Editionskriterien

Der dreizehnte Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der dreizehnte Alte


1

[1] Der drizehende alte leret von der hoͤchsten wishait, was darzuͦ gehoͤret, darnach was ir krafte sie und wie man si gewinnen múge und wie man si uͤben súlle.


2

[1] Notvesteklich vergihe ich drizehender alte lobe und ruͦme der ewigen wishait, die als adenlichen und vernúnfteklichen durch min vor genanten zwelf alten goͤtlich warhait geredet hǎt. [2] Und won daz die ewig wishait in min zwelf gesellen gossen het us dem ewigen lebendigen brunnen, von dem Jhesus Cristus sprichet in dem ewangelio: 'wer sin trinket, den túrstet niemer und gewinnet daz ewig leben', ze der ewigen wishait wise ich drýzehender alte dich, minende sele, daz du mit der wishait zierest den guldin trone herlich und schone und wol. [3] 'Won ǎne die gtlichen wishait vermag nieman nút, darumb daz ain hailiger mensche in ewiger wishait unverwandelet beliben sol alz die sunne', sprichet Salamon. [4] Du solt nút wenen, daz die ewige wishait út anders si denn die warhait, in der man sichet und haltet daz hoͤhste guͦt, sprichet Augustinus von dem frigen willen, won wishait ist von kainer stat begriffen und ist doch an allen steten. [5] Von ussen ermanet si den menschen und inwendig so leret si, was man tuͦn und lǒn sol got ze ainem wolgevallen. [6] Die menschen, die goͤtlich wishait merkent, die kert si in daz aller beste, und mag aber si von niemen verkert werden noch geurtailet. [7] Die ewig goͤtliche wishait sprichet durch Salamones munt also: 'Ich quille us des aller hoͤhsten munt, erst geborn vor aller creature. [8] Ich hǒn gemachet, daz erschinen ist daz unbesigen lieht. [9] Ich bin ain fruhte des suͤssen smakes und aller wirdikait. [10] Ich bin ain muͦtter schoͤner minne und vorhte, erkantnúst und hailigen zuͦversicht. [11] In mir ist gnade alles lebens und tugent. [12] Der mich hoͤret, der wirt nút gesmehet, und der in mir wúrket, der mag nút súnden, und die in mir erlúhtet werdent, die gewinnent daz ewig leben.' [13] Noch vil me núcze leit die ewige wishait ir selber zuͦ, alz Salamon sprichet in dem buͦche der wishait, darumb man sich billich flissen sol wishait und nach ir mit ernst stellen. [14] Es sprichet Seneca in siner epistel ainer: Ich wais wol, daz nieman wol geleben mag noch geliden noch vertragen ǎne wishait. [15] Won wenne du alle dinge hettest, noch denne so woͤltest du wishait hǒn, won si ist derder aller júngste werkzúge aller júngste werkzúge aines guͦtten lebens. [16] Wer si suͦchet und si vinden wil, der sol von im legen alle irdensche burde und sol ainen túffen graben machen in sinem herczen, bis er vindet den schacze der wishait. [17] Die aller erst wishait ist ain lobelich leben, sprichet Gregorius Nazacenus, und ain luter gemuͤte zuͦ got ǎne underlǎsse ze haltende, und daz luter verainet wirt in luter und hailig in hailig gesellet wirt.


3

[1] Und daz ist ain klare wishait, die nút in worten flúget, sunder in allen tugenden sich erzoͤget und darinne belibet. [2] Es wil ǒch wishait niendert wonen denne allain in ainem fridlichen herczen. [3] Hugo von sant Victor von der arch Noe sprichet: Won der menschen herczen, die noch bekúmert sind in zitlichen loͤffen, die múgent nút wissen, was wishait ist, und die mit flaischlicher begirde bestriket sind, die sind von wishait entfroͤmdet. [4] Wer sich aber inwendig wolbedeͣchtlichen samnet in sinem gemuͤte und von allen uswendigen dingen zemale abgezogen und abgeschaiden ist, der ist dester keker ze contemplieren die ewigen wishait. [5] Dich stúret gar vast ze wishait, daz du din gegenwúrtig leben goͤtlich ordenen solt und din kúnftig leben wol versehen solt. [6] Won wer sin vergangen leben nit wol úber trahtet, der het sin leben verlorn, und sin gegenwúrtig leben in got nút ordenet, der ist unvernúnftig und sin leben ist ǎne fruhte. [7] Wer sin kúnftig leben nit versiecht, der wandelt unsicher an allen stetten. [8] Und davon redet Seneca in siner epistel ainer also: Wishait bekúmert sich mit sachen, die menschliche und goͤtlich sind und gekieset und gedenket von vergangnen und gegenwúrtigen und kúnftigen ziten. [9] Und bruchlich und zerganglich wise het si nit und belibet bi ewigen dingen.


4

[1] Ze ainem gemainen nucze gehoͤret aller maist wishait. [2] Und wa wishait an dem menschen úberhant nimet, da vallet im zuͦ lobe und ere und wirdekait. [3] In wishait uͤbet man erwirdekait des lebens und vernihtet untugend und bǒshait, sprichet Tulius in siner buͤcher ainem. [4] 'Und darumb toren versmahent wishait', sprichet Salamon, won si vergangen zit noch gegenwúrtig noch kúnftiges zites nit ahtent noch wissen wend, daz alle wishait von got kumet und ain ieglich mensche mit wishait zuͦ got kumen muͦs. [5] Wishait wirt geborn von dem vatter und ist wishait gottes sune, durch die wir geleret sind alle warhait, alz Jhesus Cristus sprichet in dem ewangelio: 'Ich bin us gangen von dem vatter und bin kumen in dis welt. [6] Und alles, daz ich von minem vatter gehoͤret hǒn, daz hon ich úch geleret.' [7] Daz ist ewig wishait, ǎne die nieman mag got wol gevallen noch behalten werden. [8] 'Durch die wishait het got alle ding gemachet', alz David sprichet in dem salter. [9] Wishait gottes vernimet sich sich in des menschen hercze und sele und wirt ain solich kraft in der sele, daz si die sele ǎn underlǎs uf daz hoͤhst und daz best guͦt richtet, und ir erlaidet alle ierrung und alles boͤse, daz der mensche weder gesúnden mag noch enwil. [10] Davon redet Alanus von dem buͦch der klage der nature, daz us der wishait in des menschen sele geborn wirt der edel schacze guͦter conciencie und ǒch die fruht inniger minne. [11] Wishait ist ǒch die sunne, durch die daz lieht gemuͤte taget in der vinsterunge und des herczen ǒgen gezartet wirt alz der wolgeluste des paradises. [12] Wishait verwandlet den irdenschen menschen in ainen himelschen, den toͤtlichen in ainen unsterblichen und den flaischlichen in ain goͤtlichen.


5

[1] Dich, minende sel, lere ich ǒch, drýzehender alte, daz wishait ist ain natúrlich krǎft, ain vernúnftig tugent ainer durch gebresten adelicher vernúftekait. [2] Won es sprichet Aristotiles in dem buͦch von den hohen sinnen: Ain wiser mensche sol alle dinge kúnen und unerkante dinge mit sichern sachen kúnen bloͤslich begriffen und nieman des fragen bedúrffen und alle dinge von im selber kúnen ordenen zuͦ dem aller besten nach goͤtlichen sinnen. [3] So ist wishait ain úber natúrlich gǎbe, die dem menschen von got allain ingossen wirt, damit er lernet bekennen und erkennen goͤtlich und menschlich, besunder in gaisten und in sprechen gnadenriches erzoͤgunge sines ussprechens,alz Dýonisius sprichet in dem buͦch von dem goͤtlichen namen. [4] Es ist ǒch wishait in den geuͤbten werken ain samnunge aller vernúnftigen tugent, alz Seneca sprichet in siner buͤcher ainem, won ain wiser mensche niemer betruͤbet wirt von kainer widerwertekait. [5] Sin gemuͤte ist alle zit in ruͦwe und fride und sin hercze zúhet an sich alz der adamast, was dem leben lobe und prise zuͦ gelegen mag, zúhet wishait alles an sich. [6] Es sprichet Ambrosius in ainer epistel, daz ain wiser mensche nit wirt brúchlig von vorhte noch verwandlet von gewalt. [7] Er úbernimet sich nút sines gelúgkes noch lǎt sich truren nit úberwinden. [8] Und wa wishait ist, da ist daz gemuͤte kreftig und starke und stette. [9] Der wise mensche sol alle zit gelich sin und nit gemeret noch geminret von der wandelunge der zergenglichen dinge und sol sich nút lǒn umbstossen mit falscher lere und wisunge und sol stet in Cristo beliben und gevestenet sin in minnen und gewúrczelt sin in geloben und sol ǒch lúhten alz die sunne in aller gerehtekait und warhait ǎne ende. [10] Der wise mensche sol ǒch wuͦchern, aber nit in scheczen, die schaben und roste verderbent und zergenglich sind, sunder in vernúnftiger verstandekait und in den ewigen scheczen, die goͤtlich sind und niemer zergond. [11] Der wise mensche sol nit begeren ze haben, denn sunder tugend uͤben in allen sinen werken und zuhte erzoͤgen in allem sinem wandel und uswendiger geberde. [12] Zuͦ den wisen und fúrsichtigen sol er sich gesellen und verfrúnden und sol alle toren fliehen. [13] Dis leret alles Ambrosius.


6

[1] Huͤte dich ǒch vor der betrognen wishait diser welt, die in den menschen dicke richsnet in úppigkait unschemig und nieman verhillet in allem betriegen, an allem laster. [2] Si ist boͤse und kan noch mag nút boͤsser gesin, won si gan irem nehsten kaines guͦten, alz úns Gregorius wol erkleret úber Joben buͦch und sprichet: Die wishait diser welt verdeket daz hercze mit gestifter trugnúste und verbirget die sinne mit betrogen worten. [3] Und falsche wise und werke erzoͤget si warhaft und gewere und gerehte sachen machet si falsche. [4] Ir erlaidet alle adenlich gerehtekait und ir liebet alle unfuͦre. [5] Vil uppikait suͦchet si in zitlicher ere und versmahet múglichait der tugend. [6] Guͦt krefte ze volbringen sind ir widerzeme, und was si mit gestifter boshait nit volbringen mag, daz volbringet si aber mit betrǒgener gedultekait. [7] Und darumb so mag nieman goͤtlich wishait gewinnen, der sich weltlicher wishait nút ǎnen wil.


7

[1] Gancz und gereht wishait vindet ain ieglich mensche, ob es wil, sprichet Bernhardus in ainer epistel, in herczen, in munde, in werken. [2] In herczen, ob du din súnde in bitterem wainen klagest und súntlich leben fúrbas flúhest, ob du dis leben der betrogen welte fúrbas vernihtest und in dir zemǎl zerstoͤrest alz ain zergenglich, unbeliplich guͦt, ob du mit aller zuͦversiht dines herczen begerest des ewigen guͦtes. [3] Du vindest ǒch die rehten wishait in dinem munde, ob du vergihest diner schulde an der stat, da es kraft het, ob du got dankber bist aller siner gnadenrichen werken, die er dir manigvalteklich erzoͤget het, und ob alle dine wort herlich und besserlich und fruͦhtber sind allen den, die si von dir hoͤrent. [4] Du vindest ǒch die rehten und ganczen wishait in den werken, ob du alz rain bist, daz du alle flaischliche gelúste in dir toͤtest, weltlichen trǒst von dir tribest, widerwerdekait aller zuͦfelle gedulteklich lidest und in allen goͤtlichen diensten dich gehǒrsam erzoͤgest ǎne alles verdriessen. [5] Dis alles sprichet Bernhardus. [6] Und Huͦgo von sant Victor in siner buͤcher ainem sprichet: Der hoͤhst trǒste ist alles menschen lebens flis hǎn ze wishait, won der si vindet, der ist gelúgkhaft, und der ir volget und si besiczet, der ist selig. [7] Der gerehte mensche sol alz wise sin, alz úns Gregorius leret, also, daz er in úbermuͦt núczet stiften sol in gelichsenhait, und also sin hercze ist, also súllent sine woͤrter sin, und sin gedenken und wort und werke súllent gelich sin. [8] Ǒch der wise mensche sol die warhait liep hǒn und minnen und die falschait hassen, guͦte werke vergebens erzoͤgen und boͤse ding lieber liden denn volbringen. [9] Kain rǎch sol er an nieman uͤben noch erzoͤgen. [10] Smachait sol er im selber scheczen ze ainem ewigen verdienten lǒne. [11] Aristotiles sprichet dem gelich von wishait, daz der wise man alle ding kúnen sol; und muͤlich und herte sachen sol er senftmuͤtigen und alle ding ze nucze kúnen bringen und alle sacha ordenen und kúnen wissen. [12] Und allermenglich sol der wise man kúnen leren, wen rehte wishait wonet bi der aller hoͤhsten sache und in dem obresten wipfel der beschaidenhait. [13] Bernhardus sprichet úber der minne buͦch: Also ze tugenden gehoͤret durchechtunge sterklich ze liden und ze tragen, also gehoͤret ze wishait sich inwendig widerwertekait froͤwen und daz hercze kreftigen und tugend alz ain gottes gabe uͤben, damit man wol empfindet und versuͦchet, wie gar guͦt der herre ist aller wishait. [14] Richardus an dem buͦche von dem schǒwenden leben sprichet: Es ist kain ding inbrúnstiger ze minnen denn wishait und ǒch suͤsseklicher ze besiczen, won vil menschen werent gern wise und sind nút darumb wise, daz si gern wise werent. [15] Der aber nach wishait stellen wil und sich ir flissen ze gewinnen, der mag wol wise werden. [16] Dem wisen ist nút froͤmde noch selczen, denne daz den tugenden unhaimlich und unmúglich ist, sprichet Ambrosius in ainer epistel zuͦ Constantino, dem kaisser, und darumb, wa der wise gǎtt, stat oder siczet, da scheczet er alle ding sin. [17] Er ist in allen stetten burger und dahaim und niena gast noch bilgerin.


8

[1] Eya, du minende sele, wisse von mir drizehenden alten, daz nút núczer ist noch richer noch sicher zuͦ des menschen seligen leben, denn sich flisen wislich ze leben von innen, von ussenen, alz dich leret Hugo von sant Victor in dem dritten buͦch von der arche Noe, daz er alles geschriben het von wishait und gelichet si zuͦ ainem bǒme, der zem ersten mǎl von ainem somen wirt geseiget, darnach gewaͤssert. [2] Darnach stirbet der some in dem ertrich. [3] Darnach wúrczelt er, darnach schosset er, darnach gat er uf, darnach wachset er, darnach stammet er, darnach gruͦnet er, darnach brosset er und zerspraittet sich und sin este. [4] Darnach bluͤget er, dar nach fruͤhtet er. [5] Darnach so zitiget sin fruͦhte. [6] Darnach so liset man sin fruͦhte ab und darnach so ysset man si mit begirde. [7] Und also ze gelicher wise ist goͤtliche wishait in den frúnden gottes. [8] Und darumb so wisse von mir, daz du goͤtlich wishait solt in dich segen mit dem somen goͤtlicher vorhte und vast waͤssern mit goͤtlicher gnad und in dir lǒn sterben mit smerczen und in lǒn wúrczeln mit gelǒben und schossen mit andaht. [9] Aber mit rúwen gǎt er uf und mit begirde nach got so wachset er und mit minne stammet er und mit zuͦversiht gruͦnnet er. [10] Mit fúrsichtekait so brosset er und sin este zerspraitet er und mit zuͦht bluͤget er und mit tugend fruhte t er und mit gedulte zitiget er. [11] Und mit tten ablesen wir und mit schǒwendem leben niessen und essen ǎne ende.


9

[1] Mit dises bomes art und ordenunge lernest du, minende sele, die ewigen wishait begriffen und gewinnen und behalten und ir empfinden und leben ǎne ende, ob du ir volgest mit ernst. [2] Du solt des ersten goͤtlich wishait mit dem somen goͤtlicher vorhte in dich segen. [3] 'Won goͤtlich vorhte ist ain anfang der wishait', sprichet David in dem salter. [4] Und vorhte hǎn bringet úns minne ze uͤbend, und wen vorhte leret sorgen vertriben , den wiset si daz hoͤhste guͦt ze minnen. [5] Same ist in erden dúrre unverfangen, er werde denne mit wasser gewessert. [6] Also ist vorhte unferfangen ze wishait, si werde denne durchwessert mit dem wasser goͤtlicher gnade also, daz gnade abwesche unsuberkait von dem samen der vorhte und si ǒch bringet in ain fúhtekait nach got ze hǎn und ǒch gaistlicher senunge. [7] Won ǎne gnad ist die vorhte dúrre an allen iren werken, won daz wasser der gnaden ist nuczber ze aller goͤtlicher uͤbunge.


10

[1] Samen und wasser machet darnach daz koͤrnelin in dem ertrich sterbent. [2] 'Won die wil daz koͤrnlin in der erden nit erstirbet, so bringet es kain fruͦhte', sprichet únser herre in dem ewangelio. [3] Zuͦ wishait mag noch kan nieman kúmen, er ersterbe denne vor allen glústen und troste dirre welte. [4] Und wenne dir der welte froͤde ain bitterkait ist, so bist du erstorben, und daz machet vorhte und gnade, die dich beide darzuͦ stúrent und helfent. [5] Wishait ist ain vorht und gnad und wil gewúrczelt werden in starkem und vestem geloben. [6] 'Und wa glǒbe nit ist, da sind alle werke unverfangen', sprichet sant Jacobus in ainer epistel. [7] Und wisse, daz glǒbe die rehte wurczel ist zuͦ der wishait und ǒch zuͦ dem ewigen leben, alz der zehende alte vor mir geleret het und gewisset het von dem glǒben.


11

[1] Mit andaht schosset die wishait in dem menschen, wenne daz gemuͤte des menschen widerwertekait der warhait nút geliden mag noch enwil und daz gemuͤte ain mitliden het mit lieblosen frúnden gottes und snel in guͤtekeit ist allen guͦten willen ze volbringent. [2] Darnach gǎt wishait mit rúwen uf und us. [3] Won si gat uf, daz die warhait in der sele geoffenet wirt von rúwen und unwissend vertilget wirt und daz gemuͤte durchlúhtet wirt und daz man sleht ainen spiczigen pfale von hicziger minne durch daz hercze, der alle súnde und roste dannen veget und ǒch alle vinsterunge also vertribet darinne, daz man vinde den glaste darinnedarinne von gegenwúrtekait von gegenwúrtekait [4] Und also gat si uf in begirde. [5] So wachset si uf darnach, und in gemuͤte verswendet wirt roste aller missetǎt. [6] So keret si daz gemuͤte uf in ainen spiegel clarer schǒwunge, darinne im begegenet ain froͤmde, erlúhtig inbildunge, dez si vor nie empfunden het, und denne so wundert sich daz gemuͤte, daz im daz verborgen ist gesin, und froͤwet sich, daz si es nu funden het, und spechet im ie bas und ie bas und tieffer und tieffer nachmit aller begirde, und daz si ǒch wachset in wishait.


12

[1] Es stammet wishait in minne. [2] Won also der stamme stat uf sinen wurczelen und alle este und bletter und fruhte stat uf dem stammen, also ist minne ain uffenthalte aller wishait; und wa minne nit enist, da scheczet man wishait ain torhait. [3] Wishait gruͦnet in zuͦversicht und betrúget nieman und het ǎne underlǎs ain gedenknúst ze unsichtiger und ewiger froͤde; und versicht sich die wishait, daz si sý erlangen múg und ir niemer werd genumen.


13

[1] In fúrsiechtikait so brosset die wishait und spraitet> ir este. [2] Won ir etlich este gǎnd uf in wishait úber sich, alz die, die mit dem spicze gǎnd uf ain hohes úber natúrliches contemplieren, dringen úber alle ding durch die himel und begerent got ze schǒwen, alz er ist. [3] Etlich gǎnd nebent us mit aller hilflichait zuͦ irem nehsten und uͤbent sich in aller erbermde. [4] Etlich este gand under sich, darinne der wise man und mensche allen kúnftigen schaden empflúhet und nit sich uf zitlich gelúke lǎnt noch sorget umb ungelúke; und was im guͦtes oder boͤses zuͦ riset, da haltet er sich ledig und frige inne. [5] Und daz gehoͤret der wishait zuͦ, daz also mit mengerlaige wise und flisse vil tugend spraitet wishait ir este, daz si ir este bringet in ain goͤtliches wolgevallen in fúrsiechtekait. [6] Daz ir ist ain lieplich brossen.


14

[1] Mit zuͤhten bluͤget die wishait, won alz man sich versieht, daz bi dem bluͦgen vil fruͤht kumet, also sol man wissen, daz von vil guͦtten werken vil ewiges lones kumet. [2] Wishait bluͤget ǒch in zuͦversiht und in zúhten. [3] Won also ain ungestuͤmer mensche ain tore gescheczet wirt, also wirt ain zúhtiger wandel gebriset an den wisen.


15

[1] Wishait fruͤhtet in tugenden. [2] Ain fruhte guͦttes werkes ist ain tugend ainer verborgner guͦten mainunge. [3] Und wer ǎne tugent ain guͦt werke volbringet durch der menschen willen, der were wol alz ain bǒme ǎne fruhte. [4] Mit gedult so zitiget die wishait, und darumb so sol man in allen guͦten werken voll herten bis an daz ende in aller gedulte, won wer vor dem ende abliesse von den guͦten werken, des fruͦhte viel unzitig von dem bome. [5] 'Und der volhertet bis an daz ende, der wirt behalten', sprichet únser herre in dem ewangelio. [6] Mit dem tode lesen wir der wishait fruͦhte ab. [7] Won wer in wishait stirbet, der wirt gefuͤret in die wirtschaft des ewigen riches, darinne er gespisset wirt mit dem seligrichen anblike goͤtliches schǒwens und niessendes und mit dem gegenwurf inblikiger magestat. [8] Dis bǒmes arte von der wishait schribet úns Hugo von sant Victor von wort ze wort. [9] Und wer des bomes ordenung haltet, der wirt hie selig in wúrkendem leben und sieht got eweklich in siner wishait in dem ewigen vatterlant. [10] Merke des bǒmes arte wol, daz ist dir guͦt.


16

[1] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der stat gottes: Die sele ist nút von ir selber tailhaftig der wishait, aber doch so wirt si wise von got. [2] Won alz die sunne den lufte durchlúhtet mit irem glaste, also durchlúhtet got mit siner wishait die sele, daz si wise wirt in aller vernúnftekait. [3] Es sprichet Ambrosius: Der wise mensche sol sich schaiden von allen wolgelústen des flaisches und sol sin flaische erheben uf von allen liplichen dingen und fremden von irdeschen sachen. [4] Won wer sin zuͦversicht in got leit, der ist me ains mit got, denne er wone uf erde, und mit dem erlanget er die wishait gottes ǎne ende. [5] Wer wishait gewinnen wil, sprichet Pittagoras, der haidensche maister, der sol allen siechtagen us stossen von sinem libe und unluterkait von sinen gelidern vertriben. [6] Er sol sich ǎnen unvertekait und unwissen in sinem gemuͤte und unverstandenhait in sinen sinnen, uf velde úrlige und strite und krieg fliehen, in stetten widerparte hassen, in húsern rasselan und kifelen und krieg miden, in herczen fride minnen, in allen sachen maͤssekait suͦchen, an im selber hassen alle untugend, die er an ainem andern hasset, und was er guͦttes sieht oder hoͤrt, dem sol er volgen, alz vil er mag. [7] Wishait mag nieman vinden denne in rúwigem herczen und in fridelichem gemuͤte und in unbetruͤbten sinnen, sprichet Cassioderus úber den salter. [8] Der mensche sol ee sin leben straffen und bessern an allen dingen, ee doch die wishait ze suͦchent si und vinden, sprichet die glǒse úber den salter. [9] Wishait suͦchet zúgnúst der werken. [10] Wishait hǒn ǎne fride ist nit ain gab der tugent, es ist me ain fluͦch der verdampnúste, sprichet die glǒse úber Matheus ewangelium. [11] Wer wishait suͦchet und si han wil durch weltlichen ruͦme, der suͦchet si, alz Judas Cristum suͦchet, do er in verriet. [12] Der si aber suͦchet durch gottes lobe und ere willen und durch des menschen besserunge, der vindet si und belibet im, sprichet Hugo in dem buͦch von der arche Noe.


17

[1] Darnach solt du wissen, daz die wishait, die got in im selber het, alz gar úber alle menscheliche sinne edel ist, daz si kan und wais und vermag alle dinge und kúnftig sach fúrsicht si und ordenet und richtet alles daz, das worden ist und ǒch noch geschehen sol. [2] Die versehenen behaltet si bi dem ewigen leben und die verworfnen verdampnet si. [3] Si git ieglichem, was im ze geben ist nach iegliches verdienen, und doch in ir selber nit dester minder het, sprichet Hugo von den súben sacramenten.


18

[1] Dis alles hab von mir drizehenden alten, du minende sel. [2] Und volgest du mir und der wishait nach, so fuͤgest du wol ze prisen den guldin trǒne und ǒch mit wishait besiczen und erraichen, waz dir núcze ist zuͦ dem ewigen leben.


Zitierhinweis

Der dreizehnte Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

URL: https://otto-von-passau.de/chapter-detail.html?id=O8309582. Abgerufen am: 20.04.2024.