Editionskriterien

Der zweiundzwanzigste Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
Sl1 Schlettstadt/Sélestat, Stadtbibliothek, Ms. 69
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der zweiundzwanzigste Alte


1

[1] Der |ed 1 zway und zwainczigest alte leret liplich sterben .


2

| (191rb) [1] Yagen, gahen und ýlen und t sumen sol sich ain verdiener zuͦ der stat, dǎ er vindet alle sicherhait und den aker alles wolgelustes, dǎ er vindet die waid aller gesunthait und dǎ man wonnet ǎne vorht und ǎne|ed 5 gebresten und dǎ man wol lebet ǎne alles verdriessen, sprichet Bernhardus in ainer omelie. [2] Es sprichet ǒch in ainer omelie Gregorius: Ist, daz wir wol pruͤfen und erkennen, wie vil und waz úns gehaissen wirt in himelrich, so swachet úns alles, daz dǎ ist uf erde. [3] Won zitlich schecze und habe ze scheczende wider ewigen hort ist alz der tǒde|ed 10 wider daz leben.


3

[1] Nun solt du, minende sel, von mir zwain und zwainczigosten alten wislich lernen und ǒch gar wol merken, daz die ewig und goͤtlich wishait daz also geordenet het, daz nieman von verdienem zuͦ ewigem lǒne und wider| (191va) legunge kumen mag denne durch daz mittel des todes. [2] Won dem tǒde mag nieman entrúnen noch empfliehen. [3] Selig|ed 15 sind die menschen, die also verdienent, daz si in got sterbent, won es sprichet der wise Salomon: 'Welherlayge der gerehte mensche tǒdes iemer erstirbet, doch belibet er alle zit in ewiger ruͦwe.'


4

[1] Alz dich, minende sele, ander alten vor mir in alle wise seleklich hǎnd geleret allerlayg hailige leben, damit du den guldin trǒne erlangen maht, also|ed 20 wil ich nu dich leren, wie du seleklich sterben solt und den liplichen tode nút fúrhten, ee ich dich lerende werde, was dir got geben werd in ewekait umb alles daz, daz du verdienet hest in zit. [2] Won es sprichet Augustinus in dem buͦch von der cristenlichen lere: Der mensch stirbet wol und reht, der nach gottes willen gelept het.|ed 25 [3] Aber der mensch stirbet selten wol, der dǎ bǒschlich und wider got gelept het. [4] Und dǎrumb, wilt du wol lernen sterben, | (191vb) so lerne vorhin wol leben, so stirbest du ǎne alle vorht. [5] Er sprichet ǒch an ainem andern buͦch: Alz ain ieglich mensch mit sinem sterben von diser welt schaidet, also wirt er an dem jungsten tag vor dem ewigen rihter|ed 30 geurtailet.


5

[1] Es ist in menschlichem leben nút sicher denne der tǒde und doch núczet unsichers denn die stund des tǒdes, sprichet Bernhardus an ainer bredige, wǒn der tǒd vertreit noch schǒnet niemans, weder armer noch richer noch wisen noch torochten noch edeler noch unedeler. [2] Dem alten menschen stǎt der tǒde vor der túre, aber|ed 35 dem jungen leget er spechung an allen steten. [3] Ǒch sprichet Bernhardus in ainer epistel: Die gerehten sond sich des todes froͤwen, won den gerehten ist der tǒde ain ruͦwe und ist in noch besser durch der núwerung willen. [4] Aber | (192ra) den boͤsen ist der tǒde schedelich, widerig, dǎrumb daz si die welt verlierent, und noch boͤser, daz|ed 40 si sich von dem libe schaiden muͤssent. [5] Aber aller boͤsest ist, daz der lip den wúrmen ze taile wirt und ir selan dem fúre. [6] Dem gelich sprichet Gregorius úber sant Matheus ewangelium: Den boͤssen ist er ain verderbunge, dǎrumb daz die verkerten und die boͤssen ǎne entschuldegen verderbent und die erwelten dǎvon ain guͦttes bilde enpfahen. [7] Sterben|ed 45 der hailigen ist gar ain kostber tǒde, won ir arbait endet sich mit sterben und mit sige wirt si vollebraht, daz si kument mit sterben zuͦ der himel túre der ewigen sicherhait, sprichet Bernhardus in ainer epistel. [8] Es sprichet ǒch Cesarius in siner vermanunge: Ǒch so geschiht gewonlich, daz got des súnders sele vergisset in zitlichem sterben,|ed 50 der sin selbes vergessen het in zitlichem leben. [9] Daz sprichet der.


6

[1] Kain gerehter mensche sol den liplichen tǒde nút fúrhten, won got gehaisset im darumb | (192rb) daz ewig leben. [2] Und sol ǒch nieman liplich sterben und liplich arbait schúhen, wenne er wais sich in ewiger ruͦwe ze vindent. [3] Daz ist wol ze merken, won es|ed 55 sprichet Seneca in ainer epistel: Es únser kains nút, wie gar nǎch úns daz zile des tǒdes by wonnet, und dǎrumb soͤllent wir únser gemuͤte also schiken, alz werent wir an únser júngstes ende kuͦmen. [4] Won es empfahet den tǒd nieman froͤlich denne der mensch, der sich lange und wol ze dem tode geschiket het. wais


7

[1] Es|ed 60 het ǒch des menschen natúre nút bessers uf geseczet denn kúrczunge des lebens, won hie in disem menschlichen leben ist alz gar vil fraise, alz vil vorhte, alz vil sorgen, alz vil siechtagen, alz vil kumers, alz vil not und angst, daz billich der mensche den tǒde anruͤffen sol, daz er von dem twangsal erloͤset werd, sprichet Plinius |ed 65 an dem buͦch von der hystorie der welte. [2] Got het úns únsers sterben zit gemachet, also wir sterben | (192va) soͤllent, daz wir doch alle zit gelǒbent, daz úns der tǒde nǎch sige und daz ainem ieglichen menschen alz vil ernster sie wol ze wúrken, alz vil er minder sicher ist, wenne in der tǒde hǎn wil.


8

[1] Und merke, daz ǒch |ed 70 Gregorius sprichet in siner buͦcher ainem, daz got etwenne verhenget und ǒch wil, daz den gerehten menschen in irem sterben hailigen und engeln erschinent dǎrumb, daz si den tǒd dester minder fúrhten und ǒch, daz si sich des ewigen lebens dester mere erfrǒwen. [2] Etwenne erzoͤget sich got selber den gerehten an irem tǒde dǎrumb,|ed 75 daz si hie den trǒste anvahent, den si doͤrt eweklich niessen súllent. [3] Es geschiht ǒch, daz den boͤsen in irem tǒde die boͤsen gaist erschinent von ir súnde wegen. [4] Und also si hie in zarthait gemuͦtwillet hǒnd, daz si sy in sterben mit fraise zuͦ in zukent.


9

[1] Die kindellin sterbent ains scharpfen tǒdes. [2] Die jungen sterbent ainnes unzitigen |ed 80 tǒdes. [3] Aber die alten sterbent ains | (192vb) natúrlichen tǒdes, sprichet Julianus an dem buͦch der unschuldkeit und leret úns fúrbas also: [4] Den erwelten und den gerehten schadet nút, ob si in irem sterben ain klaines liden hǎnd, won mit dem, so wirt in ab genumen alle clain teglich schulde und ǒch ir fegfúre zemale, daz si zehant ze himel varent.|ed 85 [5] Und die des nút bedúrffent, die verdienent mit dem tǒde lǒne und schǒwunge des ewigen lebens. [6] Merke dis wol, daz ain mensche zehen jǎre lebet und ains hundert jǎr, so ist doch ir beider sterben ain geliches schaiden von diser welte und ain ungelicher tǒde, won der alte het me súnde uf sich geladen denn der jung. [7] Und ist doch ainem|ed 90 wisen menschen in fúrsichtikait ain tag vil und vil núczer ze lebend, denn ainem unfúrsichtigen torehten menschen sient hundert jǎre ze lebend. | (193ra) [8] Und dǎrumb sprichet Crisostomus der guldin munt: Wir sǒnd únser sterben got opferen fúr ain gǎbe, won wir des tǒdes also schuldig sind, daz im nieman mag entpfliehen.


10

[1] Wisse |ed 95 ǒch, du minende sele, daz der tǒde drie botten het, alz úns leret Hugo von sant Victor in dem buͦch von dem clǒster der sele: [2] Der erst botte ist unsicherhait oder geschiht; der kúndet verborgnen tǒde oder zwivelichen tǒde, vor dem sich nieman gehúten kan noch mag. [3] Der ander botte ist siechtage, der den menschen besweret und im|ed 100 erkantlich den tǒde erzoͤget. [4] Aber der dritte ist alter, daz dem menschen sicherhait des tǒdes bringet, dem nieman entrinnen kan noch mag. [5] Der erst botte bringet vorht. [6] Der ander botte bringet smerczen. [7] Der dritte botte bringet beswerunge. [8] Merke aber, was Ambrosius sprichet in ainer bredig: Dunket dich nút, daz an worten und|ed 105 ǒch mit bil| (193rb) de und mit bezaichen ain ieglich tǒt mensche von sinem grabe zuͦ dir alsus retde: 'Daz du iegenot bist, daz waz ich. Daz aber ich nu bin, daz wirst du zehant'?


11

[1] Dem gelich sprichet Hugo von sant Victor in dem buͦch von den selen: Wǎ sind nun die minner diser welt, die kurczlich vor úns|ed 110 gewessen sind und mit úns gessen und trunken hǒnd und geslǎffen und gewachet und wol geklaidet gegangen sind und ir tag und ir wolnúste verzeret hǒnd? [2] Was vervahet si nun ir uppig ere, ir kurcze froͤde, der welt ruͦme und glancz, des libes wolnúste, falsche richtuͦm, boͤse gelúste, schinpfe, lachen, úbermuͦt, und nun ze eschen worden sind? [3] Und daz si nun|ed 115 sind, daz maht du nun och hút oder morn werden von dez tǒdes wegen; und du doch unsicher bist, wenne oder wie oder wǎ dich der tǒde begriffet, der din doch baitet an allen steten. [4] Und dǎrumb, bist du wise, so schike dich wol dǎrzuͦ, daz du ǒch des tǒdes wartest an allen | (193va) stetten und in allen ziten. [5] Daz sprichet der und Beda mit|ed 120 im in siner betrahtunge.


12

[1] Got in het aber die súnd gemachet und ist dem menschen von got geben alz ain rehtes urtail umb die súnde, het nút den tǒde gemachet, sprichet Augustinus in dem buͦche von der dryvaltekait. [2] Er sprichet ǒch in dem buͦche von dem cristenlichen leben: Guͦt und slig |ed 125 menschen lǎt got etwenne sterben vor irem rehten zit dǎrumb, daz si von den boͤssen nút lang gekestiget und durchlitten werdent. [3] Und lǎt ǒch got etwenne die boͤsen balde sterben dǎrumb, daz die guͦten von in nút lenger gepinget werdent. [4] Und dǎrumb ist vil weger, daz die boͤsen balde sterben, denne daz si lange in súnden lebend.|ed 130 [5] Daz sprichet der.


13

[1] Alles menschen leben ist zemal kurcz. [2] Wan alz balde der mensche geborn wirt, so vahet er an daz leben verlieren und git alle zit dem tǒde den tag, den | (193vb) er gelept het. [3] Des ersten sin kinthait verlúret er und git si dem tǒde; dǎrnǎch sin jugend und dǎrnǎch alles sin alter und dǎrnǎch alle sin leptage nimet der|ed 135 tǒde. [4] Were ǒch, daz Adam gelept het bis uf disen húttigen tag und soͤlte morn sterben, waz vervinge in denn sin langes leben? [5] Won es sprichet Ysidorus in dem buͦch von dem hoͤhsten guͦt: Der mensch sol in allem sinem leben ansehen und suͦchen daz ende, won got siecht nút an, wie du vor gelept hest, er siechet an, wie du din leben mit|ed 140 dem tǒde beslússest, und nǎch dem urtailet er dich.


14

[1] Es sprichet Crisostomus der guldin munt in der predige von gedult: Wenne der mensche sterben wil, so gesegnet er sin frúnde und bittet si, daz si got fúr in bittent, und sprichet zuͦ inen also: 'Mines lebens in zit ist nút me. [2] Ich muͦs sterben | (194ra) und muͦs úch hinder mir lǒn. [3] Ir kument mir aber|ed 145 alle nǎch. [4] Ich var ain froͤmden wege, der mir unerkant ist und den ich nie me gegangen hǎn. [5] Und kan mich den weg úwer kains gewissen noch geleren noch gesagen, wie es mir gang. [6] Min herberg wirt froͤmd und selczen, und wais nút, wer mich geherberget und von wem und wǎ ich empfangen wird oder wǎ ich belibe. [7] Ich kum in ain|ed 150 ander welt, die ich nie me gesehen hǒn, und nie kain sel her wider kom, und var in ain erschroken wǒnunge und fúr ain rihter und wais nút, wie es mir dǎ ergǎt, und suͦch gehilffen, und ist nieman, der mich erledeget und mitliden mit mir het.' [8] Daz sprichet der. [9] Wer aber stirbet in goͤtlichem willen und nút nǎch menschlichen vorhten|ed 155 und sprichet mit sancto Paulo : [10] 'Ich beger sterben, daz ich bi Cristo sige', der sterben ist in zit und ir leben ist verborgen in | (194rb) got und lebent hie in gedult und sterbent in suͤssekait. [11] Wie du aber gaistlich allen creaturen sterben solt, daz leret dich min geselle der vierd alte und der andern vil in iren materien gar wol.


15

[1] Dir, minende sele, ist ǒch von mir zwai und zwainczigosten alten notdurftig ze wissen, ob du zwischent dines tǒdes und des kúnftigen lebens versehen sigest und erwelt zuͦ dem ewigen leben oder nút. [2] Dǎvon lere ich dich also: Haltest du alles daz, daz dich min gesellen, die ain und zwainczigosten alten vor mir us der hailigen goͤtlichen lere geleret und gewisset hǒnd, so bist du ǎne allen zwifel erwelt zuͦ dem ewigen leben. [3] Won es sprichet únser herre Jhesus Cristus in dem hailigen ewangelio: 'Wer volbringet den willen mines vatters, der kumet in daz ewig leben', alz die ain und zwainczigosten alten minneklichen geleret hǒnd. [4] Doch so | (194va) wil ich dir guͦt lere geben und klǎre wisung.


16

[1] Es sprichet Maister Johannes, der behend lerer, daz in goͤttlichem erkennen sind vier versehen zaichungen. [2] In der ersten versehen zaichunge ist goͤtliche vernunft ain blǒsser und lidiger gegenwurf der guͦten und boͤsen ǎn underschaide und in dem nun endet goͤtlicher wille und stǎt ledig und frige zuͦ in baiden. [3] In der andern versehen zaichunge keret sich goͤtlicher willen vernúnfteklich zuͦ dem guͦten und git dem gnǎde. [4] Aber den boͤsen lǎt er mangelen und git im kain gnǎd. [5] In dem dritten versehen zaichen ordenet goͤtlicher wille des guͦten gnǎde zuͦ irem verdienetem lǒne nǎch ewigem niessen. [6] Aber den boͤsen ordenet er súnd und missetǎt zuͦ dem ewigen fluͦch und pene. [7] In der vierden zaichunge erwelt goͤtlich fúrsichtikait die guͦten und verwirffet die boͤsen. [8] Daz sprichet der und gǎr vil maister mit im und verstǎnd es wol und reht von den vier versehnen zaichungen.


17

[1] Nun lit kraft daran, daz in der | (194vb) ersten versehnen wise so het goͤtlicher gegenwurfe kain underschaid zwúschent guͦten menschen und boͤsen, wan er wirffet sinen frigen willen uf sú baide, also daz der guͦte mag guͦt beliben und in guͦtem bestǎn und der boͤse mensch sich von dem boͤsen brichet und guͦt werden mag. [2] Won es sprichet sanctus Paulus in siner epistel ainer: 'Got wil, alz vil es an im lit, daz alle menschen behalten werden und daz sú kument zuͦ der bekantnúst ewiger warhait.' [3] Dis sprichet sant Paulus. [4] Es sprichet ǒch die glǒsse úber sant Paulus epistel zuͦ den roͤmern: Got het kainen menschen noch engel geschaffen, von den er sich kúnftig boͤse versehe, und erkantte doch da by, daz den menschen und engeln daz guͦt unnúcze wurde, daz er im zuͦ gemache geordenet und geschaffen hǎt. [5] Daz sprichet die glǒse.


18

[1] Won nun got in der ersten versehen zaichunge sinen willen keret úber guͦt und boͤse, wer sich dǎrinne zuͦ im keret, der ist geruͤffet und in | (195ra) der kerunge erwelt und wirt in der walunge mit gnǎden begǎbet. [2] Und dǎvon sprichet santus Paulus in siner epistel ainer: 'Die er erwelt het, die het er ǒch versehen; und die er versehen het, die het er gerehtvertiget; und die er gerehtvertiget het, die het er gegroͤsset in siner ewigen glorificacione.' [3] Dis solt du allez verstǎn von der ersten versehen zaichǔnge, darinne guͦt und boͤse von in selber múgent gerehtvertiget werden, alz in got lidigkait irs frigen willen bevolhen het, 'alz wir versehen sind nǎch sinem fúrsacze, der dǎ alle dinge wúrket nǎch dem rǎte sines aigenen willen dǎrumb, daz wir sinin sinem ewigen guͤnlichen lobe', alz sant Paulus sprichet in der epistel.


19

[1] Die sich aber kerent von got in der ersten versehen zaichunge, die verlierent versehen walunge, gnǎde, rehtvertigunge und groͤssunge ze der ewigen zuͦversicht. [2] Won es sprichet sanctus Augustinus in dem buͦch von der ver| (195rb) sehunge der hailigen: Goͤttlich versehunge ist vil menschen ain ursach bi got ze stǎn und ist nieman ain ursach von got ze vallen. [3] Wilt aber du zuͦ dem ewigen leben erwelt werden, so flisse dich in zit drierlaͤige zite wol nuczen: [4] Ains, daz du vergangen zite betrahtest. [5] Won wer daz nút tuͦt, der het sin zit verlorn. [6] Daz ander, daz du din gegenwúrtig zit wislichen ordenest, daz si dir alle fruhtber und núcze werdent. [7] Die dritte, daz du daz kúnftig zit sinneklich fúrtrahtest. [8] So wandlest du in allen sachen sicher. [9] Daz sprichet Seneca in dem buͦch von den vier tugenden, und ist alz ain cristenliche lere. [10] Wer sú behaltet, der ist versehen ze dem ewigen leben.


20

[1] Ich lere dich ǒch mit flisse, daz sich goͤtlicher wille niemer darzuͦ keret, wie er den menschen noͤte und zwinge zuͦ siner ewigen verdampnúst. [2] Won got ist alle zit schnell und berait, wie er | (195va) sich uber den menschen erbarm und in gefriste vor der ewigen verdampnúste. [3] Und vergǎhet er sich nút, daz er in verdampne, den er durch sinen hailigen sune, unsern herren Jhesum Cristum, alz scharpflich erloͤset het. [4] Won es sprichet der wisse Salamon: 'Herre, du erbarmest dich úber alle menschen und hassest derkainen, die du geschaffen hest.' [5] Und dǎrumb sol ain ieglich mensch sterklich zuͦversicht hǎn, daz es der behaltenen sige und den ewigen trǒne besiczen werde. [6] Won es sprichet sant Augustinus in dem buͦch von den wundern der welt: Der sin súnde ab tilget mit der rúwe, der wirt engelschlicher selekeit eweklich tailhaftig. [7] Und sprichet sant Paulus in siner epistel ainer: 'Er het úns erwelt, ee er die welt gemachet dǎrumb, daz wir hailig und ǎne meil weren vor sinem antlúte.' [8] Und dǎrumb so wǎrent wir e ze hailikait in im von ewekait versehen, ee wir in wesenhait dis zittes geseczet wurden.


21

[1] Bi disen sinnen so merkent, daz | (195vb) die irrent und falsche, boͤsen sinne fuͤrent, die dǎ sprechent: 'Sol ich behalten werden - wie vil ich denn úbel tuͦn, so wird ich doch behalten. [2] Sol aber ich verdampnet werden - wie vil ich denn guͦttes tuͦn, so wird ich doch verdampnet.' [3] Dis ist aber wider daz hailig ewangelium, dǎrinne únser herre Jhesus Cristus sprichet von im selber: 'Des menschen kint ist kumen ze suͦchen und ze behalten, daz verdorben ist.' [4] Er sprichet ǒch an ainer andren stat in dem ewangelio: 'Der glǒbet und getuͦffet wirt, der wirt behalten.' [5] Zuͦ den worten ain ieglich mensche, der cristan ist, grǒs zuͦversicht halten sol, daz er erwelt sie ze dem ewigen leben, ob er allez daz fúrbringet, daz zuͦ cristam glǒben gehoͤret, alz min geselle, der zehende alte, dǎvon wol und nuczlich geleret hǎt.


22

[1] Merke wol, waz ǒch sanctus Bernhardus úber der minne buͦch sprichet: | (196ra) Ich sihe und erkenne, daz únser herre got den menschen mit vier tugenden umbgeben het, die in fristent vor der ewigen verdampnúst. [2] Die erst tugend, daz got dez menschen húttet mit siner grundlǒssen erbermd ze aller zit. [3] Die ander tugend, daz got den menschen leret mit siner ewiger wishait und warhait, waz im nǒtdurftig ist ze dem ewigen leben. [4] Die dritte tugend ist, daz got dem menschen mit siner gerehtekait verdeket alles, daz in gottes geirren mag. [5] Die vierd tugend ist, daz got mit sinem fride den menschen fuͤret und beschirmet vor allem den, daz in von got gewisen mag. [6] Daz sprichet der.


23

[1] Únser herre got wais wol die ganczen zale der, die behalten súllent werden, alz er sprichet in dem ewangelio: 'Ich wais wol, die ich erwelt hǎn.' [2] Und sprichet Augustinus in dem buͦch der versehunge der hailigen: Got wais der behalten | (196rb) zale alz wol, daz ir weder me noch minder werden mag. [3] 'Es wais aber kain mensch nit von gemainder gesecze, ob er minne oder hasse wirdig sie',sprichet der wise Salamon. [4] Aber von besundren gnaden so offenet únser herre dicke sinen erwelten, daz sú behalten súllen werden dǎrumb, daz sú in zit in irem liden dester gedultiger sient und got dester gerner dienent, und ir jamer nǎch got dester groͤser werde, alz wir lesen von vil hailigen, den got erschinen ist in irem leben und sú trǒste des ewigen lebens. [5] Es wart aber nie gehoͤret noch gelesen, daz got ie kainem menschen offenet sin ewig verdampnúste dǎrumb, daz der mensche út kuͤm in ain verruͦchen und verzagen und darinne dester me boshait und súnde fúrbrehte. [6] Got het wol etlichen hailigen geoffenet, daz etlich menschen behalten soͤlten werden und etlich nút, alz wir manigvaltiklichen vinden geschriben in únsers hailigen vatters Franciscus leben und ander hailigen. | (196va) [7] Aber dis geschiht alles von besundren gnǎden und nút von gemainer wise. [8] Es wil aber got den menschen alle zit gerner behuͤten vor der ewiger verdampnúst, denne er im muͤs dǎrzuͦ verhengnúst geben oder sinem willen volgen. [9] Es sprichet Johannes Crisostomus der guldin munt úber sanctus Matheus ewangelium: Alz got die unvernúnftigen tiere gemachet het und ǒch sú spiset durch des menschen nucze und trǒstes willen, also het got den menschen geformet nǎch sinem bilde und beschirmet in durch sin selbes ere willen vor der ewigen verdampnúst.


24

[1] Wilt|ed 245,1 du, minende sele, hǎn wǎrhaft und gereht zaichen, ob du erwelt siest zuͦ dem ewigen leben oder nút, so merke, wie sant Bernhardus sprichet in ainer predige, die er genomen het us dem hailigen ewangelio, daz vier zaichen sind der ewigen behaltnúst: [2] Daz erst, ob du daz gottes wort gern hoͤrest|ed 245,5 mit begirde und ǎne verdriessen. [3] Daz ander zaichunge, ob du dich mit allem | (196vb) flisse huͤtest vor súnden. [4] Daz dritte zaichen, wenne du die súnde volbrǎht hest wider got, daz du denn grǒsse rúwe dǎrumb hebest. [5] Daz vierd zaichen, daz du alle dinne werke in gerehtekeit volbringest. [6] Die vier zaichen gebent dir sicherhait des ewigen lebens.


25

[1] Aber daz hailig ewangelium |ed 245,10 leret ǒch mere zaichen von den, die von got versehen und erwelt sind ze dem ewigen leben: [2] Ains, der gelǒbet und getuͦffet wirt, der wirt behalten. [3] Daz ander, der gancz und reht minne het ze got und ze sinem nehsten, der ist ǒch versehen und erwelt ze dem ewigen leben und seͣlekait, alz der achtende alte vor mir wol geleret het. [4] Daz dritte zaichen,|ed 245,15 der erbermde het úber sinen nehsten und die sechs werke der erbermde an im erfúllet, der wirt behalten, alz únser herre Jhesus Cristus allain rechnunge dǎrumb hǒn wirt an dem júngsten tag mit guͦten und mit boͤssen. [5] Won es | (197ra) sprichet Petrus von Ravenne an ainer predige úber sanctus Matheus ewangelium: Der erbermde volbringet, úber den ist got erbarmherczig und git im dǎrumb daz ewig leben. [6] Daz sprichet der. [7] Daz vierd zaichen ist, wer die achte selekait vol|ed 246,5bringet und erfúllet, der ist erwelt zuͦ dem ewigen himelriche. [8] Daz fúnft zaichen ist, wer die goͤtlichen gebotte behaltet, der wirt grǒs gehaissen in dem riche gottes. [9] Daz sechte zaichen ist, daz der mensche dankber ist aller der werke, die im got erzaiget het ie in klain und in grǒs. [10] Daz súbende zaichen ist, daz der mensche gerne mit andǎht und mit ernst bette. [11] Daz achte|ed 246,10nd zaichen ist, daz der mensche den frǒnlicham únsers herren Jhesu Cristi empfahet mit allem flisse und seͣlekait, die er gelaisten mag oder kan, der gibet im daz ewig leben. [12] Wer dise zaichen, die dǎvor geschriben sind, het und behaltet, der ist ǎne zwifel erwelt zuͦ dem ewigen leben, won got het sú selber gesprochen und geben zuͦ ainer | (197rb) sicherhait des ewigen lebens. [13] Und darumb sol ain ieglich|ed 246,15 mensche wol und reht tuͦn und sich flissen tugend ze uͤben und guͦte werke ze wúrkend und ze vollebringen. [14] Won es sprichet únser herre, daz aim ieglichen menschen geloͦnet wirt nǎch den werken.


26

[1] Dǎrnǎch lere ich dich fúrbas, daz kain súnde alz gar grǒs gesin mag, dǎrumb du verzagen súllest, daz du der verdampneten ains siest. [2] Won wilt du, so macht du mit dinem frigen willen dǎvon|ed 246,20 uf stǎn und ze gnǎden kumen. [3] Won es sprichet sanctus Jeronimus úber Jonam den propheten, daz got den grǒssen súnder mit siner erbermde und guͤtekait behalten wil, den er doch mit gerehtikait nút behalten moͤhte. [4] Daz sprichet der. [5] Es sind ǒch vil menschen versehen in goͤtlicher guͤtekeit von siner grǒssen erbermde, die doch in siner gerehtekeit soͤltent verworffen sin und verdamp|ed 246,25net, won got ist alz gar erbarmherczig, daz er die liebloshait des súnders dǎmit ǒch verdeken wil. [6] Und mag ǒch got nieman entrinen, er fliehe denne ze goͤtlicher erbermde, dǎ| (197va) mit er erwelt wirt und enpfangen zuͦ dem ewigen guͦte, sprichet sanctus Augustinus und mit im sanctus Anshelmus.


27

[1] Kain mensche sol ǒch von vilunge der súnde weder verzagen|ed 246,30 noch verruͦchen, daz er von vil súnde wegen dǎrumb vor got zemǎl verworffen sie. [2] Won únser herre got ist alz gar mehtig, also er allez menschlich geslehte wol moͤht erloͤset hǎn mit ainem bluͦtes troͤpfelin und doch von liebe des menschen alles sin bluͦt vergiessen wolt. [3] Also ist sin erbermde |ed 247,1 tusentstund groͤsser, die er von liebe wegen wil dem menschen erzoͤgen, denne aller menschen súnd sind mit enander. [4] Und die het er ie und ie in im selber von ewekait also versehen und geordenet, der almehtig got, also die súnde den menschen verdampnet eweklichen, daz also herwiderumb die rúwe goͤtlicher erbermde |ed 247,5 erweget, daz der mensch in got erwelt wirt ze dem ewigen leben. [5] Dis haltet únser cristen gelǒbe | (197vb) und alle lerer in goͤtlicher kunst und gebent soͤlich bizaichen: [6] David waz ain manslechtiger und ain e brecher und wart doch dǎrnǎch erfúllet des hailigen gaistes. [7] Maria Magdalena was ain offene súnderin und wart dǎrnǎch die groͤste gottes schǒwerin und contemplierin. [8] Sant Peter ver|ed 247,10loͤgent únsers herren und wart dǎrnǎch ain fúrst under den zwelf botten. [9] Sanctus Paulus was ain durchehter gottes namen und aller cristan und wart ain liehter prediger alles volkes. [10] Zacheus was ain offener gescheftler und wuͦcherer und wart ain frúnde gottes. [11] Der schacher an dem crúcz het nie guͦt getuͦn und wart|ed 247,15 behalten. [12] Und der andern ist gar vil in der alten e und núwen e, die von ihr súnde wegen geschremet warent zuͦ dem ewigen fluͦche und die doch von gnǎden und mit rúwen in die erbermde gottes also enpfangen sind, erkoren und erwelt, daz sú | (198ra) grǒs hailigen sind in dem ewigen leben. [13] Und dǎrumb sol kain mensch sorgen noch an|ed 247,20gst hǎn, noch zwifel hǎn noch verzǎgen noch verruͦchen noch missetrúwen, ob er erwelt si zuͦ dem ewigen leben oder verworffen sig von dem ewigen leben. [14] Won es sprichet únser herre Jhesus Cristus in dem hailigen ewangelio: 'Ich bin nút kumen durch der gerehten willen, ich bin aber dǎrumb kumen, daz ich dem súnder ruͤffe zuͦ den rúwen.' [15] Und in dem wort beslússet únser herre alles versehen und erwellen, wie|ed 247,25 es ǒch genant si. [16] Es sprichet sanctus Augustinus in dem buͦch von der biehte: Kere dich in got und fúrhte dir nút, won er verbirget sich nút vor dir, daz du vallest. Wirffe dich sicher in in, so hailet er dich von dem ewigen siechtagen. [17] Alle din zuͦversieht und sicherhait sol sin, daz er dich erloͤset het mit sinem kostberen bluͦte, daz er fúr dich und durch dinen willen vergossen|ed 247,30 het dǎrumb, daz er dich gehailet von súnden. [18] Er siczet zuͦ | (198rb) der rehten hant sines vatters und bittet fúr dich, daz du dem ewigen fluͦche entrinnest und geseczet werdest in daz ewige himelriche. [19] Bi disen sinnen allen merkest du versehunge und erwellunge des ewigen lebens oder nút.


28

[1] Daz dir, minende sele, úcz engang ze wissen, wǎ die selan hin kument, wenne sú schaident von iren liben, in den sú guͦtes oder boͤsses verdienet hǎnd, lere ich zwai und zwainczigoster alte, daz etlich menschen in zit alz haileklich gelept hǎnd, daz ir selan zehant in daz himelrich varent, als bald sú ersterbent. [2] Und was man den selan guͦtete und hilflichait nǎch tuͦt, dǎ wirt in der lǒne nút von gemeret, den sú in selber in zit verdienet hǒnd. [3] Aber doch die hilflichait, die man in mainet, die kumet got ze lob und allem himelschen here ze eren und den menschen ze ainem ewigen lǒne, von den die hilflichait uf erde geschehen ist. [4] Und dǎrumb, du minende sele, solt du den behaltenen gern guͦtete nǎch tuͦn, daz | (198va) sú got in dem ewigen leben fúr dich bittent.


29

[1] Etlich menschen habent in zit alz gar súntlich wider got gelept und sind dǎrzuͦ erstorben ǎne reht bichte und buͦsse und ǎne alle rúwe oder ǎne allen cristen glǒben; und der selan varent zehant in die ewigen verdampnúst, alz bald sú ersterbent, und dǎ ist kain erloͤsunge, als Job sprichet. [2] Waz man aber den selan guͦtete nǎch tuͦt, daz ist zemǎl unverfangen. Es kumet aber den widerumbe ze statten, die in die guͦtete mainten, ob sú nút enwisten, daz si in der helle sind. [3] Gelǒbent sú aber, daz die selan in der helle sind, und tuͦnt inen noch denn guͦtete nǎch, so tuͦnt sú tǒtsúnd und ist in fride den verdampneten selan noch denne zemǎl unnúcze und unverfangen. [4] Won es sprichet sanctus Augustinus in dem buͦch von der stat gottes: Der mensche ist wirdig des ewigen tǒdes ze lidende, der dǎ hie ver| (198vb) smahet daz ewig guͦt ze verdienen.


30

[1] Merke aber wol, daz sanctus Gregorius sprichet in dem buͦch von den sitten: Die lieblosen verdampneten hǎnd den ewigen tǒde ǎne alles sterben, won der tǒd lebet eweklich in in. [2] Sú hǎnd daz ende ǎne alles ende, daz niemer me ende genimet noch zergǎt. [3] Sú hǎnd ǒch den gebresten, der niemer ende genimet noch zergǎt. [4] Daz sprichet der und mit im Isidorus von dem hoͤhsten guͦt. [5] Die verdampneten weltent gern tǒt sin und múgent nút ersterben, sprichet sanctus Augustinus in dem buͦche von den worten gottes. [6] Es sprichet ǒch santus Johannes und Crisostomus der guldin munt úber sant Matheus ewangelium: Got wirt ungern dǎrzuͦ gezwungen und mit smerczen und wirt fraischlich dǎrzuͦ genoͤtet, daz er die muͦs eweklich verlieren, die er doch gern behalten | (199ra) het. [7] Daz sprichet der.


31

[1] Lase dir, du minende sele, liep sin, daz du din guͦtete tailest mit den, an den es verfangen sie, und huͤte dich vor den verdampnatten, lebendig und tǒde. [2] Das du dich aber dester bass huͤtest vor der ewigen verdampnúste, sprichet sanctus Gregorius in dem buͦch von der stat gottes, so wisse, alz vil wonunge ist in dem himelriche - alz únser herre Jhesus geleret het in dem ewangelio -, also sind vil loͤne, also die guͦten verdienet hǒnd mit tugendrichen werken. [3] Ze gelicher wise sind vil wonunge in der helle, nǎch dem und dem und iegliches verdienet het mit sinen súnden grǒs oder klain, vil oder lúczel. [4] Und wirt ain ieglichs durchpinget und durchmarteret eweklich an ainem ieglichen gelide, sunderlich an den gelidern aller vastest, damit es aller maist gesúndet het. [5] Daz sprichet der. [6] Sú hand ǒch scharpf und angstlich liden ǎne zale, denne ieman erdenken kúnne, inwendig und uswendig. [7] Und | (199rb) dis liden wirt alles zwivalt nǎch dem júngsten tag, wenne libe und sele zesamen kument, also sprichet Ysidorus in dem buͦch von dem hoͤhsten guͦt. [8] Aber sant Bernhardus in siner betrahtunge und in dem buͦch von der ruͤfunge schribet alles daz liden, daz die verdampneten in der helle hǎnd, und sprichet: [9] Sú hǒnd fúr, daz merr denn haiss ist, und hǎnd keltú ze vil. [10] Sú hǒnd vinsterunge und rǒche und inwendig bitter wainen und súnfczen, hunger und durste, grúsenlich angesiht der túfeln, schrigen und klagen und verwissen. [11] Si hǒnd unlustig smake, swebel und beche mit allem unflate, vorht, smerczen, schame und grim, kerker und gevangnúst, nide und hasse, truren und truͤbsal und kain trǒst noch zuͦversieht aller irer erloͤsunge und mangel gottes anblikes und alles trǒstes der hailigen und der engeln. [12] Und dǎrumb sprichet Johannes Crisostomus der guldin munt: Daz himelriche ist gemain und ist gemachet | (199va) durch des menschen willen, aber die helle ist gemachet durch des túfelz willen. [13] Wenn aber die menschen ze helle kument, so ist die helle ir aigen und sind die túfel nu ir diener. [14] Er spricht och úber Matheus ewangelio: Got der froͤwet sich nit von gewinne, den er von úns gewinnet, me von únser behaltunge, daz wir behalten werdent. [15] Got der truret nút von siner ungerehtekeit wegen, sunder daz er wais, daz der mensche sich selber verdampnet het muͦtwilleklich, der sich selb zuͦ dem ewigen leben wol moͤht brǎht hǎn.


32

[1] Bi disen sinnen allen so merke wol, du minende sele, daz es ungelich besser ist, wol und reht tuͦn, denne unreht und súntlich leben volbringen. [2] Und lustig ist verdienen daz ewig leben, und scharpf und bitter ist die helle ze besiczen. [3] Und kumet doch menige mensch die helle vil und vil harter an denne daz himelriche. [4] Es varent ǒch etlich von diser welt in grǒser ungnǎd, alz der kindelin selan, | (199vb) die ǎne den tuͦffe verschaident. [5] Die muͤssent gottes antlút eweklich mangellen von der erb súnde wegen und hǎnd doch nút empfintlich liden. [6] Doch sprichet Ysidorus, daz sú hǎnd vinsterunge inwendig und uswendig. [7] Und sprichet sanctus Augustinus von dem glǒben zuͦ Petro, daz sú nút sient gar ǎne fegfúr. [8] Daz sprichet der. [9] Der kindelin selan sol nieman guͦteͣte nach tuͦn, won es ist unfervangen.


33

[1] Etlich selan, die in menschait gebihtet und gerúwet habent, aber noch denne nút gebuͤsset, die werdent gefuͤret in daz fegfúre. [2] Und daz ist dir zemǎl notdúrftig ze wissent, wie du in schuldig bist ze helfen, daz du daz ewig leben mit in besiczest. [3] Also bald des behalten menschen sele schaidet von irem libe, so wirt si von den engeln gefúret in daz fegfúr, alz únser herre Jhesus Cristus leret in dem ewangelio von dem armen Lazaro. [4] Und sieht ǒch und bevindet | (200ra) ain ieglich sele wol, alz balde si schaidet von irem libe, ob si behalten oder verdampnet si und ob si in daz fegfúr gehoͤret oder war, alz únser maister gewonlich schribent in der goͤtlicher kunste. [5] Aber die selan, die dǎ gehoͤrent in daz fegfúre, hǒnd zuͦversieht, daz sú etwenne erloͤset werdent, und wissend wol, daz sú nút in der helle sind; und doch von úbrigem grǒssem unseglichem liden, so kerent sú sich etwenne wenig dǎran. [6] Won|ed 248,1es sprichet sanctus Augustinus in ainer omelie von dem fegfúre, daz daz fegfúr vil und vil groͤsser, herter und scherpfer ist denne alles daz we und liden und pene, daz alle dise welt gedenken und bevinden mag. [7] Die selan in dem fegfúr hǎnd zwifalt liden. [8] Ains, daz si gottes anbli|ed 248,5kes mangelen muͤssent, die wil si vegent. [9] Daz ander ist die empfintlich vegunge, die sú uf erden verschuldet hǒnd und doch nút gebuͤsset. [10] Aber wie vil und grǒs | (200rb) und lang ir liden ist, so verdienent si doch damit kainen lǒne, won es ist in nun alain ain ableschunge der schulde, die si in zit hie nút gebuͤczet hǎnd. [11] Es hǎnt ǒch etlich selan vil groͤsser liden in dem fegfúre den etlich|ed 248,10 selan in der helle, und daz merke dabi: [12] Es vert ain sele allain umb ain tǒtsúnde in die helle, so vert ain anders umb hundert tusend súnde in daz fegfúre, die si nie bichtet und nie gebuͤsset noch guͦt werke nie tet. [13] Die muͦs ǎne zwifel herte lange buͦsse hǎn, e sú gelúttert werde. [14] Aber die zuͦversieht, die si het, daz si etwenne erloͤsset wirt - wie lang daz ǒch ist -,|ed 248,15 daz git ir trost und vortail ze uffenthalt fúr die sele, die doch eweklich liden muͦs hǎn in der helle umb ain totsúnd, die si nie gebihtet noch gerúwet. [15] Dis haltent die maister alle.


34

[1] Den selen in dem fegfúr maht du ze helfe kumen, daz sú | (200va) erloͤset werdent mit messen sprechen oder mit andehtigem guͦtem gebette oder mit almuͦssen geben oder mit vasten,|ed 248,20 alz sanctus Gregorius und sanctus Augustinus schribent, und mit aller ander guͦtter uͤbunge, die got loblich sind; die sind den selen in dem fegfúr helflich. [2] Es sprichet sanctus Dyonisius in dem buͦche von der cristenlichen jerarchie, daz die cristenhait het daz bezaichent, gaistlich guͦt hilflichait den selan in dem fegfúre, alz daz man der tǒtten libe in daz gewiht leget in die kilchen |ed 248,25 oder kilchoͤffe und daz man in gloggen lúttet und in kerczen brennet und ir greber roͤchet und sprenget mit gewihtem wasser und was dem selben gelich ist, kumet in allen ze statten nǎch der mainung, von den es geschiht. [3] Daz sprichet der. [4] Alz der hilflichait ie me ist, alz den selen ie bas geholfen wirt, won ain tugenthaft werke krieget nit wider daz ander, | (200vb) alz ain|ed 249,1 untugent wider die ander strebet. [5] Du solt den selan in dem fegfúr gerne ze helf kumen, alz vil du maht, dǎrumb daz es ist an dir ain zaichen der gerehtkait und erbermd; dǎrumb daz du von in kumen bist und ir zitlich guͦt besessen hest; ǒch dǎrumb, wenne du in daz fegfúr kumest, daz|ed 249,5 dir ǒch denn geholffen werde; ǒch dǎrumb daz du grǒssen lǒne an in verdienest, won was in hilfet us zitlicher vegunge, daz bringet dir ewigen lǒne; ǒch dǎrumb daz du in schuldig bist ze helfen; und sunderlich dǎrumb, wenne si ze himelrich kument, daz si denn got ernstlich fúr dich bittent. [6] Und ist ain slicher grosser frevel und frais, wer in nút hilfet us dem fegfúr, daz got niemer ungerǒchen lǎt,|ed 249,10 sprichet maister Franciscus von Maron. [7] Si empfindent wol | (201ra) in der vegunge, daz in geholfen wirt uf erde, und daz sagent in die selan, die zuͦ in kument. [8] Etwenne empfindent si es von der lihterunge der vegunge, etwenn von goͤtlicher offenung, etwenne von den engeln, die si vast troͤstent. [9] Und wenne si es gebuͤsset hǎnd, so fuͤrent sú si dǎ hin, dǎ si|ed 249,15 got eweklich schǒwend und niessent, alz dich der nǎchgend alte leren wil. [10] Aber ir libe muͤssent in erde, dǎrinne si ze eschen werdent bis an den júngsten tag und denne erstǎn und ewig froͤde gewinnen mit iren selan ǎne ende. [11] Dis alles lere ich zwain und zwainczigoster alte dich, minende sele. [12] Volbringest du es loblich und wol, so maht du den guldin trone|ed 249,20 herlich besiczen.


Zitierhinweis

Der zweiundzwanzigste Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

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