Editionskriterien

Vorrede

Leithandschrift
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144
Kontrollhandschriften
Am1 Privatbesitz, ehem. Amsterdam, Bibliotheca Philosophica Hermetica, BPH 207
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242

Vorrede


1

| (2rb) [1] Dis|| ist die vorred des buͦches, das da gehaissen ist die xxiiii alten oder aber der guldin tron der minnenden sel.


2

[1] Sanctus Johannes Ewangelista sach in der tǒgen buͦch in dem himel siczen den herren himelriches und ertriches uff dem tron siner almaͤhtikait, und stuͦndent vor imme xxiiii alten in wisz geklaidet und gekroͤnet mit guldinen kronen und sprachen zuͦ unserm herren: [2] ' Unser herr und got, du bist allain wirdig ze empfahend er und schonhait und lob und tugent, wan du hest allú ding geschaffen und durch dinen willen sint sy gemachet und worden.'


3

[1] Dis figur betútet uns , daz man nieman in zit noch in ewikait loben sol denn got allain, darumb daz er tusent stunt besser ist, den kain hercz betrahten múge , munt gereden, vernunft verstǎn oder kreft begriffen. [2] Und ist dem menschen nit besser, denn got allain leben und alles sin leben in got ordnen und zemǎle keren. [3] Der des nit tuͦt, sprichet Bernhardus úber der minne buͦch, der ist wúrdig des ewigen todes und sin leben ist nút und unverfangen . [4] Daz spricht der. [5] Wan dis zitlich leben, als Augustinus sprichet, ist ain zergenglich leben, | (2va) ain zwifelich leben, ain blind leben, ain soͤrglich leben, ain unstaͤt leben, ain betrogen leben, ain unbillich leben, ain betruͤbt leben. [6] In dem leben essen plaͤget , trinken vergiftet, vasten megret , slaͤffen erfúlet, schimpf irret, truren betruͤbt, flis beczwinget, sicherhait abnimet, richtuͦm úbernimet, armuͦt versmahet wirt, jugent muͦtwillet, alter krenket, siechtag vernihtet, tǒt zerstoͤret und alle froͤid diser welt vertribet . [7] Daz spricht der . [8] Er spricht ǒch in der minne buͦch von dem liebelosen leben: [9] O du zergengklich gegenwirtiges leben, wie gar gebrestenhaft ist din wise, wan du betrúgst vil menschen. [10] Wan du flúhest, so bistu nút. [11] Din gesiht ist ain schatt. [12] Din erhoͤhung ist ain rǒch . [13] Den toren bistu suͤsz; den wisen bistu bitter. [14] Die dich liep hant, die erkennent dich nit; die dich erkennent, die schúhent dich, wan din weg ist betrogen. [15] Du erzoͤgest dich etlichen lúten lang, daz du sie betriegest an dem end. [16] Etlichen erzoͤgestu dich kurcz, daz si ir súnd nit gewainen múgent. [17] Etlichen erzoͤgestu dich brait, daz sy vil unlustes fúrbringent; etlichen smal, daz si nit guͦti werk tuͦn; etlichen trurig, daz si kainen trost enphahent; etlichen trostlich, daz si gottes vergessent. [18] Und also ist daz zergenglich leben ain soͤrglich leben in alle wise. [19] Der in disem leben ie lenger wider got lebet, der huffet und samnet ye me und ye me súnd uff sich. [20] Es schribet Ambrosius: Und der ye unnúczlicher | (2vb) lebet hie, des end ye me soͤrglich beschlossen wirt. [21] Es sprichet Bernhardus: Wir slǎffen, wir wachen, wir essen, wir trinken, wir stǎn, wir gǎn, wir siczen, wir ligen oder waz wir tuͦnt, so werden wir ǎn underlǎsz gefuͤrt in zergenglichait dis lebens.


4

[1] Spricht Gregorius : Von disem zergenglichen leben súllen wir keren zuͦ ainem goͤtlichen und hailigen leben, daz geschaffen sigy nach dem willen gottes in aller gerechtikait und hailikait, als Paulus gelert hett und unser herre Jhesus Cristus gelert und geuͤbt het, als er selber sprichet in dem ewangelio: [2] 'Der mir nachfolget, der wandelt nit in den finstrin und gewinnet daz lieht des ewigen lebens .' [3] Unser herre Jhesus Cristus wolt ǒch wonen under den menschen, daz er den menschen lerte wonen in dem himelrich, und wolt menschlich gebresten liden, daz er lerte den menschen goͤtlich ding erkennen. [4] Daz lert Hugo de sancto Victore.


5

[1] Also du, geminnete und begirige sel, in diner fúrsihtikait mit ernst dick von mir begert hest, daz ich dir schrib ain leben, das dich von innen und ussnen in goͤtlich wolgefallen inneklichest und vernúnfteklichest solt wisen got zuͦ aim ewigen lob lob und ere und dir zuͦ aim ewigen trost, nucz und ler, so sich an die figur, das Johannes sach in dem himel siczen unsern herren uf dem tron siner almaͤhtikait und xxiiii alten vor | (3ra) im stuͦnden und sprachent im lob und ere und tugent darumb, daz er durch sin selbes willen alle ding geschaffen und gewirket het. [2] 'Wan alle ding sint durch in geschaffen und ǎn in ist nuͦcz gemachet', schribet Johannes in sinem ewangelio. [3] Die xxiiii alten warent geklaidet in wisse klaider und bekroͤnet mit guldinen kronen und beczaichent uns, daz alles daz wirken, daz got in im und uss im ie geworhte, ist geschehen durch sin ewig wishait und in siner grundlosen minne.


6

[1] Aber, du geminnete und du begirigi sel, dis leben, daz du von mir begerest ze schribent, werdent dir us schriben und sprechen die xxiiii alten durch die ewigen wiszhait in aller volkumner minne nach dem aller besten, und sy es geschepfet hǎnd us dem lebenden brunnen goͤtlicher wǎrhait und almaͤhtiger volkummenhait, und darumb ist dis buͦch genant von den xxiiii alten oder aber von dem guldin tron der minnenden sel. [2] Die xxiiii alten werdent sprechen nit anders, denne daz ital núcz und guͦt ist und gottes lob und der sel ewig hail, und wirt ieglicher alt als vernúnfteklich reden in siner matery. [3] Wer ir ieglichem volget allain under in allen, der besaͤsse daz ewig leben, wan si hant es alles gesogen und geczogen us der aller hoͤhesten kunst, die si in dem obresten guͦt begriffen hant.


7

[1] Ich beger ǒch, minnendy sel, von dir und von allen den, die sich diser ler gebessren múgent und wellen, daz sy gedenken | (3rb) wellen ains demuͤtigen bruͦders Otten von Passǒwe sant Franciscus ordens, der dis buͦch mit grossem flisz und arbait zesamen gefuͤgt het von allen den lerern und maistern, die er vinden kund in goͤtlicher geschrift, als es sich enpfindend wirt, e daz buͦch ain end nimet.


Zitierhinweis

Vorrede. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

URL: https://otto-von-passau.de/chapter-detail.html?id=O9072144. Abgerufen am: 29.03.2024.