, 2. Satz. Die Gliederungen in den Handschriften (Zwischenrubriken, Capitulumzeichen, rubrizierte Majuskeln etc.) wurden beim Interpunktieren zurate gezogen, werden aber nicht dokumentiert. Lediglich die Zwischenrubriken der Leithandschrift (beim 11. und 12. Alten) sind in den Referenztext aufgenommen und durch Fettdruck hervorgehoben. Letzteres gilt auch für die Initialen der Leithandschrift.

Die Blattzählung der Leithandschrift wird im Text in eckigen Klammern mitgeführt. Marginal rechts wird an den entsprechenden Stellen die Zeilenzählung der bereits vorliegenden Teilabdrucke angegeben. Anfang und Ende der abgedruckten Abschnitte werden im Text durch Haken (⸢ bzw. ⸣) angezeigt. 8

Apparate

Beim 2. bis 24. Alten und im Register enthält der erste Apparat Hinweise zum Schreibvorgang der Leithandschrift, insbesondere dokumentiert er die im Text markierten Besserungen durch den Korrektor. Um den Apparat nicht zu überfrachten, sind – außer bei texthistorisch interessantem Befund – Sofortkorrekturen, Rasuren, einfache Streichungen sowie wieder gestrichene Ergänzungen des Korrektors nicht aufgenommen. In den zur Verfügung gestellten Transkriptionen sind sie aber vollständig dokumentiert. Wo Ka1 sinnentstellten Text bietet, wurden die Vergleichshandschriften zugezogen. Wurde an diesen Stellen in den Text eingegriffen, sind stets die Lesarten aller vier Handschriften Ka1, St3, Ka2 und Ka3 angegeben, es sei denn, eine Handschrift setzt über eine längere Passage aus, was vor allem für die stark kürzende Ka2 gilt; sie wird im Apparat dann nicht eigens erwähnt.

Anders ist das Verfahren dort, wo Ka1 nicht oder nur teilweise als Leithandschrift zur Verfügung steht. Dort werden im ersten Apparat sämtliche Abweichungen der Kontrollhandschriften (Ka2, Ka3, Am1 und teilweise St3 für die Vorrede und den 1. Alten; Sl1 und Be2 für die Dankbarkeit) angegeben. Ausgenommen sind rein graphematische und regionalsprachliche Varianten, Wechsel zwischen starker und schwacher Flexion sowie die variierende Schreibung bei sanctus bzw. sant.

Lesarten werden handschriftengetreu wiedergegeben, lediglich Abkürzungen sind (außer bei wichtigem Befund) aufgelöst. Bei der Verwendung von Siglenketten entspricht die Schreibweise der erstgenannten Handschrift. Der Text vor der Lemmaklammer (]) entspricht der Schreibweise des Referenztextes, der von allen Handschriften, die nach der Lemmaklammer nicht mit eigenen Lesarten genannt sind, gestützt wird. So weit möglich, wird auf die Lemmaklammer verzichtet.

Der zweite Apparat bietet Verständnishilfen und weist Bibelzitate nach. Weitere Quellen sind in der Regel nur angegeben, wenn sie bereits in der Forschung genannt waren. Material liefern hier insbesondere die Edition des 17. Alten bei Ruh sowie die Interpretation des 1. Teils des 22. Alten bei Schäfer. 9

Literatur

Besch 1967

Werner Besch: Sprachlandschaft und Sprachausgleich im 15. Jahrhundert. Studien zur Erforschung der spätmittelhochdeutschen Schreibdialekte und zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache (Bibliotheca Germanica 11). München 1967.

Hoffmann 1993

Walter Hoffmann: Einige Anmerkungen zur wiederaufgefundenen Otto von Passau-Handschrift aus Trier. In: Vielfalt des Deutschen. Festschrift für Werner Besch. Hrsg. von Klaus J. Mattheier et al. Frankfurt am Main 1993.

Jaspers/van Maren 1986

G. J. Jaspers, J.W. van Maren: Die Betrachtungen zum Samstag im Harburger Kodex III 1.8°51. In: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 25 (1986), S. 107–136.

Pischon 1840

Friedrich August Pischon: Denkmäler der deutschen Sprache von den frühesten Zeiten bis jetzt: eine vollständige Beispielsammlung zu seinem Leitfaden der Geschichte der deutschen Literatur. Berlin 1840.

Ruh 1985

Kurt Ruh zusammen mit Dagmar Ladisch-Grube und Josef Brecht: Franziskanisches Schrifttum im deutschen Mittelalter. Bd. II: Texte (Münchener Texte und Untersuchungen 86). München, Zürich 1985.

Schäfer 1995

Daniel Schäfer: Texte vom Tod. Zur Darstellung und Sinngebung des Todes im Spätmittelalter (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 620). Göppingen 1995.

Stammler 1933

Wolfgang Stammler: Prosa der deutschen Gotik. Eine Stilgeschichte in Texten. Berlin 1933.

Steer 1966

Georg Steer: Scholastische Gnadenlehre in mittelhochdeutscher Sprache (Münchener Texte und Untersuchungen 14). München 1966.