Editionskriterien

Der zwanzigste Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Am1 Privatbesitz, ehem. Amsterdam, Bibliotheca Philosophica Hermetica, BPH 207
He2 Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cpg 27
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der zwanzigste Alte


1

| (157va) [1] Der zwainczigoster alte leret von stritenden tugenden und untugent.


2

[1] Untugent hǎt ainen ewigen strite und krieg und strittet wider die tugent in allen sachen und in aller widerwertekeit in ainem ieglichem verstandem menschen, und daz gar notdurftig ist darinne daz unsicher ze lǎn und daz sicher ze behalten. [2] Alz Jakobus sprichet in siner | (157vb) epistel und ǒch Paulus in siner epistel ainer: 'Daz flaische begeret und strebet wider den gaist und der gaist wider daz flaische, und die zwai sind under in selber widerwertig, also daz wir nút allez daz vermúgen, daz wir da gern teͣtent.' [3] Er sprichet ǒch in ainer andren epistel: 'Ich siche in minen gelidern ain geseczte, die da strebet wider min gemuͤte.' [4] Da solt du bi verston, daz tugent kumet von dez menschen gaist oder sele, aber untugent kumet von des menschen flaisch und libe. [5] Won es sprichet Origenes úber Moyses buͦcher ains: Untugent vernihtet den menschen vor got, aber tugent machet den menschen gros vor got. [6] Und alz der mensch in súnden geborn und in untugent erzogen wirt, daz dem libe nach volget, also wirt die sel mit tugenden aller best erzogen und gefuͤret. [7] Daz sprichet der und hillet mit im Gregori| (158ra) us und Augustinus. [8] Aber Ysoderus an dem buͦche von der zal sprichet: Die sele, die vol tugent ist, die ist ain sessel und ain wonunge der hailigen drúvaltekait.


3

[1] Und darumb ich zwainczigoster alte sol dich, minende sel, leren, wie du mit tugenden streben und striten solt und ǒch untugent mit tugent vertriben und úberwinden, daz du mit dem wǎffen der tugent alle untugent vertriben muͤgest, alz du den herlichen trone des himelschen kaissers wellest ervehten und gancz und gar erstriten. [2] Won es sprichet Crisostomus der guldin munt in ainer omeli e, daz tugent des gemuͤtes nút anders ist denn von got reht bevinden und reht under den lútten werken. [3] Es ist ǒch ainem gaistlichen menschen guͦt und lustig in tugenden ze wonende, sprichet Anshelmus úber den salter, were ǒch, daz kain lǒn davon nút kumen soͤlt. [4] Und | (158rb) darumb sprach ain welte wiser maister: Werent mir alle goͤtter genaͤdig und kain mensch wiste von minen súnden, nochdenn solt ich niemer untugent uͤben und mich damit verfleken, vermelgen noch vermasgen.


4

[1] Wilt du, minende sel, untugent mit tugent úberstriten, so merke von mir zwainczigosten alten voran, daz Jeronimus sprichet ze der maͤgt Demetriades in ainer epistel, daz es gar notdurftig ist, daz man tugent und untugent wol erkenne und geschaiden kúnne, won es ain boͤsser wege ist, der úns wiset in untugent, und ist ain guͦtter, sicher wege, der úns wiset in tugent, davon applǎs wirt des boͤsen und saͤlikeit dez guͦten. [2] Daz sprichet der und hillet mit im Cassioderus úber den salter. [3] Untugent ist, alz Hugo sprichet, ain ungeordenete begirde ǎne alle ordenunge, und us aller wise die guͦtte werke zer| (158va) stoͤret. [4] Es sprechent ǒch Ambrosius und Augustinus: Ǒch ist untugent, daz man mit worten, mit werken und mit begirde tuͦt wider goͤtlich geseczte und ordenunge oder daz man mit willen, mit mainunge, mit gemuͤte tuͦt wider alle gerehtekeit oder aber daz man sich mit ungeordenettem leben keret von got zuͦ den creaturen mit unendelicher liebe. [5] Es sprechent ǒch die maister in goͤtlicher kunst, daz untugent, súnde, boshait, frevel, und waz dem gelich ist, ist alles ain grunt und ain sache, daz man tuͦt wider alle gerechtikeit. [6] Aber tugent ist ain guͦt wise des gemuͤtes, dǎrus man wol und reht lebet got ze aim wolgevallen. [7] Es sprichet ǒch Augustinus: Daz ist ǒch tugent, wenne daz gemuͤt wol gestellet ist tugent ze vollebringen und die beschaidenhait reht rǎt git und der wille wol gebútet und sinnecklichen wisen gehorsam und undertenig ist. [8] Aber Tulius sprichet, daz tugent ain volkumen schikunge ist | (158vb) ze dem aller besten guͦt. [9] Es sprichet Ysidorus: Tugent ist ain guͦt gewonhait dez gemuͤtes, der nature gezierde, beschaidenhait des lebens, der sitten guͦtekeit und uͤbung goͤtlicher wirdekeit, ere des menschen und des ewigen lones ain verdienen. [10] Ǒch ist tugent ain inwendige kraft der sele, die gros sach getar beston und widerwerdig sachen wol liden mag und alle bekorunge von ir tribet und sich guͦtter werke flisset und innen allen gelust hět. [11] Und dǎrumb so ist tugent alle zit berait ze striten wider untugent. [12] Es sprechent Adamancius und Rabanus úber Moyses buͦch: Waz untugent verhoͤnet und zerstoͤret an dem menschen, daz widerbringet aber tugent manigvalt. [13] Und darumb so flise dich tugent ze uͤbent, so mag kain untugent in dir gerichsen.


5

[1] Daz du alle | (159ra) untugent dester gerner fliehest, so merke wol, waz unrehtes und boͤsser werke úber alle masse vil untugent an dem menschen schaffet, daz sich untugent flisset ze tuͦnde und ze uͤben. [2] Won untugent bringet den menschen in tǒtsúnd und in taͤglich súnde und verwundet im ǒch sin nature, und sin vernunfte machet si vinster, daz si got nút erkennen mag. [3] Sinne und wille machet si unvertig und sin gedenknússe vergesseli ch, die sele vermasget und toͤtet si vor got und bringet der sele lang fegfúre und ǒch etwenne den ewigen tode. [4] Untugent machet den menschen unwert vor got und vor allen sinen hailigen, vor allen engeln, vor allen lútten und ǒch vor allen creaturen in himelrich und uf ertrich. [5] Es machet ǒch untugent, daz der mensch boͤser bekorunge nút wider streben noch guͦtter vermanunge ge| (159rb) volgen mag, und liebet sich dem boͤssen gaist und fliset sich aller ungeratenhait und bringet den menschen dike umb sin leben, umb ere, umb guͦt und umb sinen ewigen lone.


6

[1] Der unfuͦre, so untugent an dem menschen machet, ist alz gar vil, daz es nieman erzellen kan, und darumb so ist es nǒtdurftig, daz tugent vast dawider strite darumb, daz si den menschen bi got behabe. [2] Won es sprichet Petrus in siner epistel ainer: 'Du solt dich untugent nit lǒn úberwinden, du solt aber untugent mit tugenden úberwinden.' [3] Es sprichet Ysidorus von dem hoͤhsten guͦt: Untugent werdent sicher verhailet, da man si mit tugent vertribet und nit mit boshait stúret. [4] Nach der lere sancti Gregory so engǎt dem menschen alle untugent, und wittret wittret und zerspraittet aber alle tugent dem menschen sin hercze und sin gemuͤte nǎch dem | (159va) aller besten. [5] Es sprichet Augustinus: Aber nun so merke die grossen kraft, die tugent gelaissten mag, damit du alle untugent úber striten maht. [6] Tugent kumt us got alain und wirt verainet ze guͦten werken ze uͤbende. [7] Tugent wǒnet nun in guͦten menschen, und den ist si ain gaistlich gezierde. [8] Si machet us ainem súnder ainen guͦtten und gottes minner und us ainem vinstern menschen ainen durchlúhten menschen. [9] Schulde verwandlet si in gnad und boͤsse pene in ewig guͤnlichait. [10] Es sprichet ǒch Boecius: Mit tugent wirt der mensche hailig und die erwelten gesúndert von den verworffen. [11] Und also untugent niemer sind ǎne pene, also sind tugent niemer ǎne ewigen lon. [12] Cristus ist selber schuͦlmaister und lerer uͤber alle tugent. [13] Wer im in tugent volget, der lernet von im goͤtlich kunst und wishait. [14] Es sprichet Seneca: Tugent úbertriffet alle | (159vb) froͤde und trǒst und wirdekait und frihait diser welt und ist ainem ieglichen menschen daz aller núczest guͦt, daz iemen erdenken kan, won alle tugent sind selig und belibent alle zit unzerstoͤret. [15] Und ist nit úbertreffender, schoͤner, wirdiger und hoͤher ze wúnschen denne tugent. [16] Tugent kroͤnet die hailgen in himelrich und behuͤtent den menschen uf ertrich. [17] Daz súntlich hercze rainget tugent. [18] Die tǒten erkiket si. [19] Des menschen beschaidenhait erlúhtet si ze goͤtlichem erkennen. [20] Die unbenuͤgelicheit beweget si ze erkennen goͤtlicher minne. [21] Tugent gelichet got selber, got dem vatter mit almehtiger kraft, got dem sun mit kraft der warheit, got dem hailigen gaist mit inbrúnstiger minne und den engeln mit aller luterkait. [22] Des menschen gemuͤte machet tugent froͤlich, si ordenet es, si eret es, si erkiket es, si spiset es, si richet es, si rainget es und tuͦt alle | (160ra) fúrsihtikait. [23] Tugent vertribet boͤse vergangen sache und wider boͤse gegenwúrtig unfuͦre stritet si und vor kúnftigem boͤsem warnet si. [24] Si machet den menschen vor got werde und liep und bringet dem menschen verdienen und ewigen lǒn und niessen, und zitlich guͦt ordenet tugent in beschaidenhait. [25] Diz núcze gǒnd alle von tugent. [26] Die merke wol, daz du dester gerner tugenhaft sigest.


7

[1] Wisse ǒch, du minende sele, daz kain tugent ist, si hab ain besunder ampte in goͤtlichem dienst, und die empter hoͤrent alle ze ainem gaistlichem leben. [2] Won demuͤtikait machet den menschen got undertǒn, gehorsam fúrdert den menschen, gerehtekait haltet in, gedult wiset in, die rúwe widerbringet in, glouben haltet in uf, zuͦversiht troͤstet den menschen, minne verainet den menschen mit got, luter| (160rb) kait klaidet in mit got, ainvalt machet in got genem, dankberkait machet in got wert und kostber. [3] Und also nimm es von allen tugenden, der zemal vil sind mit iren emptern, alz ich dich dǎrnǎch leren wird, wie si stritent wider untugent. [4] Alle tugent haftent alz sterklich an enander, sprichet Jeronimus in ainer epistel, wer ainer manglet, der manglet ir aller, und wer ir ainer het, der het si alle. [5] Es sind ǒch tugent vil lihter ze lernen denne untugent, sprichet Ambrosius, won wer flisig und endlich lerunge darzuͦ het, der vindet tugent gar bald, der aber untugent nit ahtet, dem belibet si niemer und verlúret si alle zehant. [6] Únser herre Jhesus Cristus in dem hailigen ewangelio, daz sant Matheus schribet, gelichet tugent und untugent in ainer slichen figure ainem menschen, der sin necze warf in daz mere und vieng aller hand vische. [7] Und | (160va) guͦt visch tet er wol behalten, aber die boͤssen vische warf er alle von im enweg. [8] Also ist ainem ieglichem menschen, der sin necze sines lebens wirfet in daz mer diz zites und vahet guͦt visch in vil tugenden, die sol er wol behalten, und die boͤsen vische der untugent, die sol er von im werfen. [9] Und sprichet únser herre zehant dǎrnǎch: Also geschiht es an dem jungsten zergǎn, so werdent die tugenhaften behalten und die boͤsen und untugenhaften in die ewigen verdampnúst ǎne ende geben.


8

[1] Merke, du minende sel, von mir zwainczigosten alten, daz got aller tugent ain anvang, ain mitel und ain ende ist in allen den guͦten werken, die der mensche volbringen mag, und daz bevindet der boͤsz gaist alz gar vast, daz er den menschen stúret und raiczet in alle untugend, alz vil er kan oder mag. [2] Der boͤsz gaist verviel von himelrich mit der grǒssen untugent der hǒfart, die die erst und die groͤst súnd ist under allen | (160vb) súnden, won si ist ain muͦtter, ain wurczel, ain anvang und end aller súnde und untugent. [3] Und wǎ hǒffart nit enist, da mag der mensche allen untugenden widerstǒn, Innocencius sprichet in dem buͦch von der lieblǒssenheit des menschen und hillet mit im Hugo von dem clǒster der sele. [4] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von rúwen: Stritent die guͦten engel wider die boͤssen engeln in dem himelrich, und also git si ǒch ursach ze stritent allen tugentlichen menschen wider untugenden. [5] Won hoffart het mit allen untugenden gemainsamkeit, won si ist boͤsser denn alle untugent. [6] Es enmag weder haimlich noch offenlich kain untugent volbrǎht werden ǎne hǒffart. [7] Von der untugent hoffart schribent alle lerer, daz si die boͤste sig, won si wolt got von sinem trǒne verstossen hǒn, alle menschen von allen tugenden und ǒch von got, ob si moͤhte.


9

[1] Es sprichet | (161ra) Bernhardus von den zwoͤlf staffeln der demuͤtikait: Ain hoffaͤrtig mensch dunket sich kluͦg, húbsche und stolcz fúr ander menschen in allem sinem tuͦn und lǒn. [2] Er ist lihtvertiges gemuͤtes in schinpfe und in ernst und wolt dǎmit allermenglichen wol gevallen. [3] Der hoffertig mensch ist ǒch úbermuͤtig; er dunket sich den besten geboren, den edelsten, den richosten und ist ungenedig und frevel und wil nieman vertragen und wil, daz man im alle sin widerwertekait und sin unertekeit vertrag und daz allermenglich sin wise wol gevalle. [4] Goͤtlichen dienst het er fúr ain gespoͤtte und versmahet arme lúte und die frúnde gottes. [5] In dunket, daz er weder gesúnden noch unreht tuͦn múg. [6] Daz sprichet Bernhardus. [7] Es sprichet ǒch die glose úber sant Paulus epistel, daz ain hoffertiger mensche ist alz ain unsinniger mensche, der nieman vertragen wil. [8] Es | (161rb) sprichet Hugo von sant Victor in dem bǒch von dem klǒster der sele, daz hoffart ist in richen und in armen, in gaistlichen und in weltlichen, in jungen und in alten, in frǒwen und in mannen, in phaffen und in leͣigen und wúrket in den allen alz vil untugent, daz nieman daz erzellen kan noch mag. [9] Daz sprichet der und der lerer gar vil.


10

[1] Wǒn aber die untugent hoffart ist ain anvange aller súnde und untugent, so ist zemal notdúrftig, daz si habe ain kreftig tugent, die si úberstrite, und daz ist demuͤttekeit, die alz kreftig ist, daz si got mensch het gemachet, und daz ist vil groͤsser, denne daz hoffart die engel ze túfeln het gemachet. [2] Won es sprichet Gregorius von den sitten, daz man hǒffart nit groͤsseklicher drucken noch vertriben mag denn mit demuͤtekeit. [3] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von rúwen: Alz hoffart | (161va) ist ain zaichen der ewigen verdampnúste, also ist demuͤtekeit ain zaichen der erwelten. [4] 'Got widerstrebet den hoffartigen', sprichet sanctus Jacobus in siner epistel, 'aber den demútigen git er gnǎde.' [5] Wilt du, minende sele, sterklich striten wider die untugent der hǒffart, so flisse dich, alz Bernhardus leret, ǎne underlǎssen demuͤtekeit ze uͤben in herczen, daz dich der boͤsse gaiste út bekore, flisse dich demuͤtikeit an dem lib, daz dir der út ze liep si, fliesse dich ǒch demuͤtikeit an worten und an werken, daz die hailig und selig werdent, und volge nǎch der lere, dem leben und den werken, die Jhesus Cristus geleret und geuͦbet het in aller demuͤtekeit, so úberstritest du alle bǒshait und hǒffart. [6] Lerne ǒch alle demuͤtikeit, die dich min geselle, der achtzehende alte, vor mir gar wol geleret und gewisset het, so úberwindest und úberstritest du alle untugent | (161vb) dester bas.


11

[1] Merke, daz alle untugent dǎrumb sind untugent, daz si wider die nature sind, und die nit wider die nature sind, die múgent dem menschen nút geschaden, sprichet Augustinus von dem frigen willen. [2] Dem gelich schribet Damascenus in siner buͦcher ainem: Die da belibent in der guͦten wise irer rainer nature, die belibent in tugenden. [3] Aber die us ir nature entwichent, die kument in untugent und in súnde und in vil bǒshait. [4] Daz schribet der und hillet mit im Richardus úber Ysaias wissagunge. [5] Aber die aller groͤst súnd und untugent, die ain mensche getuͦn mag, sprichet Ambrosius in dem buͦch von dem paradise, daz ist goͤtliche gesecze zerstoͤren und himelschen gebotten ungehorsam sin und got nút erkennen und got nút er bietten und got nit geben die wirdekait, | (162ra) die im zuͦ gehoͤret, und sich von goͤtlicher gerehtekeit keren und von guͦttem willen vallen in boͤssen willen, und darinne beliben. [6] Won untugent und súnden ist menschlich, aber in untugent und in súnden beliben ist túffenlich. [7] Daz sprichet der und hillet mit im Augustinus in dem buͦch wǎrumb gott mensche ist und Crisostomus der guldin munt in dem buͦch von des menschen val.


12

[1] Us disem sinne so lere ich zwainczogoster alte dich, minende sele, daz got nie kain súnde machet, aber alle súnde machet der boͤsse gaist und die krank bloͤdekait des menschen. [2] Wǒn hǒffart des ersten machet der boͤsse gaist in dem himelriche und riet si dem ersten menschen im paradise, und darus wuͦchsen die ander súnde alle. [3] Aber die súben hǒpt súnd die vergiftent den menschen innen und ussenen | (162rb) und verderbent im sin guͦt, goͤtlich leben und wissent in von got zuͦ der ewigen verdampnúst. [4] Aber dǎwider het úns goͤtlich fúrsichtekeit und sin wise almehtikait geben durch den hailigen gaist súben herlicher striterin wider die súben grossen hǒptsúnd, die si úberwindent mit allen kreften und den menschen von innen und von ussenen got lieplich zuͦfuͤgent. [5] Und daz sind die súben gaba des hailigen gaists, die alz kreftig sind, daz si die súben hǒptsúnd úberstritent, won ir geber, der hailig gaist, ist vil mehtiger, denn der boͤsse stifter der súnden sin múge.


13

[1] Die aller erst hǒpt súnde ist, alz Hugo schribet in dem buͦch von den sacramenten und alle lerer mit im, hǒffart und die ist alz gar ain boͤse súnde, daz si den menschen berǒbet gottes und aller siner gnǎden. [2] Die ander tǒt súnd und hǒptsúnd ist nide | (162va) und berǒbet den menschen aller goͤtlicher hilfe und guͤtekait. [3] Die drútte hǒpt súnd die ist zorn, und die súnd nimet dem menschen alle beschaidenhait und alle sin sinne. [4] Die vierd hǒptsúnd ist trǎkait, und die verniehtet dem menschen allen gottes dienst und lobe und was der sel hail ist und núcze und trǒste gesin mag. [5] Die fúnft hǒpt súnd ist gitekait, die bringet und wirfet den menschen in alle unbenuͤglichait und in undankberkait. [6] Die sechste tǒtsúnd und hǒptsúnd ist frǎshait, die vergiftet den menschen in alles libes ufenthalte und ǒch in aller uͤbung. [7] Die súbend hǒptsúnd ist unkúschekait, die bringet den menschen zemǎl in des boͤsen gaistes dienst manigvalte. [8] Daz sprichet alles Hugo von den sacramenten und mit im Gregorius.


14

[1] Wider die súben untugent und hǒptsúnd stritent mit allen kreften die súben gaba dez hailigen gaists. [2] Wǒn es sprichet Baldolsus úber daz drútte buͦch Moysi: Alz bald sich der mensche ze got keret mit sinem leben, | (162vb) so bekúmeret die erste gabe des hailigen gaistes, daz ist goͤtliche vorhte, sin hercze alz vast, daz in im alle hoffart abnimet. [3] Dǎrnǎch rǎtet im die ander gab des hailigen gaistez, daz ist goͤtlicher rǎte, daz er zehant kere von nide und hasse. [4] Dǎrnǎch gesterket in die drúte gabe des hailigen gaistes, daz ist goͤtliche guͤtekait, ze goͤtlichem dienst und daz sich der mensche breche von aller tragkait. [5] Dǎrnǎch zúhet in die fúnfte gǎbe des hailigen gaists, und daz ist goͤtliche kunst, von aller gitekait, daz der mensche mit boͤsem guͦt út verirre noch verdampnet werd. [6] Darnǎch so wúrket die sechst gǎbe des hailigen gaists, daz ist goͤtliche vernunfte, daz der mensch got lerne erkennen, indem im alle frǎshait entwihet. [7] Dǎrnǎch fuͤret in die súbende gǎbe dez hailigen gaists, daz ist goͤtliche wishait, in ain verainunge gottes, daz im alle unkúsche verswindet und im ǒch | (163ra) ain grǒs bitterkait were fúrbas davon ze gedenkent. [8] Und sprichet der lerer fúrbas: Nimm war, du minende sel, wie gar frúntlich, zierlich und gtlich úns der hailig gaist versehen het ze stritent wider die súben untugent der súben hǒpt súnde, die den menschen vergiftent in alle wise und doch kain krafte wider die súben gaba dez hailigen gaists gehǎn nút enmúgent.


15

[1] Nun sprichet Augustinus in dem buͦch von dem stritte der tugent und untugent, daz hoffart redet und sprichet ze dem menschen: 'Ich bin besser denne alle ding an worten, an kúnsten, an eren, an richtuͦm, liplich und gaistlich, und volget mir allermenglichen nǎch. [2] Ich hǒn den engel úberwunden in dem himelrich und den menschen vertriben us dem paradise, und mag nieman wol ǎne mich sin. [3] Und innen und ussenen so volget mir der mensche; wenne er mir aber nút zehant volgen wil, so send ich miner tohteren súben an den menschen, die in | (163rb) vellig machent, und daz ist uppig ere und úbermuͦt und ungehorsame und gelichsenhait und krieg und smachait und missehellunge, den der mensche gar selten empfliechen mag.' [4] Dis schribet alles Augustinus in der persone der hoffart, daz si alsus redet, und hillet mit im Gregorius und Hugo in dem buͦch von den sacramenten.


16

[1] Aber wider die untugent hoffart stritet die erste gabe des hailigen gaistes, daz ist goͤtliche vorhte, von der Jhesus Cristus sprichet in dem hailigen ewangelio: 'Ir sǒnd die nút fúrhten, die uch lib, guͦt und daz leben nement. [2] Ir sǒnd aber fúrhten den, der dǎ gewalt het úber lib und sel, daz er si geschiken mag in den himel oder in die helle.' [3] Es sprichet Ambrosius: Goͤtliche vorhte ist ain bewisung der ewigen saͤlikeit. [4] Es sprichet ǒch Cassiodorus in dem buͦch von der stiftunge der múnch, wie die tugent goͤtliche vorhte hoffart úberstritet, und sprichet: Goͤtlich vorht ist ain anvang allez hailles | (163va) und selikeit. [5] Von ir wirt gebǒrn rúwe des herczen, von rúwe kumet absprechen und versmahunge alles zitlichen guͦttes, darus wachset demuͤtekeit und erstirbet aller gelust, die zemǎle hǒffart und alle ir tohteren úberwindent und erstritent, und dǎrnǎch frúhtet vorhte alz vil tugent in ir selber, daz si kumpt alz gar veste in goͤtliche minne, daz si zemǎl toͤtet alle hǒffart. [6] Daz sprichet der und mit im Gregorius. [7] Es sprichet Origenes úber Moyses buͦch: Hǒn ich goͤtlich vorhte, so bin ich allen untugenden ze stark. [8] Wie vil ich guͦttes und herschaft, eren und gewaltes hǒn, so hǒn ich noch denne gebresten, hon ich aber richtuͦm goͤtlicher vorht, so gebristet mir nút, won mit goͤtlicher vorht toͤte ich alle hǒffart. [9] Daz sprichet der und mit im Cassianus úber den salter. [10] Goͤtliche vorht vertribet alle súnde und underdruket und vernihtet alle hoffart und alle untugent und machet den menschen flissig got alain ze dienen | (163vb) und sichert in ains guͦten lebens. [11] Und wa goͤtliche vorhte nit enist, dǎ mag man hǒffart nút bestriten noch kainer untugent ob geligen. [12] Der aber sich selber wol erkennet, der muͦs got minnen úber alle ding. [13] Und dǎrumb vorhte, demuͤtekait und mine bestritent und vertribent alle hǒffart. [14] Der sich selber wol erkennet, der wirt vorhtsam und demuͤtig und mine riche, und mit den zwain erkennet er got voran und sich dǎrnǎch wol erkennen kan in aller goͤtlicher vorhte. [15] So úberstritet der mensche nit alain hǒffart, joch alle ir tohtren und alle iren nǎchzog, und waz von hǒffart kumen mag, sprichet Ysidorus und mit im Bernhardus úber der minne buͦch. [16] Es schribet ǒch der wise Salomon in sinen buͦchern, daz goͤtliche vorhte vertribe hǒffart und alle súnde und ist vorht ain wurczel der wishait und versumet kain guͦt werke | (164ra) und machet des menschen hercze und gemuͤte lustig. [17] Vorht bringet dem menschen andǎht und ernst und meret den lǒne und git daz ewig leben. [18] Dis alles sprichet Salamon. [19] Und dǎrumb so volge goͤtlicher vorhte, so vertribest du alle hǒffart, won vorht ist die erst gǎbe des hailigen gaistes.


17

[1] Ich lere dich dǎrnǎch, wie die ander tǒtsúnd ist. [2] Daz ist nide, die alz gar boͤsse ist, daz si den menschen sines nehsten berobet, also hǒffart gottes berǒbet, und darumb ist nid die nehst hǒptsúnd nǎch hǒffart und stritet und kenpfet wider si die ander gǎbe des hailigen gaistes, und daz ist guͤtekait. [3] Nide ist die boͤst súnde, die dem boͤssen gaist ursach gab, daz er den ersten menschen valt in dem paradise, und gab ǒch ursach den juden, daz si únsern herren Jhesum Cristum crúczigoten, alz Augustinus sprichet in ainer bredige. [4] Und ist nide ain | (164rb) verbúnnen oder ain urbúnst des gelúckes oder selden, daz ain ander mensche het, alz die lerer sprechent. [5] Nide mag weder gesehen noch gehoͤren noch in kain andern wege geliden, daz es ieman wol und gelúklich gang, und hasset alle guͤtete aines andern menschen, es sig gaistlich oder weltlich oder liplich oder zitlich oder wie es genant si. [6] Und alles daz, daz guͦt ist und haisset, daz ist nidigen herczen ain swere pene und ain liden, und werdent nidige menschen durchlitten und gemartret mit bitter angst und gecrúciget von andren menschen reht und wol tuͦn. [7] Davon redet Seneca gar wol in dem buͦch von den sitten und wúnschet also: Ich woͤlt, daz alle nidigen menschen ir ǒgen und ǒren hettent an allen den stetten, dǎ man guͦtte und selige werke uͤbet dǎrumb, daz si mit sehen und mit hoͤren in iren boͤsen und nidigen herczen dester vester durch| (164va) litten wurden. [8] Es sprichet Alanus von der klage der nature: Waz mag wunderlicher und schedlicher sin denn nide? [9] Won niden ist ain vinster und blinde ierrunge und irresale und ain bodemlos siechtag und tribet und jaget des menschen gemuͤte ze aller unselde. [10] Nide ist ain dorn aller vergifte und ain zerstoͤrung menschliches frides. [11] Es sprichet Crisostomus der guldin munt úber den salter, daz nide ain unerloͤschen kole ist und fúre ist, daz den menschen verbrenet in herczen, alz die schaben daz edel gewant verderbent und alle guͦten werke mit vintlicher hicze zerstoͤret und vertribet. [12] Und nide durchnaget die sele und durchstichet bruste und gemuͤte und durchwundet daz hercze. [13] Daz sprichet der und mit im Ysidorus von dem glǒben. [14] Huͤtte dich vor der boͤssen gifte nide, won es gǎt nit widrigers noch boͤssers noch hessigers vor got denne | (164vb) nide, sprichet Jeronimus in der epistel von Mauricij tohter. [15] Wǎ nide nút gerichsnen mag, da sendet si ir tohteren hin, und daz ist hass und hinderrede und missehelunge und widerspenekait oder halsstark und gremlich verwissen und zerstoͤrunge des frides, sprichet Gregorius.


18

[1] Wie gar grǒs aber die untugent nide ist, so kenffet und stritet doch wider si sterklich und kreftelich die ander gǎbe des hailigen gaistes, und daz ist guͤtekeit, die alz gar meͣhtig ist, daz die hailig cristenhait von ir singet von únsres herren Jhesu Cristi uffart, daz guͤtekait Jhesum Cristum úberwunden het alz gar, daz er von guͤtekeit alle únser súnde tragen und den scharpfen tǒd liden wolt dǎrumb, daz er mit siner guͤtekait úns von dem ewigen tǒde erlǒste. [2] Guͤtekait hǎt Jhesum úberwunden und genoͤtet, daz er únser | (165ra) untugent vertilgen wolt dǎrumb, daz wir sinen claren anblik eweklich sehen. [3] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der stat gottes und ǒch mit im Ambrosius úber den salter: Guͤtekeit ist gottes nam und gottes dankberkait dez ewigen herren rǎtgebe und ain uͤbunge gaistliches dienstes. [4] Es sprichet ǒch Ambrosius fúrbas úber den salter: Guͤtekait ist ain stuͦle der gerehte n, ain zuͦsennden den armen, ain hilflichait der lieblǒsen und applǎs der súnder. [5] Dǎrumb sprichet Jhesus Cristus in dem ewangelio: 'Lernent von mir, daz ich guͤtig bin und ains demuͤtigen herczen, so vindent ir ruͦwe úweren selen.' [6] Úber daz wort sprichet Rabanus: Wellen wir alle nide vertriben und ǒch zemǎl toͤten, so sǒnd wir trahten mit begirde und mit flisse mit únserm behalter Jhesu Cristo, daz wir sigent guͤtiger sitten, ains guͤtigen wan| (165rb) dels, ains guͤtigen herczen und gemuͤtes, ains guͤtigen willen und mainunge, und waz wir uswendig erzoͤgen mit guͦt, mit tugent und mit tugentlichen werken, daz wir ǒch daz haben inwendig mit allem ernst in dem gemuͤte, so múgen wir allen nide toͤten. [7] Noch bas lerent úns die maister in goͤtlicher kunst, wie wir mit guͤtetikait nide úberstriten sǒnd, und sprechent alsus: Guͤtikeit ist ain sicher dienst gottes, der dǎ lige in ainem vesten verjehen goͤtlicher magestat. [8] Und lit ǒch guͤtekait in eren der goͤtlichen hailigen geschrift, die man stetteklich glǒben, behalten und behuͤten sol mit flisse, und ere den nehsten erbieten sol, sú sigent obresten, mittel oder undertǎn genant, damit úberwindet man nide. [9] Und also die fraidig ungestuͤmkait dez loͤwen úberwunden wirt mit kuͦnlicher guͤtekait und mit froͤlicher schame und zuͦtetekeit und mit manlicher | (165va) kraft, alz Solinus sprichet in dem buͦch von dem wunder der welt, also wirt nide vertriben und úberwunden mit guͤtikait ains unschuldigen lebens, und mit schame unfuͦre und mit maniger kraft widerstrebunge aller widerwertekeit in rehter voller guͤtekait.


19

[1] Merke und lerne, du minende sele, von mir zwainczigosten alten: Alz hoffart strebet wider got und nide wider den nehsten, also vergiftet zorn den menschen an im selber, und zorn ist die drúte totsúnd und hǒptsúnd, darumb der mensch mag verdampnet werden. [2] Zorn ist ain frevel an der beschaidenhait des gemuͤtes, schribet Hugo in dem buͦch von den sacramenten. [3] Zorn ist ain unstuͤmkait dez herczen und kumet von uf stosendem bluͦt von der gallen und rúchet von ainer richlicher begirde, damit sich der mensch rechen wil mit worten, mit werken, | (165vb) es sig gereht oder ungereht. [4] Es ist ǒch zorn wider beschaidenhait aller tugent und ist ain túr und ain ingang aller boshait und untugent. [5] Und wa zorn úberhant nimet, da ist zorn, trunkenhait und unsinne ain geliche wise und gelegenhait, sprichet Damascenus an dem andern buͦch von goͤtlicher lere und mit im Augustinus in ainer omelie von dem fegfúre und ǒch die glǒse úber Salamones buͦch. [6] Man mag ǒch zorn mit zorn nút vertriben, man mag aber zorn mit zorn boͤser, herter und groͤsser machen, also ietweders tail raiczunge ital boͤse wirt, sprichet Crisostomus der gulden munt úber sanctus Matheus ewangelium. [7] Dǎvon sprichet únser herre Jhesus Cristus in dem ewangelio: 'Wer sinen bruͦder erzúrnet, der ist verurtailet dem gerihte.' [8] Ǒch sprichet sanctus Jakobus in siner epistel, daz des menschen zorn kain | (166ra) goͤtlich gerehtekait nit mag gewúrken. [9] Es sprichet Prosper in dem buͦch von dem kúniglichen leben, daz der mensche verlúret mit zorn goͤtlich wishait und lǎt gerehtekait varen und zerstoͤret bruͤderliche minne und verhoͤnet ainhellung des frides und vernihtet die gesecze der warhait. [10] Von zorn erbidemet der lip, die zunge lurget, daz antlút wirt fúrin und daz hercz wirt rideren und die ǒgen erblichent und alle gelider werdent kraftlǒss, und ǒch vil me unrǎtes schaffet zorn an dem menschen. [11] Es schribent ǒch Gregorius und Ambrosius in iren buͤchern: Es hǎt zorn zemǎlle boͤsse tohteren, daz ist krieg und zangung oder kuifel und unwirtschú und schelten und sweren und boͤsse gestrútekait des gemuͤtes, und verkeret ǒch zorn alle guͦt sinne.


20

[1] Secze endlichen in din hercze, daz dich Jactancius, der haidensche | (166rb) maister, leret in dem buͦch von diensten und uͤbungen und schribet also: Die geseczte menschlicher nature ist gekeret uf guͦt und boͤse also, daz die zwai gegen enander ain widerdringen hǒnd, daz ains dem andern muͦs entwichen. [2] Won sind tugent in dem herczen gesaiget, so muͤssent alle untugent dannen entwichen, sind aber untugent in dem herczen verheftet, so hǎt tugent urlob von dir. [3] Es schribet Jeronimus úber sant Matheus ewangelium und mit im Augustinus in ainer epistel ze ainem graven: Mit der gǎbe kunste toͤtest du den zorn, wenne du im mit beschaidenhait entwichest und mit guͦtter fúrsihtekait kain ursach zuͦ zorn gist noch anraiczunge dǎrzuͦ stúrest. [4] Und daz du wislich erkennest, waz unrǎtes us zorn wachssen mag, wǒn du kúnstenrich bist, ob du dem zorn wol ge| (166va) wichen kanst und ǒch entwichen wilt und im beschaidenlich wider streben kanst. [5] Wilt du oder kanst du im kúndeklich nit entrinnen noch entwichen, so lǎs aber den zorn senftemuͤteklich und gedulteklich úbergǎn. [6] Daz ist die best kunst, die dǎrzuͦ gehoͤret: Daz du dich gedulteklich darinne lidest, won suͤsse sinne und kúnsterrichi antwurt zerstoͤret den zorn. [7] Dis alles leret úns Ambrosius in dem buͦch von den emptern. [8] Es sprichet ǒch Gregorius von den siten: Alz dike man dich mit zorn ankeret, so hab die kunst, daz du din gemuͤte gewendest und dich selber úberwindest und slach uf die ungestuͤmekait des zornes und secze din hercze in ain fridelich muͤssekeit. [9] Und wenne din gemuͤte also gestillet wirt, so tuͦ dǎrnǎch mit wishait, waz dir fuͤge. [10] Daz sprichet der. [11] Zuͦ der kunst, die der hailig gaist git, | (166vb) gehoͤret, daz si alles boͤsses verwerffen sol und daz guͦt alle zit erwellen, und mit dem verwirfe si allen zorn, sprechent die maister in goͤtlicher kunst. [12] Von der goͤtlichen kunst leret dich, minende sele, gar vil guͦttes min gesell, der vierczehende alte. [13] Lis in wol, daz ist dir guͦt.


21

[1] Die vierd totsúnd und hǒptsúnd, sprichet Bernhardus in ainer bredige, die gewonlich alle menschen verhoͤnet, ist trakkait. [2] Won mit tragkait versumet der mensch, waz er guͦttes wúrken oder guͦtter werke anvahen und uͦben sol, und wenne er sich uͤbet, so het er ain verdriessen darinne. [3] Tragkait ist ain siechtag des gemuͤtes, daz die menschen verdrússet von got ze lesen noch lustet got ze bettend noch ze dienen noch kain guͦt betrahten von got ze hǎn, sprichet Bernhardus | (167ra) in ainer epistel. [4] Dǎvon redet Augustinus gar wol in dem buͦch von dem strite der tugent und untugent und sprichet: Der trege mensche redet also: 'Lisest du vil von got, so gewinnest du kranke und bloͤde ǒgen. [5] Wainest du aber vil gottes liden oder din aigen súnde, so erblindest du zemǎle. [6] Bettest du aber vil, so wirt dir we in dinem hǒpt. [7] Wachest du in gottes lob vil, so engǎt dir din sinne und wirst tuͦbe. [8] Gist du vil almuͦssen durch got, so wirst du selber ze ainem betteler. [9] Muͤgest du dich selber vil mit vasten und hertem ligen uswendig, so maht du inwendig dinen gaist und din gemuͤte dester minnder ze got keren. [10] Kerest aber du din hercz und din gemuͤte endelich zuͦ got und in got, so ist gottes nature úber din nature, daz du e verieret maht werden, denn du uff den rechten weg kumest.' [11] Und also het der trege mensche ain unendlichen enschuldegen in allen guͦten und goͤtlichen werken. [12] Es | (167rb) sprichet der babest in ainer bredige: Es verdienet nieman daz riche gottes mit tragkait und mit fulkait und wirt ǒch nieman mit schlǎffen und ǒch mit muͤssig gǎn die ewige saͤlikait. [13] Es sprichet ǒch Ambrosius: Von tragkait kumet gar vil unrǎtes. [14] Mit trakait versumet man die goͤtlichen gebott und cristenliche lere, und kumet ǒch der mensche von tragkait in goͤtlichen fluͦche. [15] Won es sprichet der prophet: 'Verfluͤchet si der mensche, der goͤtliche werke und dienst sumekliche vollebringet.' [16] Es versumet ǒch tragkait daz kostbar zit ǎne fruͦhte und nucze und versumet ǒch ewigen lǒn und git dem boͤssen gaist ursach zuͦ boͤser bekorunge. [17] Tragkait erzoͤget ǒch vil tǒrhait und verkeret guͦte wise und sitten und vernihtet reht tuͦn. [18] Es mag ǒch in tragkait únsern herren Jhesum Cristum nieman suͦchen. [19] Daz sprichet der úber sant Lucas ewangelium. [20] Es git ǒch Gregorius der trakait sehs boͤsse tǒhtren. [21] Die ain ist boshait, | (167va) die ander verzwiflen, die drúte verkerung des gemuͤtes, die vierd unendliche erschrokenhait, die fúnft alter und langer verborgner hasse, die sehst wankelmuͦt; von den allen kumet gar vil untugent. [22] Darumb, du minende sel, solt du nút trege sin an den goͤtlichen werken, damit du ewigen lon verlieren maht, und erkenne, daz du darumb geschaffen bist, daz du gottes allain begeren solt.


22

[1] Won lǎs dir kain benuͤgen sin und úberwinde mit der vierden gabe dez hailigen gaistes, daz ist goͤtliche kraft und sterke, die boͤse untugent tragkait, sprichet Crisostomus úber sant Johannes ewangelium und mit im Gregorius. [2] Es sprichet ǒch Macrobius und leret úns: Kraft und sterke, des hailigen gaist gabe, ist nit anders den ain veste krafte in dem gemuͤte úber sorgklich vorht, gebresten und widerwertikait ǎne underlǎs widerstreben. [3] Wilt du aber mit der gab dez hailigen gaistes, | (167vb) daz ist mit sterke, vesteklich úberwinden und úberstriten alle trakhait, so merke, wie dich Gregorius in dem buͦch von den sitten leret. [4] Er sprichet: Sterke sol dez ersten aigen flaische úberwinden, darnach aigen gelúste widerstreben und toͤten, bekorunge zitliches lebens zemale erloͤschen, hertekait diser welt durch des ewigen lǒnes willen liep hon und senftmuͤtekeit versmahen in diser zit und alle widerwertikait úberwinden, den gaist erfrischen und in got erswingen und ersterben, in tugenden sich erzoͤgen, irdesche guͦt hassen und himelriches guͦt begeren. [5] Mit diser wise úberstritest du tragkait und alle ir boͤsen tohteren und alle die untugende, die gewahsen múgent. [6] Wenne man got welle strenge und notveste ritter machen, daz sol man nit alain tuͦn mit libes krafte, man sol es ǒch tuͦn mit der sterke der selen und sol nút mit scharpfen pfile ysen untugent | (168ra) vertriben, man sol si mit geschossem andaͤhtigen gebette und ander uͤbungen úberstriten. [7] Bis kreftig, so úberstritest du tragkait!


23

[1] Die fúnft totsúnd oder huͦptsúnd ist gitekait, die also gar boͤse ist, daz si ist aller zergenglicher dinge ain unerlich unersettunge. [2] Und darumb so haisset si sant Paulus 'dienst der abgoͤtter', won der gittig mensch erbútet den creaturen den dienst, den man got erbietten solt. [3] Und alz dem gitigen menschen ie me und me zitliches guͦttes zuͦvallet, alz er ie minder benuͤgig ist und ie me und me er gittiger wirt, alz daz fúr, alz man dem ie me dúrres holczes git, alz es ie groͤsser wirt, sprichet Gregorius von den sitten. [4] Gitekeit machet gar vil untugent. [5] Si machet diepstal, manslaht, wcher, simonie, herte herczen, unerbermd, roben und verreterie, alz Judaz únser herren verkuͦfft umb drissig pfennige durch gitekait. [6] Es spri| (168rb) chet Augustinus in dem buͦch von den worten gottes: Gitikait ist alz boͤse, daz si got nit fúrhtet noch den menschen eret noch vatter noch kaines frúndes schonet und ǒch nieman vertreit. [7] Gitikait druket witwen und waissen. [8] Si viehtet umb der toten selegerete alz umb der lebenden abprechen und git ir leben umb den ewigen tod und verkuͦffet daz ewig himelrich umb daz zergaͤnglich guͦt, daz ir doch beliben nit enmag.


24

[1] Gitekait het sehs boͤse tohteren, die gar boͤse sind, alz Gregorius sprichet, verhertunge des herczen und unruͦwe des gemuͤtes und frevel und mainaide sweren und betrogen und falsche untrúwe. [2] Und darumb sprach der haidensch maister Socrates: Ich wil vil lieber alles min guͦt und min habe in daz mer werffen und ertrenken, denne daz ich mich mit gitekait des guͦttes verdarbte und ander vil tugende damit verlúre und ǒch daz ich vil mit gitekeit viele in untugent und in boshait. [3] Es sprichet Augustinus in ainer bredige | (168va) und ǒch an dem buͦch von dem frigen willen, daz der gitig mensche welt alle ding verschlunden hǎn alz die helle, und welt, daz kain mensche weder schacz noch guͦt het, daz er alain aller menschen guͦt hette besessen, und davon entspringet vil boshait und súnde von gitekeit, die den menschen stechent alz dorn. [4] Es sprichet ǒch Jeronimus in ainer epistel: Wenne alle untugent veraltent an dem menschen, so vahet gitekait erst an ze jungende an alten menschen und ǒch ie bas und bas ze wachsent und ze gruͤnende.


25

[1] Wider diz untugent stritet sterklichen goͤtlicher rate, daz die fúnfte gabe ist dez hailigen gaistes, der da sprichet durch Davides munt in dem salter wider die gitigen: 'Si wuͦcherent vil und wissent nút, wem si ir guͦt samnent.' [2] Und darumb, wenne úch guͦt zuͦflússet, so sond ir úwer herczen damit nút bekúmeren. [3] Úns ratet únser herre Jhesus Cristus in dem ewangelio, daz wir umb die schecze, die da himelsche sind, werben súllent, die uns die | (168vb) schaben nit zerstoͤrent noch der roste verhoͤne noch die diep us graben und verstellen.verstellen [4] 'Und wa din schacz ist, da sol din hercze sin.' [5] Alz ob er spreche: Din schacz sol got alain sin, ze dem du din hercze gar und gancz keren solt, so engaut dir alle gitekeit. [6] Wider gitikait solt du guͦten rǎt hǒn und doch nút allermengliches rate. [7] Aber der saͤiligen und guͦten menschen raͤten solt du volgen und in ir huͦt und haimlichait beliben, sunder wa du sihst und merkest, daz sie aines rainen, guͦten, seligen und hailigen erwirdigen lebens sient; die múgent dir rǎten von der gitikait, sprichet Bernhardus in ainer epistel. [8] Es sprichet Augustinus in ainer bredige und mit im Gregorius in ainer omelie: Wilt aber du mit wissem rǎte alle gitikait úberstriten, so merke, daz die rehten schecze und | (169ra) richtuͦm und guͦt nút anders ist den tugent und guͦtú werke erzaigen mit consciencie, mit gerehtekait, mit erbermde, mit rainkait, mit messekait und mit andren lobelichen gezierden. [9] Und alle zit zitlich schecze versmahen, won daz ist nút ze minende, daz der mensche unbillich wider got gewinnet und doch dem menschen beliben nút enmag. [10] Din rǎtgebe, sprichet Ambrosius in dem buͦch von den emptern, sol ains guͦtten bildes und wandels sin und sol guͦt sin in leben, in worten und in werken, in lere und in kunst und mit gezierten sinnen und mit gekroͤnter vernúnftekait also, daz sin rǎte got lobelich si, won ain fruhtber rǎt mag dir wessen eweklichen guͦt und núcze, da dir zitlicher schacze, der mit gitekait gewunnen ist, dir zemal nút gehelfen mag, denen daz du din sel damit verlieren maht. [11] Wenne dir got ain seͣlig vermanunge inlúhtet, daz ist goͤtlicher rǎte, der dich wisset von aller gitikait, alz únser herre | (169rb) Jhesus Cristus gesprochen het in dem ewangelio: 'Selig sind die armen des gaistes, won daz himelrich ist ir.' [12] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der stat gottes: Wisse, daz zitlich schecze sind der lieblosen und der verdampnetden, aber vor dem beschirmet goͤtlicher rǎte mit bringende ewigen lǒne. [13] Ǒch sprichet Bernhardus in dem buͦch von den werten des herren: Zitlich guͦt ist vil billicher ze londe durch goͤtlichen rǎte, denne daz du von gitekait gelǎn werdest und darnach eweklich verdampnet. [14] Volge goͤtlichem rǎte und der hailigen lere raͤten, so úberstritest du alle gitekait und úberwindest alle die untugend, die darus wachsent oder kummen múgent.


26

[1] Ich sol dich nun leren von der sechsten tǒtsúnd oder hǒptsúnd, wamit man die bestriten sol, und daz ist frǎshait mit úberessen und mit úbertrinken, die die ersten zwai menschen in dem paradise verdarbte und ǒch alle gaistlich uͤbungen an dem menschen verhoͤnnent. [2] Damit man ǒch dem boͤsen gaist ain hus machet, won die | (169va) untugent fúrbringet unkúsche und manslaht und bringet den tǒd und machet den menschen viehelich, daz es sich an aller siner nature erzaiget, und darzuͦ alz gar sinnlǒs mit trunkenhait, daz der mensch nút enwais, was er tuͦt oder tuͦn sol, und damit verlúret er goͤtlich hulde und frúntschaft. [3] Daz sprechent Augustinus und Gregorius mit enander. [4] Es sprichet ǒch Gregorius in dem buͦch von den sitten: Wa frǎshait úberhant gewinnet, waz den guͦttes der mensche gemachet het, das verlúret er, und wenn man dem libe úberig spise nit enczúhet und ǒch weret, so erstiket alle tugent in dem menschen. [5] Es sprichet Jeronimus in ainer epistel: Von vil ungeordeneter spise und unzimlichem essen und trinken vallet der mensche in gar vil siechtagen und krankhait und gebresten, damit er geieret wirt an goͤtlichem dienst. [6] Es sprichet ǒch Ypocras in sinen arczat buͦchern: Von úberlast der spise, die úber daz messe ist der nature, kumet der mensch in boͤsse siechtagen | (169vb) und ǒch daz er sin zemǎl stirbet, er fúrkume es denne mit hailsamen trenken oder mit lǎssen oder mit ander guͦter erczenie. [7] Es sprichet ǒch Gregorius, daz frashait vil tohteren het: Toͤphait und vil unendliches klǎffen, unsúberkait und trunkenhait und unvernunfte und unwissen und hinderrede und schelten uppige wort und swarlich verlǎssenhait geberde und wise und betrogen gemuͤte und unsicher leben, daz alles wider got ist und ǒch zuͦ untugenden zúhet. [8] Es sprichet ǒch Bernhardus an ainer bredige, daz vil vasten verswendet vil liplicher gelúste, also vil ungeordenetter spise vertribet vil tugend in der sel. [9] Huͤtte dich vor unmessigem essen und trinken und vor aller frashait, won der munt emphahet nach geluste vil me spise, denne die nature des menschen bedarf und verzeren mag oder umb got verdienen kan oder mag.


27

[1] Frashait mag der mensche aller bast úberstriten mit der sechsten gabe des hailigen gaistes, daz ist ver| (170ra) nunfte. [2] So die durchlúhtet wirt mit dem unbeschaffen ewigen goͤtlichem liehte, so múgent wir ain beschaiden und vernúnftig scheczunge hǎn von aller messiger und notdurfftiger spisse. [3] Won es sprichet únser herre Jhesus Cristus in dem ewangelio: 'Ir sond nit flisse hon, waz ir essent oder trinkent, won úwer vatter von himelrich der wais wol, daz ir des bedúrffent. [4] Die sele ist mere denn die spise, und der lip merre denn die klaider, won der vogel in dem lufte, der weder arbait noch spinnet, den ernerret úwer vatter.' [5] Alz ob er sprech zuͦ ainem ieglichen menschen: 'Vernunfte und beschaidenhait sol dich wissen me uf gaistlichait denne uf liplich frashait, won liplich frashait irret dich gottes, aber gaistliche spise liebet dir got.' [6] Es sprichet Vercellensis úber die engelschen jeraͤchie: Also von liplicher spise die kinder úber sich uf wachsent, daz si ze starken menschen werdent, also tuͦt die himel| (170rb) sche vernúnftig spise in dez seligen menschen gemuͤte, daz si erfúllet werdent mit gaistlicher suͤssekait und mit goͤtlicher suͤssekait, darinne si ufwachsent in gotlichem erkennen, daz inen alle lipliche spise erlaidet werdent. [7] Dem gelich sprichet Origenes úber Moyses buͤcher ains: Also du ie me gaistlicher spise empfahest, also du ie me darinne wachsest, und alz du daz hailig gotliche wort ie lieplicher darinne wúrken lassest, also du von ime und mit im ie me vernúnfteklicher gespiset wirst alz suͤsseklich, daz es alle frashait und alle gelúste liplicher spise und setunge zemal gancze und gar in dir toͤtet. [8] Uns leret ǒch únser herre Jhesus Cristus in dem ewangelio, daz der mensche nit alain des brotes lebet, ǒch aller der woͤrter, die da us fliessent us dem munde gottes.


28

[1] Wilt du aber úberstriten alle frashait und waz untugent darus gewachsen mag, so volge miner lere | (170va) und gedenke an den grossen hunger, den únser herre Jhesus Cristus manigvalteklich durch únsern willen erlitten het, und gedenke ǒch, warzuͦ din lip werden sol, den du zúhest mit mengerlaige ungeordeneter spise, die dir an libe und an sel wetuͦt. [2] Gedenke ǒch, daz úns únser herre Jhesus Cristus tegelich spiset aͤne alle únser helfe und zuͦtuͦnde, und wie er úns spiset mit dem brote sines goͤtlichen wortes und mit siner lere und mit so groser vernunfte siner gabe und mit sinem hailigen fronlicham, und ǒch wie er úns spisen welle und ǒch moͤge mit im selben in dem ewigen leben. [3] Legest du die wise alle ze sinne vernúnfteklichen, so úberstritest du und úberwindest ǒch murczes und vertribest alle frashait und alle ir tohteren, und waz davon untugent kumen mag. [4] Dis alles leret úns Innocencius an ainer bredige. [5] Volge im, so wirst du ledig aller frashait.


29

[1] Darnach lere ich dich, wamit du die súbenden totsúnd solt úberstritten, | (170vb) won die súbende tǒtsúnd und hǒptsúnd ist unkúschait, die alz gar gros laster, schame und schande machet, daz si us dem tempel gottes machet ain boͤse hus. [2] Und ist ǒch menschlich geslehte allermaist vergiftet mit den zwain tǒtsúnden, mit hoffart an dem gemuͤte und mit unkúsche an dem flaisch, sprichet Ysidorus in dem buͦch von dem hoͤhsten guͦt. [3] Unkúsche ist die tǒtsúnd, damit menig mensche goͤtliche frúntschaft und minne verloren het, und ist lib und sel schedlich, won unkúsch versmahet got und gevallet dem boͤssen gaist wol. [4] Si ergeret den nehsten menschen und krenket den lip und verdampnet die sele und vernarret des menschen nature und gemuͤte. [5] Davon sprichet Gregorius in dem buͦch von den siten, daz úbrig und vil unkúsche machet tobe sinne und schendet die vernunft und vermelget | (171ra) den willen und undertruket die gedenknúst. [6] Si erleret des menschen hirne und erblendet die gesiechte und machet blaich die gestalt und smekende und zerstoͤret des menschen nature und kúrczet im daz leben und nehet zuͦ dem tǒde. [7] Es sprichet Jeronimus in ainer epistel zuͦ der junkfrǒwen Susannen: O wie gar scharpfe der unkúsche fruhte ist. [8] Si ist vil bitter den die galle und grúselicher denn ain scharpfe swert. [9] Unkúschait, alz Gregorius sprichet, die het vil boͤsser tohterren: Sie erblendet daz gemuͤte und machet den menschen unstette und hǎsset got und minnet sich selber alain. [10] Si beruͤmet sich selber vil und stellet nach zitlicher begirde alle zit. [11] Wenne unkúsche des menschen gemuͤte bekúmert, so mag es gar selten guͦttes von got betrahten und gedenken, sprichet Bernhardus in ainer bredige, und ist daz des schuld, daz dem gemuͤte boͤsse mainung in bildet, us der boͤsen mainung boͤse gedenke und us den boͤsen gedenken boͤse begirde, | (171rb) us boͤser begirde boͤser geluste, us boͤsen gelústen boͤse werke, us boͤsen werken ain boͤse gewonhait, us boͤser gewonhait ain wolgevallen ungeordeneter liebe und darnach ain asmerekait und ain verruͤchen und ain verdampnen diner ewigen sele. [12] Daz sprichet der und mit im Gregorius.


30

[1] Won aber nun unkúsche alz gar ain schedlich, schemig und grosse totsúnd ist, die den menschen dicke und vil bringet in not, angste und mannigvalte liden vor got und vor der welt, so ist zemal notdúrftig, daz si zemal ain kreftig widervehterin hab, die si sterklich widerstrite. [2] Und daz ist die súbende gabe des hailigen gaistes, die da haiset goͤtliche wishait, von der Alanus schribet in dem buͦch von der klage der nature, daz kain untugent noch súnde ǎne goͤtlich wishait úberstriten nút mag werden, darumb daz kain gaistlich strite zwischent tugent und untugent sigrich nút gefrúhten mag ǎne | (171va) goͤtlich wishait. [3] Won si ist úber alles besessen guͦt, darumb daz si got lideklich und abgeschaiden erkenne und man durch si und mit ir goͤtlicher suͤssekait empfinde, und in dem empfinden so sterbent in úns alle gelúste der unkúsche. [4] Wilt du unkúsche zemal toͤten und úberwinden in allen stuken, so solt du goͤtlicher wishait volgen. [5] Die haiset dich alle ursach und anraizunge fliehen und miden an allen steten und ze allen ziten und dich mit flisse mit worten und mit werken und mit geberden und mit gedenken und mit allem vermúgen von unkúsche brechen und sunderlich unkúschen gedenken gar vast widerston und liplich gelústen und bekorung sterklich an dem anvang widerstreben und dich selber alle zit bekúmren mit goͤtlichen gedenken und mit guͦten worten und werken, die got von dir hon wil. [6] Und solt dir sel| (171vb) ber nit ze vil getrúwen und ursach weder von manen noch von frǒwen nemen, won Adam, der der erste mensche was, und David der hailig und Salamon der wise und Samson der starke wurden damit von frǒwen úberwunden, daz si sich selber nút wolten úberwinden und iren gelústen und bekorungen und ǒch iren anvehtungen ze vil verhengen. [7] Aber des solt du alles ledig ston, so úberwindest und úberstritest du alle unkúschait. [8] Von dem sprichet Ysidorus in dem buͦch von dem hoͤhsten guͦt: Alz dicke du angevohten wirst von dem boͤsen gaist oder von dinem aigem libe mit unkúschait, alz dike solt du gedenken an daz jungst geriht und ǒch fúrhten und entsiczen den goͤtlichen zorne und daz hellesche fúre, so entwichet von dir alle unkúschait. [9] Volge der goͤtlichen wishait, alz dich min geselle, der drúczenhend alte, vor mir wol geleret hǎt, so úberstritest du nit alain unkúsche, ǒch alle ander tǒt| (172ra) súnd maht du mit wishait zemal toͤten und vernihten.


31

[1] Ich zwainczigoster alte lere dich, minende sel, in ainen andern wege striten wider die súben tǒtsúnd, und daz ist mit den súben hailikaiten, daz ist mit den súben sacramenten, die úns únser herre Jhesus Cristus darumb geben het, daz wir die súben hǒptsúnd damit vertriben sond und ǒch zemal toͤten. [2] Won hoffart berobet den menschen gottes und aller siner gnaden. [3] Aber damit stritet der toffe, der dem menschen nit alain abnimet die erbsúnd, er seczet in ǒch widerumb also endlich in gottes gnad, daz er nit fúrbas alz genaiget ist ze hoffart, alz er vor dem tuͦffe waz, alz die reht buͦch sagent. [4] Nide berobet den menschen von dem nehsten aller hilfe und guͤtekait. [5] Aber dawider vihtet firmunge, die den menschen nit alain an cristem glǒben sterket, si bestetiget in ǒch an hilflichait ze dem nehsten menschen und an aller gtikait, alz die maister | (172rb) sprechent in goͤtlicher kunst. [6] Zorn berobet den menschen aller beschaidenhait und aller siner sinne. [7] Aber dawider kempfet rúwe, bihte und buͦsse, die allen zorn abnement und beschaidenhait und sinne widerumb dem menschen verlihent, sprechent die lerer. [8] Tragkait vernihtet den menschen allen gottes lobe und dienste, und waz zuͦ der sele haile gehoͤret, daz vernihtet si gar. [9] Aber dawider stritet groͤsseklichen der fronlicham únsers herren Jhesu Cristi, der lib und sel und ǒch den menschen herlich an aller volkumenhait widerbringet und ǒch vil me, denne in alle súnde moͤhtent verderben, alz der ainlft alte, min geselle, vor mir wol geleret hǎt. [10] Gitikeit wirfet den menschen in alle unbenuͤgunge. [11] Aber dawider vihtet priesterlich lere und ampte, die úns gitikait weren súllent, alz úns die goͤtlich kunst leret und die reht buͤcher gebotten hond. [12] Frashait vergiftet | (172va) den menschen in alles libes ufenthalte und in aller guͦter uͤbunge. [13] Aber dawider kempfet die hailig oͤlunge, der júngste tǒffe, der úns in der aller jungsten krankhait billich erlaidet alle frashait. [14] Unkúsche bringet den menschen in des boͤsen gaistes dienst. [15] Aber dawider stritet die e, die got selber darumb gemachet het, daz sich alle weltlichen menschen der boͤsen unkúsche mit der e erweren soͤllent. [16] Die aber ir rainkait got gelobet hond und únserm herren Jhesu Cristo in megtlichen eren und junkfrowelicher wirdekait gemehelt sind, die súllent ir gelúbde sterklichen halten. [17] Won es sprichet Jeronimus in ainer epistel: Cristus ebrecherin tuͦt vil me súnd, denn daz ain elich mensche an dem andern sin e breche. [18] Also lere ich dich, minende sele, wie gar wol úns got versehen het in mangerlayge wise ze striten wider die súben totsúnd.


32

[1] Daz aber du, minende sele, dester bas | (172vb) dem strite mit tugenden wider untugent múgest volherten und aller untugent ob geligen, so wise ich zwainczigoster alte dich, wie du undankberkait mit dankberkait vertriben solt, won undankberkait machet den menschen alle sine guͦte werke unverfangen und bringet den menschen in gar vil mangerlayge untugent. [2] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der stat gottes: Der mensche, der goͤtlich guͤtete nit sehen noch erkennen wil, der ist blint. [3] Der si aber sieht und got umb sin guͤtte undankber ist und in darumb nit enlobet, daz im got guͤtlich tuͦt, der pfliget wicze nit. [4] Der aber ain ander mensche an siner dankberkait irret, der were unsinig. [5] Der aber an goͤtlicher dankberkait welte ain verdriessen hon oder zemal nit enahten goͤtlicher guͤtete, der were tot in goͤtlichem erkennen. [6] Es ist ǒch undankberkait ain alz | (173ra) boͤse untugent, sprichet Bernhardus úber der minne buͦch, daz alle die guͤttete verloren sind, die got dem undankberen menschen erzaiget und ǒch tuͦt, won undankberkait ist ain vigindin der sel, ain vernihterin des lones, ain zerstoͤrerin der tugent, ain verbieterin goͤtlicher guͤtte. [7] Si ist der brinende wint, der da derret den rainen brunen der guͤtekait und vertribet den tougen der erbermde und ierret den influs goͤtlicher gnad und verierret allez glúk, und missevallet got an allen sachen und raiczet got zornlich úber den menschen. [8] Undankberkait ist ain raiczung zuͦ aller boshait, ain vertriben aller guͦttete, ain zerstoͤrerin alles lones. [9] Daz sprichet der und mit im Petrus von Ravenne in ainer epistel. [10] Also dis kumet von ainem senftmuͦtigen guͦten herczen, daz der mensch guͦttete erkennet, also kumet dis von ainem verborgem und boͤsen ding und gemuͤte, daz der mensche undankber ist der guͤtte, die er | (173rb) empfahet von got und von sinem nehsten. [11] Darumb vallet der undankber mensche in alles ungelúke, sprichet Plinius in dem buͦch von der nature. [12] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von rúwen: Es ist ǒch ain ieglich mensche undankber, der goͤtlich gabe von ainem rehten hon wil, daz im doch got allain ledekliche von gnaden git, und im selber daz zuͦlegen wil, daz im doch nieman denne got allain geben het. [13] Won der ist zemal undankber, dem got volle gnad und tugent geben het, und doch got darinne weder fúrhten noch erkennen wil, won ain ieglich súnder ist alz vil me schuldig, alz er minre dankber ist gotlicher gabe. [14] Es sprichet Ambrosius úber den salter in der persone únsers herren Jhesu Cristi wider alle undankberen menschen: 'Ich han swangerhait alles guͦten herbraht, aber du undankber mensche hest brǎht alle unfruhtberkait. | (173va) [15] Ich hon daz leben braht, aber du hest den tot braht. [16] Ich hon ere braht, aber du hest schande braht. [17] Ich hon ercznie braht, aber du undankber mensche bringest die wunden und den tǒt, und darumb bist du der figebome, den ich verfluͤchet hon in dem ewangelio.'


33

[1] Minende sele, merke dabi, wie gar boͤse und schedelich undankberkait ist, und flise dich, wie du si mit endelicher und guͤtlicher dankberkait múgest úberstriten. [2] Won tuͦst du dis alles, daz ich dich leren wil, so maht du undankberkait und alle untugent dester bas úberstriten. [3] Es ist gar boͤse, daz der man guͦttete nút erkennet, es ist ǒch boͤse, daz man ir nút dankber ist, so ist aller boͤst, daz man guͤttete zemale nit enahtet, sprichet Seneca in dem buͦch von den guͤteten. [4] Aber Thomas von brediger orden sprichet: Wenne man boͤse wider guͦtte tuͦt und guͦ| (173vb) tet schiltet und si ǒch vernihtet und ir fluͦchet, daz ist zemal ain grosse tǒtsúnde, und der mensch ist ǒch kaines guͦten wirdig. [5] Daz sprichet der. [6] Won aber daz ital boͤse ist, der got siner guͤttete undankber ist und menschlicher hilf nút enachtet noch erkennen wil noch dankber sin wil, so merke wol, wie du dawider striten und vehten solt, won núczet mag bessers sin, sprichet Augustinus in ainer epistel, in dinem gemuͤte noch nit loblicher in dinem munde noch nit fruhtber in dinen werken, denne got ǎne underlǎs danken aller der werke, die er úns milteklichen erzaiget gaistlich und liplich ǎne zal vil und ǎne alle hilfe. [7] Es sprichet Crisostomus der guldin munt úber den glǒben: Ich ermanen úch goͤtlicher guͦtete, daz ir got ǎne underlas darumb lobent und im dankent. [8] Begegent oder widervert úch urdrucze oder widerwerte| (174ra) kait oder liden, so lobent got und dankent im siner guͤtte, daz er úch bekennen werde. [9] Vallet úch gelúk und selde zuͦ, so sind got dankber, daz es úch beliben múg, daz ir darinne volhertent. [10] Es sprichet ǒch Cassiodorus in ainer epistel: Won nu alles únser haile und zuͦnemen ist allain goͤtlicher gabe zuͦ ze legende, und waz guͦt und guͤtet ist, solt du erkennen, daz dis von got dem menschen verlúhen ist.


34

[1] Dankberkait ist ain tugent, die widerlegunge hǎn wil dem, von dem guͤtet kumet, und sol der mensche, der guͤtet empfahet, me ansehen begirde denne gabe oder tet. [2] Und darumb, waz dir got guͤtet tuͦt, solt du me scheczen begirde, die er zuͦ dir hǎt, denne gabe,wie wol daz si, daz im noch denne siner gabe nieman voldanken múge, darumb daz er si git von gnade und nit von reht. [3] Schribe gar wol in din hercze, wie und warumb du got dankber | (174rb) solt sin, damit du alle undankberkait getoͤten maht. [4] Bis got dankber, darumb daz er dir git applas diner schulde und súnde und dich ufenthaltet in dinen súnden mit siner grossen erbermde und dich fristet vor dem ewigen tode, daz du dar út úber urtailt werdest, bis daz dich die rúwe bi got behebet! [5] Bis ǒch got dankber, daz er dir git gnad und minne und menigerlayge tugent, damit du dich im gelieben maht und vil lones verdienen und daz ewig leben gewinen! [6] Bis got dankber, darumb daz er dir baitet in dinen súnden und dir ruͤffet von den súnden und sich an dir nit zehant richet umb die súnde und dich behuͤtet vor vil fraise! [7] Bis dankber got darumb, wenne du dich zuͦ im kerest, daz er dich froͤlich empfahet und din hercz in ain goͤtlich erkennen bringet und sinen zorn gegen dir ablǎt und diner missetat zemale nit fúrbas me gedenket! [8] Bis got dankber, darumb daz er dir hie in zit liden sendet, | (174va) daz dich von dinen súnden rainget, und daz er dir gelúk und hail zuͦfuͤget, damit er dich ze ime ziehen wil, und daz er dir die hailigen sacramente verlihet, die dir den lone gebent und merent, und dir sin gebot darumb git, daz du an sinen ewigen niessen gerihtet werdest! [9] Bis im sunderlich darumb dankber, daz er dich nach im gebildet het und dich ainen herren úber alle creaturen gemachet hǎt und dich durch sinen ewigen sun von dem ewigen tǒt erloͤset hǎt und dir zuͦfuͤget alle din narunge und notdurft, und wes du bedarft gaistlich und liplich! [10] Und umb alles, daz du bist, solt du got dankber sin alle zit.


35

[1] Es sprichet Seneca in siner epistel ainer, daz der wise mensche sol erkennen von wem oder wie dicke er guͤttete enpfangen het, erkennet er aber daz nút, so ist er torreht und gnadlosse. | (174vb) [2] Von dankberkait leret úns Bernhardus in ainer bredige úber der minne buͦch und sprichet: Alz dike du bekorunge úberwindest und untugent von dir tribest und boͤser sorge entwichest und dem strike des boͤsen gaistes entrinnest oder dir liden in diner sel zuͦvallet, alz dike solt du got darumb dankber sin und in loben und ruͤmen, daz solicher strite durch in geschiht. [3] Und solt im nit danken alz ain glisner noch von notdurft, du solt im aber danken in luterkait, in hailikeit, mit ernst und andaht, froͤlichen, mit luste, mit begirde und mit allen dinen kreften, won also úberstritest du undankberkait und úberwindest alle untugent.


36

[1] Es sprichet Anshelmus von dankberkait in ainem gebette zuͦ Jhesu Cristo und in siner betrachtunge also: [2] O genediger min herre, wie gar vil hon ich dir ze danken, sunder | (175ra) daz du mich geschaffen hest durch din selbes guͤtekeit und mich mit diner hailikeit vor erbsúnd und andren súnden versehen hest und mir teglich verlichest, daz mich zuͦ dir geziehen mag. [3] Darumb ist dir alle min substancie und alles min vermúgen schuldig ǎne underlǎz danke ze sagen. [4] Daz aber du dich selber mir geben und veraigent hest, daz ist soliches grosses dankes wert, daz ich dir des tusentsten taile nit gedanken kan noch mag. [5] Und alz vil du, min genediger herre, groͤsser und mehtiger bist denne ich schnoͤde creature bin wider dich, also vil beger ich von dir, daz du die dankberkait fúr mich dir selber alsus verwesest, alz vil du, almehtiger got, dir selber an mir ere und lobe ǎne underlǎs erzaiget hest.


37

[1] Du solt ǒch nit alain got dankber sin, du solt ǒch allen menschen dankberkait erzoͤgen, ob du wilt, daz | (175rb) din leben got wol gevalle. [2] Und waz man dir tuͦt guͦtes oder boͤsses, klain oder grǒs, in worten, in werken, daz solt du dir fúr ain guͤttete scheczen. [3] Won es sprichet Cassiodorus: Wer klaine ding versmahet, der ist grosser guͤttete nit wirdig ze enpfahen. [4] Es sprichet ǒch Seneca in siner epistel ainer daz selb.


38

[1] Lern ǒch von mir zwainczigosten alten, du minende sel, wie du mit fride unfride und kriege und missehellunge und rassel und zangen, und daz dem gelich ist, úberstriten solt, won wa fride nit enist, da mag des menschen leben got nit wol gevallen, darumb daz unfrid gar vil ergerunge gebirt und machet vil unrates, und ǒch alle boͤsse wisen koment von unfride. [2] Und wa unfride und missehelunge und kriege úberhant nement, da mag sich weder gerehtekeit noch beschaidenhait nút erzoͤgen, sprichet Gregorius in siner buͦcher ainem. | (175va) [3] Es sprichet ǒch die glǒse úber der striter buͤcher: Welher mensche mit sinem nehsten nit moͤhte oder woͤlte fride hon, der mag in dem lib Jhesu Cristi kain gelide werden noch geselleschaft gewinnen noch daz ewig leben besiczen noch zuͦ der ewigen ruͦwe kumen und verlieret mit krieg und unfride, des in nieman ergeczen mag. [4] Kriege und unfride bringet nide und hase und zorne und zerstoͤret dem menschen sin beschaidenhait. [5] Krieg und unfride bringent vil menschen umb lib und umb guͦt, umb ere, umb leben und ǒch umb sele, won von krieg und unfrid verlúret der mensche dike und vil sin krafte und sin sinne, sin frúnde, sinen gelinpfe und ǒch got und alles himelsch her. [6] Darumb rǎt úns Ysidorus, daz wir mit allem flisse unfride und missehellunge, und waz dem gelich sin mag, fliehen súllent, won wer mit sinem nehsten krieget, daz ist ain galle, wer mit sinem obersten unfride het, | (175vb) der ist unsinnig, und der mit sinem undertǎn missehelig ist, der ist im selben unnúcze und unendlich. [7] Dis ungelúke und untugent - unfride, krieg, missehellunge, rassen und zangken, und daz den gelich ist - daz maht du, minende sele, mit núte alz wol úberwinden und bestriten alz mit fride. [8] Wan fride, alz Augustinus sprichet in dem bǒch von den worten des herren, ist ainhellunge der tugent und starken strite hǒn und vesten krieg wider alle untugent. [9] In fride ist Jhesus Cristus geboren, und darumb sungen die engel in siner gebúrt: 'Und in ertriche si fride den menschen ains guͦten willen.' [10] Ǒch sprichet únser herre Jhesus Cristus, fride si ze halten, und gab fride sinen júngern ze ainem selgerette, do er sprach: 'Minen fride gib ich úch, minen fride lǎs ich úch.' [11] Alz ob er spreche: 'Mit minem fride úberstritent ir alle unfride und krieg.' | (176ra) [12] Es sprichet sanctus Paulus in siner epistel ainer: 'Der fride gottes, der alle sinne úbertriffet, der behuͤtet úwer herczen und úwer verstan.' [13] Davon redet Crisostomus der guldin munt in dem buͦch von dem rúwigen herczen: Wa rehter fride ist, da ist alles gelúke und selde und hail und ainunge des gemuͦtes, und mag unfride und krieg da kain wonung gehon. [14] Es mag ǒch nieman ze goͤtlichem erbe kumen, der goͤtlichen fride nit behaltet, sprichet Augustinus von der stat gottes. [15] Won fride ist ain soͤliche guͦte, daz in allen geschaffenen dingen núczet gnediger gehoͤret wirt, noch lustlich er, empfintlicher. [16] Und alz der menschlich gaist die gelider nút mag erkiken, si sient denn vor verainet, also mag der hailig gaist die gelider der cristenhait nit gehailigen, si sient denne vor in rehtem glǒben verainet. [17] Dis ist, sprichet Leo der babest an ainer bredige, aber ain rehter fride, damit man alle krieg und unfride úberstritet, wenne des men| (176rb) schen flaische mit minne úberwunden wirt und got selber sin bekerde ist und sich ǒch des menschen willen von got nit tailet und der mensche allen sinen wolgeluste in got alain leit und die beschaidenhait des menschen goͤtlichem willen nit widersprichet, won damit úberkumet man allen krieg, úrlig und unfride. [18] Úns leret Augustinus in dem buͦche von den worten des herren gar herlich von fride und sprichet: Fride ist ain durchsichtig lúterunge des gemuͦtes und ist ain ruͦwe der selen, ain ainvalt des herczen, ain bant der minne, ain geselleschaft der liebe. [19] Fride vertribet glichssenhait und gestillet strite und verdruket zorn. [20] Fride zertrittet hoffart und minnet demuͤtekait und verswendet missehellung. [21] Und widerwerdig viend verainet fride und ist allermenglich wolgevellig. [22] Der den fride empfahet, der behebet in, der sin mangele, der beger sin, und der fride verlorn hab, der suͦche | (176va) in. [23] Der fride nit enhet, der wirt von dem himelschen vatter verstossen, von dem sun enterbet und von dem hailigen gaist murczes gesúndert und zemal geschaiden. [24] Und mag goͤtlich erbe niemer besiczen, der goͤtlichen fride nit kan noch wil behalten. [25] Daz sprichet der. [26] Flisse dich fride ze haben und ze halten, so schadet dir weder krieg noch unfride noch missehellunge noch kainerlaige frais.


39

[1] Es ist ǒch ain ander untugent, davor ich zwainczigoster alte dich, minende sel, gar ernstlich warnen wil, die verhoenet nun alle die welt, und daz ist úppig ere, die den menschen uswendig vernihtet und vergiftet und inwendig vergallet. [2] Won davon sprichet David in dem salter: 'Alle lebendigen menschen lebend in úppiger ere.' [3] Und sprichet davon Augustinus in dem buͦche von der rúwen: Úppig ere ist boͤser vor allem boͤse und mag kain boshait sich uswendig erzoͤgen, si sig denne vor inwendig in | (176vb) herczen und in gemuͤte verborgen. [4] Es sprichet Crisostomus der guldin munt in ainer epistel, daz uppig ere ist ain muͦter aller boshait. [5] Und wen man denne suͦchet in allen loͤffen uppekait und man si ǒch vindet in allem leben, so wúnschet Crisostomus der guldin munt, daz der spruche des wisen Salomones geschriben stuͤnde in allen gassen und strassen und an allen húsern: 'Es ist us uppigekeit der uppekeit und alles tuͦn der menschen sind uppig.' [6] Daz sprichet der. [7] Aber Gregorius in dem buͦche von den sitten der beweret, daz uppigkeit alle menschen vergiftet, und sprichet, daz die, die sich uppekait úbernement, die dunkent sich sin vor allermenglich die aller besten und úber die ander die herlichesten. [8] Si scheczent der ander menschen wishait ain torhait, der ander sinnen ain affenhait und ain gespoͤte. [9] Der andren lúten richtuͦme scheczent si ain armuͦt. [10] Der andren verdienen | (177ra) und lone straffent si. [11] Der anderen lúten leben vernihtent si. [12] Ir wise und ir leben dunket si die aller beste, und was si guͦtes an in hond von nature oder von scheczen, daz legent si in selber zuͦ, alz hetten si es von in selber und von nieman anders, und darumb versmahent si alle menschen und dunkent sich alz gar guͦt, daz si weder got noch der menschen achtent.


40

[1] Wider die untugent úppekait stritet krefteklich die tugent fúrsichtekeit, von der ǒch Augustinus sprichet in dem buͦch von der sunderhait der pfaffen: [2] Wa fúrsichtikeit ist, da wirt vernihtet alle úppekeit, da aber fúrsichtikeit versumet wirt, da gewinnet úppikait úberhant in aller boshait. [3] Es schribet ǒch Hugo von sant Victor in dem buͦch von dem kloster der sele, daz der fúrsihtig mensche die úppigen menschen fraget also: 'Sag mir du úppiger mensche, wa sind nu die úppigen minner diser welt, die nu tot sind und | (177rb) etwenne mit úns geessen und getrunken hond, und nun ze eschen und ze wúrmen worden sind? [4] Was vervahet si nun ir uppig ere, ir kurcze froͤde, der welte ruͦme, des libes wolgelust? [5] Was vervahet nu ir betrogenne schecze und richtuͦm, ir úbermuͦt, ir herschafft, ir schoͤne, ir adel, ir frúnd, ir sterke, ir gelúke, ir kúndekeit, ir list und ǒch alles daz, damit in wol was? [6] Won daz ist nu alles zergangen, und het si der tod des alles berobet, dem nieman endrinen mag. [7] Und der tot baitet ǒch din, du úppiger mensche an allen stetten, daz du nit waist, wenne, wa oder wie du stirbest. [8] Wilt du dir selber fúrsichtig sin, so sih dis alles an mit ernst und were dich damit aller úppekait, so maht du din leben damit zuͦ got keren.'


41

[1] Ich zwainczigoster alte warnen ǒch dich, minende sel, mit guͦtem flise, daz du dich vast huͤtest vor untrúwen und falschait und betriegen, daz allez ains | (177va) ist. [2] Won falschait, triegen und untrúwe hǎnt sich alz gar vast gezetlet und gespraitet in dis welt und in allen menschen, daz man nu selten sicher mag gesin, man werd betrogen und gefelschet. [3] Der aber got mit ainem rainen herczen und ernsthaftem gemuͤte minnet, der belibet hie in zit unbetrogen und dort eweklichen ungefelschet. [4] Es sprichet Seneca in dem buͦch von den sitten: Es ist gar ain grosser gebreste an untrúwen menschen, won alz si ander lúte betriegent mit falschait, also wend si alle zit betrogen werden. [5] Es sprichet Cyprianus: Ungetrúwen menschen hond ains in dem munde und ain anders in dem herczen. [6] Si gehaisent vil und laistent nút. [7] Si erzaigent sich dem menschen frúntlich under ǒgen, aber hinderwert sind si vol stich und gift. [8] Und darumb ist sich vil sichrer ze huͤtend vor ainem, der sich frúnde offenlich giht und doch haimlich falsche und untrúwe erzaiget, denn vor ainem offem viend. [9] Huͤte dich vor falschen, betrogen, ungetrúwen | (177vb) menschen, won si tuͦnd grossen schaden mit zerstoͤrung ains hailigen lebens und irent vil guͦtter werke und wisent den menschen von got. [10] Du solt ǒch selber weder got noch dinem nehsten ungetrúwe sin noch falschait noch betrugenúste erzaigen, daz du von got út vertailet werdest alz die glichssener, die sich uswendig erzaigent alz guͦt schefely und doch inwendig sind alz zukent wolfe alz boͤse. [11] Dis untugent - falschait, untrúwe, betriegen - mag man nit bas bestriten den mit gedultekait und allerbest damit, daz du von ungetrúwen lúten fliehest, daz du von in út betrogen werdest noch din hercze mit in út gefelschet werde. [12] Won es sprichet Ysidorus in dem buͦch vom hoͤhsten guͦt: Ain diener gottes lidet alle widerwertekait gedulteklich; und alz er von der falschen welt ie me betrogen wirt, alz sin gemuͤte ie bas und me ze got gezogen wirt. [13] Er erschinet | (178ra) in grossen gnaden von got, den disú welt betrúget und sich doch darinne gedulteklich treit und lidet. [14] Und ist notdurftig, daz in got minne, den dise welt unschuldeklich dike betrogen het. [15] Daz sprichet der. [16] Wisse ǒch, daz vil menschen zemal mit enander von der welte kerent, darumb daz si von der falschen welt dike betrogen werdent, die sich doch ǎne daz ze got nút kerent, empfundent si aber nút manigvalt ungetrúwe an diser welt. [17] Und der sich etwenne von guͦter vermanunge und goͤtlichem insprechen ze got nút keren wil, den úberwindet die falschait diser welte, daz es sich gancze und gar zuͦ got keret. [18] Won es sprichet Gregorius úber Ezechielis wissagunge also: Únser herre got vermúschet sin gabe etwenne mit kestegunge und mit siner gaislunge, daz úns alles daz, daz úns in diser welt ainen geluste git, ersúret wirt, und dem menschen solich bitterkait wachset in sinem gemuͤte, daz in | (178rb) raiczet ze himelrichen froͤden. [19] Und der sich vor nit wolt zuͦ got ziehen, der wirt alz gedultig in widerwertekeitten sachen, daz es ruͦwe, geluste und fride darinne gewinnet und sich damit zuͦ got keret. [20] Won des gerehten menschen leben ist damit gezaichent von des ungerehten, daz er des almehtigen gottes lobe vergiht in aller widerwertekeit noch brúchenlich wirt von der welte falschait noch ungetrúwe noch betriegen.


42

[1] Minende sele, daz din leben dester volkumner werde, so wise ich zwainczigoster alte dich an den grossen strite, den der riche und der arme wider enander hǒnd. [2] Won mit richtuͦm verlierent vil menschen daz ewig leben, alz mit williger armuͦt daz riche gottes erstriten wirt. [3] Und wil doch der riche mensche des ewigen lebens also sicher sin alz der arme, und geschiht ǒch | (178va) , ob daz ist, daz der riche daz guͦte mit reht gewunnen het und es ǒch mit got besiczet und es seleklich tailet mit den frúnden gottes und es ǒch verzeret in goͤttlichem dienst und sin hercze nút bekúmbert mit zitlichem guͦte, daz es in des ewigen guͦtes út irre. [4] Tuͦt er daz, so wirt der rich alz wol behalten alz der arme. [5] Merke nun, wie riche und arme mit enander redent us der geschrift.


43

[1] Der riche sprichet also: Got het alle dinge und allen richtuͦm geschaffen durch minen willen, und darumb so mag ich alle zitlich schecze niessen, wie ich wil.


44

[1] Der arme sprichet: Got het armen und richen in der gemaine geliche daz ertrich geschaffen, darus alle zitlich schecze kument. [2] Warumb nimest du, richer, dich des me an, und du doch geliche arme also ǒch ich von nature in dis zit geborn bist und du also wenig guͦttes mit dir braht hest alz ich? [3] Dis leret mich Ambrosius reden úber | (178vb) den salter und Augustinus mit im von den worten gottes.


45

[1] Der riche sprichet: Got het alle ding geschaffen, daz si guͦt sind, alz mich die geschrifte leret, und darumb so mag ich alle gelúste und ergeczelichait darus nemen und trost miner nature.


46

[1] Der arm antwurt darzuͦ also: Guͦt sind die dinger, die got geschaffen het. [2] Bis ǒch du, richer mensche, guͦt in den guͦten geschepften und huͤt dich, daz du út boͤse werdest in in und du durch iren willen út verderbest! [3] Won alz alle zitlich schecz den boͤsen sind ain verderben libes und sele, also sind si den guͦten menschen ain zuͦnemen und ain fúrderunge ze allen tugenden. [4] Dis leret mich Ambrosius reden úber den salter und mit im Augustinus von den worten des herren.


47

[1] Der riche mensche sprichet: Got het den hailigen vaͤttern in der alten e geloubet und ǒch geben richtuͦme und schecze und zitlich guͦt, und wurdent damit | (179ra) hailig, alz manigvalt geschriben stat in der alten e. [2] Sind nun mit vil zitlichem guͦt hailig worden die alt vaͤtter, und so so irret mich richen menschen nút in der núwen e zitlich guͦt des ewigen lebens noch kainerlayge hailikait, daz es wider got si.


48

[1] Der arm antwurt und sprichet: Got gab den alt vaͤttern in der alten e vil zitliches guͦtes alz groben lúten darumb, daz si im dienten und an in geloubeten. [2] Aber in der núwen e so ratet er sinen erwelten armuͦt zehalten, damit si ewig richtuͦm gewinnen und verdienen múgent. [3] Also leret mich únser herre Jhesus Cristus in dem hailigen ewangelio und ǒch die glose úber den salter. [4] Und sprichet ǒch Bernhardus úber Ezechiels wissagung: Minnen wir ewig schecz, so besiczen wir zitlichen núcze ǎn alle ander begirde.


49

[1] Der riche mensch sprichet: Got het geordenet, daz kaiser, kúng, herczogen, fúrsten und alle | (179rb) ander herren zitlich guͦt sond hon, damit si allermenglich beschirmen súllent und fride machen. [2] Sol in daz guͦt nu ain verderben sin an der sele, so het got berlich daran gevellet, daz er si geschaffen het und daz guͦt, damit si verdampnet sond werden.


50

[1] Der arm antwúrt darzuͦ und sprichet: Got het alle ding geordenet uf daz aller best. [2] Aber noch besser und vil besser ist daz, daz der herre aller herren und der kúng und kaiser ob allem adel und der fúrst himelriches und ertriches, únser herre Jhesus Cristus, in armuͦt geborn ist, in armuͦt gelept het, in armuͦt gestorben ist und úns mit armuͦt den ewigen fride gestriten het und gewunnen het, alz mich leret daz ewangelium reden.


51

[1] Der riche sprichet: Ich wil vil lieber mit goͤtlichem gunst riche sin und wol tuͦn, denne daz ich in armuͦt úbel tette und erhenket wurde.


52

[1] Der arm antwurt und sprichet: | (179va) Wa der rich hin gǎt, da treit er slússel mit im. [2] Er slaffe, er wache, so fúrhtet er, im werd daz guͦt geminret und ab gebrochen oder verstoln und genumen. [3] Und woͤltent sin wip und sine kint und ander sin erben, daz er stúrb, darumb daz in daz guͦt wurd. [4] Und ǒch von sinen aigen dienern ist er unsicher, und wa er gat oder stat, so het er me not umb sin guͦt den umb sin sele. [5] Und nach sinem tode so kriegent sin erben umb sin guͦt und die dúfel umb sin sele und die wúrm umb den lip. [6] Und wuͦchert der riche nach guͦt und stellet darnach mit allen sinen krefften und wais doch nút, wem es wirt. [7] Aber der arme stat der sachen aller ledig. [8] Und wa der rǒber den richen menschen vahet oder múrdet umb sin guͦt, da gǎt der arm ledig und sicher mit fride. [9] Und ist ǒch nieman gottes und sines frides wirdig, denne der alle zitlich schecze und hoͤrde versmahet. [10] Also leret mich antwúrten Bernhardus | (179vb) und mit im Seneca.


53

[1] Der riche sprichet: O, du lieblose armuͦt! [2] Betlest du daz almuͦssen, so wúrst du schamrǒt. [3] Betlest du daz almuͦssen nút, so muͦst du verderben und ǒch hunger sterben. [4] Won der wise her Salamon sprichet: 'Es ist beser sterben, den arm sin.' [5] Won der arm ist sinen frúnden und sinen nehsten snoͤde und widerzem und wirt ǒch dike laitlich gehandlet von allermenglich.


54

[1] Der arm antwurt und sprichet: Min maister Jhesus Cristus leret mich, daz got mehtig sig sin erwelten ze erneren von den stainen. [2] Und der die bluͦmen klaidet uf dem velde ǎne ir helfe und die vogel spiset in dem luft ǎne ir arbait, der mag mich versehen an aller miner notdurft, wenne ich min gancz zuͦversiht in got lege. [3] Und es wart nie gehoͤret noch gesehen, daz got kainen gerehten menschen ie geliesse, der sin zuͦversiht in got genczlich saczte. [4] Also leret mich antwúrten | (180ra) daz hailig ewangelium und ǒch David in dem salter. [5] Und Augustinus sprichet: Der dich geschaffen het ǎne dich, der mag dich erneren ǎne dich.


55

[1] Der riche mensch sprichet: Min richtuͦm und min hord machent mich alz sinnig und wise, daz ich vor kúngen und vor fúrsten gereden mag und ǒch kan. [2] Aber wenn du armer mensche kumest fúr grǒsse herren und reden wilt, so sprichet man von dir: 'Wer ist der?', und wirst mit smehe dennen vertriben, sprichet Salamon in dem buͦch von der wishait, und bútet dir armen menschen nieman ere.


56

[1] Der arme mensche antwurt und sprichet: Únser herre Jhesus Cristus het gesprochen in dem ewangelio: 'Wenne ir stond vor kúngen und vor fúrsten, so sond ir nút betrahten, was ir redent, wan úch wirt geben von dem hailigen gaist, was ir antwurtten soͤllent.' [2] Ǒch sprichet sanctos Paulus: 'Diser welte wishait ist ain torhait vor | (180rb) got.' [3] Und dise welte suͦchet iren lǒffe, und zitlich schecze bringent den menschen me torhait den wishait. [4] Won es ist nieman wise noch riche, den der ain guͦt consciencie het und gerehtekait haltet und barmherczekait erfúllet und kúschelich lebet und demuͤtikeit volbringet und sich uͤbet in allen tugenden; der besiczet den ewigen schacz, sprichet Augustinus in ainer bredige und ǒch Bernhardus in ainer bredige. [5] Dis lerent mich die.


57

[1] Der riche mensche sprichet: Die richen buwent mit irem guͦt kilchen und stifftent cloͤster und pfruͦnda und merent den dienst gottes mannigvalteklichen, des du armer mensche nút getuͦn maht. [2] Sol ich darumb got verworffen sin, so ist min glǒbe falsch und min zuͦversicht vor got verdorben.


58

[1] Der arm mensche antwurt alsus: Únser herre Jhesus sprach zuͦ der haidenin ob dem brunnen: 'Wip, glǒbe mir, daz die | (180va) rehten better weder uf disem berg noch ze Jherusalem got anbetten súllent.' [2] Aber in dem gaist und in der warhait sol man got anbetten, und solich better suͦchet der vatter von himelrich und nút kilchen buwer von boͤsem guͦt, sprichet die glǒse. [3] Ǒch sprichet Augustinus von den worten des herren: Was der rich guͦtes tuͦt, daz tuͦt er nút us sinem aigem guͦt, er tuͦt es us gottes guͦt, daz allein sin lehen ist und nút sin aigen.


59

[1] Der riche mensche sprichet: Únser herre Jhesus Cristus het mich gehaissen in dem ewangelio, ich súlle mir frúnde machen von dem guͦt der untugend, und daz ist ain zaichen und ain urkúnd, daz ich guͦt mit reht geben mag.


60

[1] Der arme antwúrt: Daz du richer mensche dir goͤtlich frúnd machest mit dem guͦt, daz nu din lehen ist, daz ist gar wol getǒn. [2] Aber únser herre Jhesus Cristus sprichet in dem ewangelio: 'Ir sond nút stellen nach guͦt, daz úch schaben oder roste verderben mag noch daz úch | (180vb) diep verstellen múgent, ir sond trahten umb schecze, die úch eweklich belibent.' [3] 'Won die zitlichen schecze sind daz unkrut, darunder der some des edels gottes worte verdirbet', sprichet únser herre Jhesus an ainer ander stat in dem ewangelio.


61

[1] Der riche mensche sprichet: Werent alle menschen gelich arm, so moͤhte ains dem andern nit ze hilfe kumen und geb denne nieman den andern daz almuͦsen und moͤhte sich ǒch nieman geuͤben an den sehs werken der erbermd und moͤhte ǒch ainer an dem andern nút lǒne verdienen, daz alles ital boͤse were.


62

[1] Der arm mensche antwurt: Weren wir alle gelich arm, so werent wir ǒch alle gelich riche, und werent ǒch alle dinge gelich gemain, alz under den hailigen zwelf botten waz und geschach, do der hailig gaist ire herczen besessen het, so kument wir denne in die volkumenhait, die die ersten zway menschen hettent in dem paradise, e si gesúndetten. [2] Werent | (181ra) wir alle gelich arme, so were úns allen von únserm herren Jhesu Cristo selekeit gegeben, alz er sprichet in dem ewangelio: 'Selig sind die armen, won daz himelrich ist ir.' [3] Úns verhoͤnet ǒch vast aigenschaft under enander, also daz ains sprichet: 'Dis ist min', und ain anders ǒch sprichet: 'Dis ist min'. [4] Were es aber alles gemain, so were fride und gemach under allen menschen. [5] Daz leret mich únser herre Jhesus Cristus und die lerer goͤtlicher kúnste und ǒch Seneca.


63

[1] Der riche sprichet: Es gefallent nit alle armen menschen got wol, won die, die wider iren willen arme sind, und die, die ir guͦt uppeklich verzerent wider got, daz si ze armuͦt kǒment, und die arm sind durch biegery willen, alz die glissner tuͦnt, die doch got nút liep sind, alz er sprichet in dem ewangelio. [2] Und darumb so wil ich lieber riche sin, denne soͤlich unfruhtber armuͦt hǒn wider got.


64

[1] Der arm antwúrt und sprichet: Die da riche sind wider got, sind die, davon | (181rb) únser herre Jhesus Cristus gesprochen het in dem ewangelio: 'Alz lúczel ain kemeltiere durch ainer nadlen oͤre geschlieffen mag, alz lúczel mag ain solich riches mensche ze himelrich niemer kumen.' [2] Won der riche man, der dem armen Lazaro der broͤsemli verzehe, die von sinem tische rierent, der wart begraben in der helle, und Lasarus gefuͤret in Abrahames schos; also geschieht ǒch in. [3] Es ist aber nieman riche denne der mensche, der armuͦt willeklichen minnet und si froͤlich enpfahet und si gttelichen haltet. [4] Der ist vil richer denn der kaiser, alz Bernhardus úber sant Paulus epistel sprichet. [5] Es sprichet ǒch Rabanus úber Moyses buͦch: Got ist selber der armen erbe, die im mit andaht naht und tag dienent, und mag den núcz gebresten, die den hǎnt, der alle ding besessen het. [6] Also leret mich únser herre Jhesus Cristus reden und die vorgenannten lerer.


65

[1] Dabi merke richer und armer mainunge. [2] Nu solt du darnach wol merken, daz der riche und der arm nach gelúke in irer baider leben vor got ze scheczen sind, sprichet | (181va) Innocencius von der liebloshait des menschen. [3] Won ain guͦt richer mensche ist merrer und vil groͤsser ze scheczen den ain boͤser armer. [4] Und ain guͦter armer mensche ist vil merrer ze scheczen in goͤtlichem erkennen denn ain boͤser richer mensche. [5] Es sprichet Augustinus von der cristenlichen lere: Es ist zemal guͦt, daz der riche mensche sin guͦt tail und sin hab under arm lúte. [6] Es ist ǒch vil besser, daz ain mensche got nachvolge in armuͦt und ledig stand und unbehenket alles zitliches schaczes und mit únserm herren Jhesum Cristus belibe in armuͦt und davon nút entwiche, won daz ist der weg der volkumenhait. [7] 'Wil der riche den armen nút versmahen und im von minne und nit von ruͦme sin almuͦsen mit tailen, so ist er selig', sprichet únser herre in dem ewangelio. [8] Het der riche ain goͤtlich erkennen, daz er sin erbe und sin habe het von den gnaden gottes und nit von im selber und ist darinn | (181vb) dankber únserm herren, so ist er selig. [9] 'Erkennet der riche, daz er unreht guͦt het, und keret daz zehant wider, alz Zacheus tet, so kumet hail in sin huse', sprichet únser herre Jhesus Cristus in dem ewangelio. [10] Daz der riche in schúre und in kelre und in kisten guͦt in samnent und doch sin zuͦversieht darinne nit enirret, daz ist ze ruͤmende, sprichet Beda in der glǒse. [11] Es sprichet Gregorius úber Ezechiels wissagung: Dem hailigen, guͦten menschen mag kain gemainsamkeit in zitlichen sachen ain benuͤgen sin, won got ist in alain ain benuͤgen ǎne underlǎs. [12] Wer nun got reht minnen wil, dem ist notdúrft, daz er alles zitlich guͦte hasse. [13] Der aber zitlich guͦt minen wil fúr got, der muͦs von notdurft got hassen, sprichet Crisostomus der guldin munt úber Matheus ewangelium.


66

[1] Wie und mit was tugenden, du minende sele, du dich aller untugenden erweren solt und úberstriten, | (182ra) daz hond dich ander alten vor mir manigvalt wol geleret. [2] Doch volgest du mir zwainczigosten alten, so maht du mit miner kunst und lere den guldin trone wol besiczen.


Zitierhinweis

Der zwanzigste Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

URL: https://otto-von-passau.de/chapter-detail.html?id=O9150786. Abgerufen am: 19.04.2024.