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Der siebzehnte Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der siebzehnte Alte


1

[1] Der |ed 184,1 súbenzehende alte leret, was betten si und wa und wen man betten sol und wie vil es kraft het und waz es grǒsses nuczes bringet.


2

| (134rb) [1] Reht guͦt und goͤtliche lere hond dich, minnende sele, vor mir adenlich und|ed 184,5 nuczelich die vorgenanten alten, ieglicher in siner materie, geleret, daz dir denne daz aller beste gesin mag zuͦ dem ewigen leben, damit du cluͦglich und wol den guldin trǒne dez ewigen kúnges muͦgest besiczen.


3

[1] Aber ich súbenczehender alte sol dich, minnende sel, gar ain núcze lere wisen, die hailikait und saͤilikeit bringet dez ewigen lebens, und daz ist die kunstriche |ed 184,10 lere, die únser herre Jhesus Cristus leret sin usserwelten junger nach aller volkumenhait, do sú zuͦ im sprachen: 'Herre, lere úns betten.' [2] Do lert er si daz hailig pater noster, darinne beslossen sind die aller besten súben gebette, damit er úns versehen wolt umb alle unser notdurft. [3] Er sprach ǒch in sinem liden: 'Bettent, daz ir út in bekorung kument.' [4] Jhesus Cristus gieng ǒch|ed 184,15 dike betten an daz gebirge und an ain | (134va) oͤde velde und in wuͤstenen, in den tenpel und an ander haimlich stet. [5] Er bettet ǒch an dem hailigen froncrúcze, bis er erstarb.


4

[1] Sant Paulus sprichet: 'Ir sond ǎne underlǎs betten, und sol ains fúr daz ander betten, daz ir behalten werdent.' [2] Alz ob er spreche: Jhesus het selber gebettet|ed 185,20 und het úns gehaissen betten, won ǎne betten múgent wir in únserm leben got nit wol gevallen, darumb daz betten der grǒst dienst ainer ist, den wir got erzoͤgen múgent und den ǒch got von úns hon wil. [3] Ez ist nit kreftiger und gewaltiger in gottez ǒgen denne ain rain luter und andehtig gebette, so sprichet Augustinus. [4] Won es dringet da hin, da nieman mag hin gelangen, sprichet|ed 185,25 Johannes der guldin munt. [5] Und sprichet ǒch Bernhardus: Wenne daz gebette endelic h, andechtig, nuczklich und inbrúnstig ist, so durchdringet es die himel und kumet fúr got und erwirbet stetlich fruhte, daz es nút vergebens her | (134vb) wider kumet denn mit grossem lone und mit fruhtberen nucze. [6] Und sunderlich enpfahet daz gebett grǒs zuͦversiht, wenn es daz|ed 185,30 boͤs leben dez menschen nút irret, sprichet Gregorius.


5

[1] Voran lere ich súbenczehender alte dich, minende sele, waz gebette sig nach siner kraft. [2] Won alz die bebst schribent in den rehtbuͦchen, so ist betten ain guͤtig begird dez gemuͤtes, daz sich gancz in got alain keret und umb gote etwaz erwirbet, daz sin gemuͤt begeret. [3] Ez sprichet Hugo: Gebette ist ains guͤtigen|ed 185,35 gemuͤtes demuͤtekeit und ain ganczes bekeren in got mit glǒben, mit zuͦversieht und mit minne und ist ain vernúnftig ufgǎn in got in zimlich bitten, und hillet mit im Damascenus. [4] Ez sprichet Avicenna , d az betten nút anders ist, denne wenn der mensche mit got redet und von got in beschaidenhait begeret daz aller beste ze erwerbende. [5] Daz | (135ra) sprichet der und hillet mit|ed 186,40 im Aristotiles. [6] Betten ist ain gaistlich werke, damit sich der mensche got erbúttet mit aller erwirdekait sines gemuͤtes und sich got ergit und gottes vergiht zuͦ ainem herren fúr allez, daz da in zit und in ewekait gesin mag. [7] Darus redet Bernhardus in ainer predige und sprichet: Wie wol daz si, daz únser herre got ǎne underlǎss an allen stetten und in allem zite úns an seche und erkenne,|ed 186,45 so sihet er úns doch aller inneklichest und endelichest an, wenne wir betten, won in dem gebette so keret er sin antlút gegen únserm gebette, alz da ain frúnt mit dem andern lieplich koset, und wes wir von im begerent, daz wil er úns in wirdekeit erzoͤgen. [8] Darumb sol sich ain ieglich mensch mit allem ernst flissen dik und vil ze betten mit andaht und mit fúrsihtikait. [9] Won es sprichet|ed 186,50 Crisostomus der guldin munt úber Matheus ewangelium, daz diz | (135rb) daz aller groͤste und wirdigest opfer ist, daz wir got iemer geopfern múgent: ain rain, luter und andehtig gebette. [10] Won also edel gewúrcze in dem fúre machent ainen guͦtten wolgesmaken rǒch, dampfe und smake, also machet daz reht und hailig gebet ain edel suͤssekeit in goͤtlicher gesieht nach sinem wolgevallen.|ed 186,55 [11] Und sprichet Crisostomus: Wilt du wissen, wie grǒsse die wirdekeit dez gebettes ist? [12] Alz bald es von dez menschen munde flússet, alz balde enpfahent es die engel und bringent es fúr die ǒgen gottes. [13] Dem geliche sprichet Effrem in dem buͦch von der klage der welte, daz ain hailig, luters und raines gebette ist ain mitkosen, ain frúntlich kosen, runen und gespreche mit got, und mit grossem schalle und froͤden begegnet got. [14] Daz sprichet der und hellent mit im Ambrosius und Dyonisius.


6

[1] Es ist ǒch ain grǒsser underschaid dez gebettes, alz Casiodorus schribet in | (135va) sinen predigen: [2] Ains ist bittung, alz der mensch bittet fúr sin súnde und umb applas siner missetat; daz ander, daz ain mensche bittet fúr der andern menschen|ed 187,65 súnden oder umb ainen fride oder umb den ertwcher oder umb gesunthait sines libes oder umb ain guͦt wetter oder umb ander notdurfte, und diz alles haisset ain haischen von got. [3] Aber daz drút ist dankberkait, daz der mensch got ǎne underlǎs danke allez dez guͦttes, daz er von got ie enpfangen het in klain, in grǒs, liplich oder gaistlich. [4] Daz vierd, daz wir got bitten umb ewig|ed 187,70 sach und umb got, daz wir in eweklich sehen und niessen werden uf daz aller hoͤchste guͦte, daz er selber ist. [5] Und die wisen sind alle notdúrftig ze bitten in dem zit und gehoͤrrent zuͦ ainem guͦtten menschen und ainem guͦtten leben.


7

[1] Es sprechent und schribent ǒch die maister in goͤtlicher kunst von mengerlayge anbetten, daz alain got zuͦ gehoͤret, und | (135vb) daz ist ain aigen betten der|ed 187,75 aller hoͤhsten wirdekait, die ieman erdenken kan. [2] Von dem schribet Damascenus, daz man got von innen und von ussennen sol an betten alz daz aller hoͤhst und wirdigest guͦt. [3] Und dem sol man von innen betten mit herczen, mit muͦt e, mit allem ernst, mit allen kreften der sele und mit aller vermúgent. [4] Man sol ǒch im uswendig betten mit allen gaistlichen zúchtigen geberden und wandeln,|ed 187,80 mit wainen, mit knúwen, mit an hercz klopfen, mit allen sinnen und mit aller andehtiger wise, die got ain lobelich ere múgent gesin, alz dem aller hoͤhsten und obresten guͦt und alz únserm schepfer, won er der aller hoͤhste, beste und edelest ist fúr alle ding und gewaltig himelriches und ertriches und ain schoͤpfer aller creature. [5] So haissent die dienst, die got geschehent, anbetten, und|ed 187,85 der nam 'anbetten' gehoͤret nieman zuͦ denne | (136ra) got allain und kainer creature, die ǒch ie alz hailig wart in zit. [6] Daz sprichet der und hellent alle lerer in goͤtlicher kunst und geschrifte mit im geliche.


8

[1] Daz ander betten ist ain gebette, daz man tuͦt unvernúnftigen tieren. [2] Got vernimpt noch hoͤret nút des betters stime ǎne sin hercze und sieht alain dez herczen mainung an und nút der|ed 187,90 woͤrter hal. [3] Es ist weger in ainem stillen herczen betten ǎne woͤrter, denne ǎne herczen betten und stimme und woͤrter verlieren. [4] Daz sprichet der und hellent mit im der lerer vil und Ysayas, der prophete. [5] Aber etlich menschen sind bettent mit munde, mit herczen und mit gemuͤte, und zuͦ solichem gebette sind alle gewihten phaffen gebunden und alle, die da pfruͦnda und gottes gauben hand,|ed 188,95 alle cloͤsterlútte und alle die, die daz almuͦssen enphahent und zehenden und opfer niessent. [6] Diz allez schribent die bebste | (136rb) und gebietent es manigvalt in dem reht buͦch.


9

[1] Wilt du, minende sele, wol und fruhtberlich lernen betten, so volge mir súbenczehenden alten. [2] Du solt din selbes in allen gebetten wol warnemen. [3] Won|ed 188,100 wer bettet, der redet mit got, wer aber liset, mit dem redet got, sprichet Ysidorus und hillet mit im Augustinus. [4] Und darumb, wenne du bettest, so nimme in dem gebette din selbes war, daz du die bettewoͤrter gar und gancz sprechest ǎne irrung und daz du die sinne der woͤrter wol betrǎhtest ǎne hinderunge und daz du ǒch daz ende des gebettes wol ansehest, wenne und wem|ed 188,105 du bettest oder warumb du bettest und was din mainung sie, won din ende des gebettes sol gottes ere sin und diner sele nucze und aller der menschen trost, den du din gebette mainest, si sient lebendig oder tot. [5] Wenne dir der mainung aine abgieng, so wer din gebette súmig und ǎne grǒs fruht. [6] Wenne | (136va) aber du die wise mit andahte und ernst krefteklich erfúllest, so moͤhte|ed 188,110 din gebette alz vernúfteklich in ain jubelieren gezogen werden, daz du din selbes und aller creature zemale vergessest, und dir nieman in dem gebette ain gegenwúrf waͤr denn got allain, sprichet Hugo von sant Victor. [7] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der regel: Wer bettet mit munde und ǎne alles hercze, der tuͦt súnd, ob es geschiht mit fúrsaͤczen und mit verdahtem |ed 188,115 muͦte; daz selb gebette ist ǎne fruhte. [8] Daz sprichet er und hillet mit im Cassiodorus. [9] Wirt aber dir din gemuͤte in dem gebette entzuket ǎne fúrsihtikeit wider dinen willen und daz es geschiht von krankheit dins gemuͤtes und nút von versenunge noch von unehtekeit, daz vergit dir got, sprichet Basilius, won du maht diner zuͦvaͤll in allen sachen nút gewaltig sin. [10] Daz|ed 189,120 sprichet der und hillet mit im Augustinus. [11] Es moͤhte ǒch der better alz | (136vb) gar vil betrahtunge und sehens und warnemens hǒn uf die worter, die er bette, daz er murczes versties und verierret wurde. [12] Won es sprichet Hugo von sant Victor, daz ain luter gebette alz úber flússeklich in andahte des gemuͤtes sich zuͦ got keren mag und ǒch moͤht, daz es von inbrúnstiger minne vergesse|ed 189,125 der haischunge, darumb es daz gebette hǒt angevangen.


10

[1] Reht, wol und fruhtber betten ist reht und wol leben und guͦttú werke wúrken und uͤben, daz haisset wol gebettet. [2] Won es sprichet Origenes: Der ain reht leben fuͦrt nach gottes lobe, der bettet ǎne underlǎs. [3] Die wil er in gerehtekeit belibet, so ist im sin guͦt wúrken ain guͦt betten, ob er ǒch mit munde núczet|ed 189,130 bettet. [4] Und wer daz behaltet, daz got gebotten het und sin sun Jhesus Cristus únser lieben frǒwen sant Marien ze lobe und ze eren - daz si got fúr uns bittet. [5] Und daz gebette haisset ain bitten | (137ra) und nút ain betten und mag und sol beschehen in andahte und in erzuͤgunge inwendig und uswendig, alz davor geschriben stat in aller der wise, allain daz man si nút an bette alz daz|ed 189,135 aller beste guͦt, won daz gehoͤret nieman zuͦ denn got allain. [6] Ǒch in solicher wise sol man die engel anbitten und anruͤffen, aber bi núttú an betten, daz si nút werden únser abgoͤt. [7] Von dem sinne schribet Maximimus, der bischǒf, an ainer predige von sant Petern und sant Paulus: Wer den diener eret, der het den herren geeret, won des dieners ere geschiht durch sines herren ere willen. [8] Und|ed 189,140 darumb, daz wir die hailigen und engel eren, daz tuͤgen wir durch únsers herren ere willen, der sú gehailget und geeret het, und ǒch darumb, daz si got fúr úns bittent, und was únser gebette nút vermag, daz si úns daz umb got erwerben, und daz ist aller lerer mainung in goͤtlicher | (137rb) kunst.


11

[1] Daz drútte ist ain gebette der erwirdekait dem hailigen crúcz, den hailigen nageln,|ed 190,145 der dúrninen crǒne, únsers herren rǒke, únser frǒwen tuͤchlin und dem hailigen gebain und vil andern grǒssem hailtuͦm, daz die cristenhait groͤslich eret, daz solt du eren und solt in bitten, darumb daz sú vernúnftige creature sind. [2] Won es sprichet Augustinus in dem buͦch von der stat gottes: Wenne ain mensche daz ander reht liep het, wenne ir aines erstirbet, so het daz|ed 190,150 ander nach sinem tǒde liep alle die klaider, die zuͦ siner person gehorten und erbúttet in ere. [3] Also sol man ǒch tuͦn dem hailtm, daz den hailigen naͤher ist gesin und gelegen, mit ere erbietten. [4] Us disem so merk, du minnende sele, waz du anbetten oder bitten solt oder durch gottes willen oder der hailigen willen eren, daz du in ungewonlich und in abgoͤtte gebette nit vallest, won daz wer dir zemǎl grǒsse súnde. [5] Und die wise gehoͤret ǒch ze wissen, waz reht und wol gebettet | (137va) si, alz ich dich geleret hǎn.


12

[1] Ǒch solt du wissen, daz etlich menschen bettent in irem gemuͤte inwendig ǎne alle woͤrter dez mundes und nement goͤtlich zarthait und sin wessenhait in den funken der sele ze ainem gegenwurf. [2] Won allez ir betten|ed 190,160 ist ain suͤsses betrahten von himelschen sachen und von goͤtlichen guͦteten und von klarhait ewiger maigestat. [3] Und solich better bettent in dem gaist und in der warhait alz volkumen verdienner des besten lones, won si sind die, die aim schǒwenden leben ain benuͤgig volgung tuͦnd. [4] Von den sprichet Jeronimus in ainer epistel: Sú schlǎffen oder sú wachent, so sind alle ir |ed 191,165 werk ain fruhtber betten, won núczlich, gewerlich und reht betten ist innekliche minne. [5] Daz sprichet der und hillet mit im Gregorius von den sitten. [6] Etlich menschen bettent mit worten alain ǎne herczen und ǎne guͦt gedenke, und daz betten ist gar selten fruhtbaͤr. [7] Doch so ist es weger got dienen mit dem munde | (137vb) alain, denne zemale núczet tuͦn úber al oder denn|ed 191,170 súntliche werke tuͦn und uͤben. [8] Von dem sprichet Ysidorus von dem hoͤhsten guͦt: Es ist unverfangen, da daz hercze ain stumme ist und ist alz ain stumme. [9] Alz Cristus in dem ewangelio geleret het: Der bettet wol und reht, der wirt allez dez gewert, dez er got bittet. [10] Won guͦte werke sind ain ufenthalt ains guͦten gebettes. [11] Daz sprichet der und hillet mit im Gregorius in siner lere.|ed 191,175 [12] Bi disem sinne solt du merken, daz wol und loblich betten muͦs geschehen von gemuͦte, von kreften der sele, von mund mit ganczen worten von guͦtem leben und mit guͦten, gerehte n werken und in goͤtlicher uͤbunge, daz die wise alle bi enander standen.


13

[1] Du solt dich húetten, daz du út siech werdest und gebresthǎft in dinem gebette,|ed 191,180 alz die tuͦnt, die | (138ra) sich etwenne ze got kerent, und in irem bekeren so bettent si gar hiczeklich und darnach kaltlich und darnach sumelich und darnach sleffenlich und ze jungst so wirt nút darus. [2] Solich gebette ist unvervangen und ist vientlich gebettet, sprichet Augustinus uber den salter. [3] Er sprichet ǒch fúrbas: An dem gebette solt du zuͦ nemen und ie bas und bas darinne|ed 191,185 in andaht und in ernst wachsen. [4] Verzúhet dir ǒch got din bette etwenn lange, daz tuͦt er darumb, daz din ernst in dem gebette dester groͤsser werde. [5] Er wil dir aber kainer bette benúte verzihen, ob du reht bettest, alz da vor geschriben stat. [6] Daz sprichet der und ander lerer vil. [7] Wer aber bettet und darzuͦ súndet, der spotet gottes me, den er in anbettit, sprichet Crisostomus der guldin|ed 192,190 munt úber Matheus ewangelium. [8] Und alz ain ritter in ainem stritte ǎne | (138rb) harnasch unverfangen ist, also ist gebette ǎne vasten und ǎne almuͦssen u nverfangen, und ist ain krankes gebette, daz mit almuͦsen geben nút gesterket wirt und ist. [9] Daz sprichet der und mit im Gregorius und Ysidorus. [10] Got git dir vil me durch dines gebettes willen, denn du selber begerest. [11] Won der schacher|ed 192,195 an dem crúcz begerret allain, daz únser herre Jhesus Cristus an in gedechte, darumb gab im got daz ewig riche, alz daz ewangelium sprichet.


14

[1] Und wilt du reht und wol ain volkumner better sin, so merke mit ernst, wie dich die hailigen bebste lerent betten manigfalteklich in den reht buͦchen. [2] Sy sprechent: Du solt getrúwe und gloͤbig sin in dinem gebette, won betten lúttert|ed 192,200 der menschen súnde. [3] Du solt sicher sin in dinem gebette, won got offenot dir sin haimlichait darinne. [4] Du solt demuͤtig sin an dem gebette, won es durchdringet die wolcken. [5] Du solt andehtig sin in dinem gebette, won es gat in die oren gottes. | (138va) [6] Du solt schemig sin in dinem gebette, alz der offen súnder waz, der bettet in dem tempel und sinú ǒgen gegen dem himel nút|ed 192,205 wolt erheben. [7] Din gebette sol haimlich sin, daz du dinen lǒne nút offenlich verlierest. [8] Din gebette sol rain sin und luter und unvermúschet aller untugent, daz es got von dir wol gevalle. [9] Din gebette sol ǒch ernsthaft sin und benúgig und inbrúnstig sin und vol minne und begirig, daz got din haimlicher frúnd werd. [10] Es sol ǒch mit flisse emssig sin, won die dienst, die man got erzoͤget,|ed 192,210 sol man alle zit uͤben und nút under wegen lǒn. [11] Diz alles lerent úns die bebste in den reht buͦchen. [12] Dem gelich sprichet Cassiodorus: Also ze volkumenhait des gebettes hoͤrent alle tugent, also hoͤret ze tugend erwerben andaͤhtig gebette, und mag nieman ǎne betten weder tugent noch gnad erwerben noch gewinnen.


15

[1] Ǒch|ed 192,215 solt du ander wisse hǎn in dinem gebette, die got zemal wert und genem von dir sig. [2] Won der mensch | (138vb) bettet reht, sprichet Gregorius, der sich selber nit scheczet anders denn ain bulver, und waz er guͦttes erwirbet in dem gebette, daz er daz goͤtlicher kraft zuͦ lege und nút sin selbes volkomenhait. [3] Diz ist ǒch ain loblich gebette nach volkumner wise, alz únser herre Jhesus|ed 193,220 Cristus sprichet in dem ewangelio, daz du fúr din viend bitten und betten solt und fúr alle die, die dich durchehtent, alz er tet an dem hailigen frǒncrúcz; und sprichet ǒch, daz wir in dem gebette lúczel reden sond, won daz wir in dem gebette mit got reden, sprichet die glǒse, daz sol alz gar ernsthaft sin, daz wir kains menschen rede nit ahten soͤnt. [4] Von dem sprichet Beda |ed 193,225 in dem buͦch von Salomones tenpel: Daz hailig gebette betútet vil und grǒs sache in aller stunde und stat, ob wir úns huͤten vor unzimlichen werken und vor mússigen, unzimlichen, uppigen worten und vor velle der zungen, die schedelich sind, | (139ra) und sond úns flissen rainer gedenke des gemuͤtes, damit úns gaistlich kúschait gehailiget. [5] Ǒch leret úns Cassianus von|ed 193,230 der gesecz der menschen, daz du in dem gebette kain verlassen ungeberd nit erzaͤigen solt, weder mit ǒgen hieher oder daher sehen noch mit munde reden, rústern noch huͦsten, wispeln, súfczen, noch wise, die din andehtig gebette geieren múgent, noch mit hende noch mit fuͤssen noch mit geberden erzoͤgen, daz weder du noch ander menschen davon út geierret werden. [6] Und|ed 193,235 da du redest mit got, daz ist in dinem gebette, súllent din sinne inwenndig und uswenndig volkumenlich und ǎne slaffen und ander fulkait wol gekeret sin zuͦ got. [7] Es leret Hylarius úber den salter, daz du an allen stetten und zuͦ allen zitten, naht und tag, betten maht, doch aller maist an den stetten, die darzuͦ gewihet sind, und da man handlet den hailigen frǒnlicham Jhesu Cristi |ed 193,240 und | (139rb) ander hailikeit und da der hailigen gebain und ander hailtum geneidig sind und sunderlich, da man applǎs vindet. [8] Daz sunder gebett solt du tuͦn an hainlichen stetten und daz gemain gebet offenlich. [9] Darzuͦ du gebunden bist, solt du voran betten, und darnach die gebette, die von gnaden sind oder von besunderm andaht. [10] Daz sprichet er und mit im Ysidorus und Hugo |ed 193,245 und die bebste in den reht buͦchen.


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[1] In allen dinen gebetten kanst du got nút bessers bitten noch von got nit hoͤhers begeren, won so volgest sant Bernhart in siner predige ainer und bitte got, daz er dinen lip und din sinne behuͤte vor allen den werken, die got unwirdig sint und dich in súnde bringen múgent. [2] Und darnach so bitte got, daz|ed 194,250 er diner sele alle tugent zuͦfuͤge uf daz aller hoͤhste in aller minne und gnade. [3] Darnach bitte in, daz er dir und allen den, fúr die du begerst, daz ewig leben zuͦfuͤge, daz er sinen erwelten gehaissen het in dem ewangelio. [4] Und darnach so begere, daz ym | (139va) din gebette genem und wert von dir si ǎne underlǎsse. [5] Also bettest und bittest du sicher und wol.


17

[1] Ob|ed 194,255 aber du, minende sele, út dester minder lones hest, daz du din gebet wite und vil umb tailest und manigfalte lebenden und toten gist? [2] Die bruͦderlich minne gevalt got wol, und alz wert ist es got von dir, daz du irs dester me lones hest von dinem betten und nút úber al dester minder. [3] Won es sprichet Jeronimus in siner epistel ainer: Alz dicke du ainen psalmen oder ain messe oder ain pater|ed 194,260 noster bettest hundert selan, alz dicke so wirt ieglicher sel daz selbe gebette gancze, alz ob du es ainer alaine gebettet hetest, und noch denn daz selb gebette gancz fúr dich. [4] Es sprichet Gregorius in dem buͦch von den sitten: Wer fúr die andern bittet von minne, daz kumet dem better dester belder ze statten und ze ainer hilflichait, denne dem, fúr den er bittet, und wil in|ed 194,265 got dester belder erhoͤren. [5] Dem gelich sprichet Crisostomus der guldin munt úber Matheus ewangelium: Daz | (139vb) der mensche bettet fúr sich selber, daz ist von natur, daz er aber bettet fúr ainen andern menschen, daz geschiht von minne. [6] Nun ist daz gebette got vil geneme r, suͤsser und lieber in sinen ǒgen, daz von minne geschiht, denn daz von nature geschiht. [7] Und wie daz gebette|ed 194,270 von notdurft geschiht, doch wirt daz minne gebette von got gemeret und geruͤmet. [8] Er sprichet ǒch an dem buͦch: Der anders bettet denne Jhesus Cristus geleret het, der ist nút sin junger, sunder was die wishait gottes geleret het ze betten, daz ist wol gebettet, und nút daz menschliche sinne erdihtent und erdaht hond. [9] Bi disem sinne merke, waz du den hailigen bettest und den|ed 194,275 selen oder lebenden oder totten von minne,daz kumet allez in dinen nucz. [10] Und alz du den ie me und me bettest, die in den gnaden gottes sind, si sient in himelrich, fegfúre oder uf erde, alz die selben ie me | (140ra) und me got fúr dich bittent. [11] Und daz sprechent die maister in goͤtlicher kunste.


18

[1] Wilt du, daz got din gebette genem und wert von dir si und liep, so hútte dich|ed 195,280 vor allem dem, daz din gebet geirren und gekrenken und vernihten múge in goͤtlichem wolgevallen. [2] Und die wise merke gar wol, won ir ist vil, alz zehant hernach geschriben stat. [3] Bist du wissentlichen in tǒtsúnden ǎne fúrsacze guͦtter besserunge, so vervahet dich din gebette nút al. [4] Hest du zwifel und kainen geloben an din gebette, so ist es dir unnúcze. [5] Bettest du unwirdeklichen und|ed 195,285 in aim spotte, so ist es dir unfruhtber. [6] Hest du vil boͤsser gedenke und wilt du dich der nút weren, alz vil du múgest, si verhoͤnnent dir din gebette. [7] Versmahest du gottes geseczte, din gebette versmahet und verwúrfet got ǒch. [8] Bettest du von ainem herten herczen und in sache wise úber dinen nehsten, din gebette toͤ| (140rb) get nút úber al und ist ǎne kraft. [9] Volgest du den reten |ed 195,290 dez boͤssen gaistes, din gebete ist murcze verlorn und verdorben. [10] Wenne du sneller bist ze unendlichen, verkerten werken denn zuͦ guͦtten werken und ander lút mit dir darin bringest, so ist din gebette got kain lobe. [11] Wenne du ǒch wissentlich unreht guͦt hest, wie ǒch daz mit unreht dar kumen sie, so ist din gebette verdorben. [12] Ǒch wenne du bittest unzimliche gebette, wie die genant|ed 195,295 sie, so ist din gebette falsche. [13] Uͤbest du haidensche oder judesche wise und ander unendliche wise und geberde, daz ist wider got gebetten, alz Jhesus Cristus sprichet in den ewangelio. [14] Bettest du mit ungedult, din gebet ist boͤse. [15] Volhertest du nit in dinem gebete und bettest nút me den ain stund oder ain mal und vil und manigvalte zit versumen wilt noch darnach nit me betten wilt, |ed 195,300 daz bringet dir nút lon noch ewig leben. [16] Sind din gedenke und din gemuͤte | (140va) und hercze und sinne und gancze woͤrter und ǒch guͦte werke nút ainhellig nach gottes lobe, so ist allez din betten ǎne alle fruhte und lone und ist got von dir unwert und snoͤde und unmere. [17] Die wise alle schribent die hailigen lerer und ǒch maister in gotlicher kunst und die bebst in den reht buͦchen|ed 195,305 vil und manigfalt, daz ich dir, minnende sel, in kurczen worten beslossen hǒn.


19

[1] Daz du aber, du minende sele, eweklich dester gerner bettest und ǒch wol merkest, daz kain werke kreftiger und mehtiger und ǒch werder sig in den ǒgen gottes, als Augustinus sprichet, so merke nu die kraft, die got verlúhen und|ed 195,310 geben het andehtigen bettern und betterin, alz vil geschriben stat in der hailigen geschrift. [2] Heillig betten stillet den zorn gottes, alz Moyses sprichet in sinem andern buͦch. [3] Betten endert daz urtail gottes, alz daselbe ǒch geschriben stat. [4] Es verkert und wandlet die gottes rǎche, alz wir lesen in der kunig buͦch. [5] Daz andechtig gebette machet die siechen | (140vb) gesunt, alz geschriben|ed 196,315 stat in Salomones buͦch und in dem leben der hailigen zwelf botten. [6] Es lengert daz leben, alz Ysaias schribet, und erloͤsset von dem tod, als Daniel sprichet, und erlediget von truͤbsal, alz in dem leben der zwelf botten stat. [7] Es erloͤset den menschen von scheltworten, alz Daniel wiset und leret. [8] Mit hailigem gebette werdent die boͤssen gaist úberwunden und gefluͤhtiget, |ed 196,320 alz únser herre Jhesus Cristus leret in dem ewangelio. [9] Daz gebette erlúhtet den menschen von innen und von ussen, alz die lerer alle sprechent. [10] Mit betten wirt der mensche zuͦ minne und zuͦ goͤtlicher gnad gezogen, alz geschriben stat in der kúng buͦche. [11] Alle súnde werdent von dem gebette abgenumen, wie si genant sint, grǒs oder clain, alz sant Paulus und sant Jakobus sprechent|ed 196,325 in iren epistel n. [12] Ǒch werdent alle pene und buͦsse mit gebette vergeben und abgenumen, alz die lerer | (141ra) und die reht buͦch haltent. [13] Wol betten erwirbet den menschen gnad, tugent und minne, alz geschriben stat in dem buͦch der zwelf jungern und ǒch in dem ewangelio und an vil andren stetten. [14] Betten erwirbet daz ewig leben und geselleschaft der engel und|ed 196,330 gottes ewig lobe und ere, alz all lerer mainent. [15] Daz hailig gebette erwirbet applas in allen kilchen und bringet ewigen lone und redet mit got und froͤwet sich in got und leret got erkennen und sehen, sprichet Cassiodorus úber den salter. [16] Gebett entfroͤmdet dem menschen alle zitlich gelúste und nimet in von allen weltlichen untugenden und machet den menschen emphehig goͤtlicher |ed 196,335 und gaistlicher gaben. [17] Cassiodorus úber den salter sprichet: Daz hailig gebette kuͤnnet die selen, gebútet den engeln, den hailigen, den menschen, bestetiget den glǒben und meret zuͦver| (141rb) siht; und wahsset davon minne. [18] Es erfrǒwet daz hercze und leret alle volkumenhait und schaidet sich weder von wúrkendem leben noch von schǒwendem leben eweklich niemer, sprichet|ed 197,340 sant Augustinus úber den salter.


20

[1] Nun merke, du minende sel, waz grǒsses nuczes lit an dem hailigen gebette, und volge mir súbenczehenden alten, daz du bettest, alz ich dich geleret hǒn. [2] So wirst du herlich brisen den guldin trǒne, den dir der ewig kúng darumb durch dines gebettes willen berait hǎt.


Zitierhinweis

Der siebzehnte Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

URL: https://otto-von-passau.de/chapter-detail.html?id=O3741944. Abgerufen am: 24.04.2024.