Editionskriterien

Der dritte Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der dritte Alte


1

[1] Der dritte alte leret, waz rúw sig und darzuͦ gehoͤret, und von bihte und von buͦsse und daz darzuͦ gehoͤret.


2

[1] Claͤrlich und betúteclich mit grossurteer vernunft der ander alte, min geselle, dich underwiset und geleret hat, wie du gott suͦchen und vinden und wie du nach im betrahten solt, waz er sige und daz, daz er sige. [2] Nun merke mich, den dritten alten , das ich ernstlich in die grossen notdurft mit flis und mit wishait gesehen hǎn, daz niemant in disem zit ǎn súnde mag gesin. [3] Noch ain kindelin, das erst geborn wirt, daz wirt in súnden geborn, als Leo der bapste sprichet in ainer predige von dem winnaht tag. [4] Wil ich, minnende sele, dich, dritter alter, leren, obe du gottes gemahel werden wilt, wamit du allen súnden entrinnen muͤgest und dich genczlich von in entledigen, wan núczit mag dich von gott geschaiden noch gottes irren denn súnde allain. [5] Davon sprichet Ambrosius vom paradis, daz die súnde ist ain zerstoͤrunge goͤtlicher geseczte und ain ungehorsame himelscher gebot, die den menschen vernihtent vor gott und in gottes murcz berobent. [6] Daz sprichet der und mit im sant Augustinus úber sant Johannes ewangelium.


3

[1] Salomon der leret och in sinen buͦchen, daz der gereht mensche ze súben maln vallet in dem tag und als dicke wider uff stat. [2] Und wenne denn der mensche dick und vil in súnde vallet, so mag er sich ze gotte darnach mit kainen dingen als wol und als gancz keren als mit rehter rúwe. [3] Wan es sprichet Jesus Cristus in dem hailgen ewangelio: 'Haltent rúwe, so nahet úch des gottes riche' und sprichet och zuͦ den súndern: 'Es sige denn, daz ir rúwent, so muͤssent ir alle verderben .' [4] Rúwe ze halten umb din súnde, lere ich dritter alte dich, minnende sele. [5] Wan wer in disem zit umb sin súnde nit rúwet, der wirt in der kúnftigen welt jamer und not gewinnen, darumbe das er hie rúwen versumet het. [6] Wan zemale núczit súnden hoͤret got allain zuͦ, aber dem wisen menschen gehoͤret zuͦ, als balde er gesúndet, daz er sich selber als balde straffe mit ernstlicher rúwe.


4

[1] Es spricht sant Ambrosius in siner epistel ainer: Nu merke, du lutern sele, waz rehte rúwe sige und volge ir, ob du ir bedúrfest. [2] Rehtú rúwe ist ain gnade und ain tugende, daz du in guͦtem fuͤrsacze vergangen súnde klagest und alle súnde hassest und nit mer fuͤrbas hest muͦt ze súnden. [3] Rehte rúwe ist ain súntlich leben verwandlen in ain tugentlich hailig leben und fuͤrbas boͤsen werken entwichen und sich zuͦ guͦten werken ǎn underlǎs keren. [4] Rehte rúwe sol sin inwendig in aller creffte dez herczen und sich uswendig huͤten von aller der materie, die dir ursach geben hǎt oder fuͤrbasz geben moͤhte ze súnden. [5] Rehte rúwe ist kúnftig súnde mit allem flisze verhuͤten und begangen súnde mit clage und mit bitterkait dez herczen emsehclich bewainen mit trehern. [6] Die ist och ain rehte rúwe, die den menschen zehant tribet ze bihtende, als bald er gesúndet het, und der mensch schneller ist ze búszent, denn er waz ze súndent und sunderlich , daz daz laide umb die súnde vil groͤsser sige, denn der geluste waz in der súnde. [7] Gancz und reht rúwe ist, wenne sich der frige will zemale und mit enander keret von dem gelust und begirde aller súnden, si sient toͤtlich oder taͤglich. [8] Es ist och rehte rúwe, daz der mensch solt wellen von allem sinem herczen, daz er kain súnde nie begangen het und darumb woͤlt groszen smerczen liden an sinem libe. [9] Von dem sprichet Innocencius an ainer predige: Gancze rúwe die gǎt drige tag waide von der vinsterung der súnde. [10] Die erst tag waide ist ain verschemen von den súnden, wie vil ir sige. [11] Die ander tagwaide ist ain inwendiges gedenken nach aller gelegenhait der súnde. [12] Die dritte tagwaide ist daz grosz laide und rúwe umb daz male der súnden.


5

[1] Ich wise dich, minnende sele, in trúwen, daz du umb die erbsúnde nit rúwe solt hǎn, won si het der tǒffe abgenomen. [2] Du solt och nit rúwe hǒn umb kain súnde, die du aber tuͦn wilt und nit underwegen lan, noch wenne du genoͤtet werdest zuͦ der rúwe - die da sint ǎn gnade und ǎn fuͤrsacz vervahent nút. [3] Aber ane daz solt du alle zit grosse rúwe hǎn umb din súnde in gemain oder in sunderhait umb toͤtlich oder umb taͤglich súnde. [4] Und muͤgest du es nit volbringen in gewonlichen werken, ob dich ander werke naͤher ze gott wisent, so solt du die rúwe erfúllen in diner begirde und in dinem willen, und die rúwe ist gott genaͤme und wert von dir. [5] Von dem sprichet Crisostonus der guldin munt in dem buͦch von dem valle des menschen: Es ist ain soͤlich guͤtikait in gott ze allen menschen, daz er kainen rúwer versmahet , der sich im lediclich erbútet mit rúwe. [6] Waͤre joch, daz ain mensche aller menschen súnde begangen hett, wil er sich goͤtlicher gnade bevelhen und ergeben, er vindet bi got me gnade und ablassunge , denne er begert oder gedenken mag. [7] Dem glich spricht sant Ambrosius úber sant Lucas ewangelium: Gott wil also sin urtail verwandlen úber den súndigen menschen; ob er sich besren und bekeren wil von sinen súnden, so wil in got gnediclichen enpfahen.


6

[1] Wer mag nu groͤsser, trostiger und nuͤczer aͤrcznie erdenken úber alle súnde, denn rúwe sige? [2] Won es sprichet Richardus úber der tǒgen buͦch: O du rúwe, wie kan und mag ich dich volruͤmen? [3] Wan alle gebunden dinger entloͤsest du, alle widerwaͤrtkait die stillest du, alle krankeit machest du lihte, alle verzagten menschen machest du geherczt in guͦtem fúrsatze. [4] Du vertribest gitkait und schúhest unkúschkait . [5] Du flúhest zorn und verjagest nide und hasse und vertrittest hohffart und vernihtest trakait an gottes dienst, und frashait bist du ungúnstig . [6] Du hassest súnde und untugent und boshait, und du bestaͤtigest alle gnade und minne an dem menschen. [7] Dem glich sprichet sant Augustinus in dem buͦch von den rúwen: Die rúwe die machet siechen gesunt und malatzig frisch, die toten lebendig. [8] Si meret gesunthait und behaltet gnade. [9] Lamme, tǒbe und blinden widerbringet si. [10] Untugent verjaget si und zieret tugent und kreftiget dez herczen gemuͤte . [11] Und darumb so solt du, minnende sele, dich endlicher und starker rúwe flissen, won umb die rúwe so lat gott ab die ewigen verdampnúst und den ewigen tode und lǎt abe daz fegfuͤre und meret gnade und tugent und minne und hilfet dem menschen sterklich ze dem ewigen leben. [12] Darumb sol sich nieman sumen an den rúwen noch nieman sine rúwe sparen bis an das jungste ende und an den jungsten súfczen. [13] Won der mensch wais nit, waz in da zwischent geirren moͤht, und ie e und ie besser ist guͦt und sicher rúwe hǎn. [14] Wa mit verdienet Maria Magdalena aplassunge ir súnde, der schǎcher das paradis, sant Peter die schlússel zuͦ dem himelriche und sant Pauls, daz er wart ain lerer des volkes, und gar vil ander súnder, die alle mit rúwe die ewigen crone verdienet hǎnt und mit rúwe grosz hailgen worden sint? [15] Du solt dich ǒch den boͤsen gaist nút lǎn irren der rúwe, der dir vorbredigen mag, daz die erbaͤrmde gottes grosz sig, daz du jung und starke siest und lang leben moͤgest, daz die súnde clain synd, und dich mit soͤlicher lere betriegen woͤlt. [16] Volge im nit und habe rúwe, als balde du gesúndet hest, und vertilge din súnde mit rúwe, so komest du in der engel geselleschaft.


7

[1] Wan aber dich, minnende sele, rúwe ane bihte ze gott nit geschiken mag denne denne in todes not, so lere ich, der dritte alte, nach der rúwe wie du bichten solt, wan es giht sant Bernhardus in ainer epistel , daz der gerehte mensche ǎne bihte vertailet wirt und undankber gescheczet ist und tode ist vor gott, die wil er in súnden lebet. [2] Aber bihte die git im widerumb daz leben und machet in gerehte und gott wolgevallen. [3] Wilt aber du wol und reht bihten, so volge miner lere. [4] Din bihte sol ainvaͤltig sin und aigen, dich allain selber ze ruͤgende. [5] Und sol ǒch fuͤr dich nieman anders bihten. [6] Din bihte sol diemuͤtig sin, und solt dich lieblos und unwert scheczen vor gott und dem bihter . [7] Und als du dich ie mer vernihtest vor gott, als gott din bihte ie mer guͦt scheczet . [8] Si sol och luter sin us ainer guͦten mainunge und von goͤtlicher vorhte und nit in ainer gestifften und betrognen wise noch in gespoͤtte. [9] Si sol och nit sin in likeri noch glichssender wise, nieman ze kainem wolgefallen denn gott allaine, anders si waͤr unferfangen . [10] Du solt ǒch geloben han und zuͦversiht an din bihte, daz dir got durch diner bihte willen abe welle lǎn din súnde, und kain verzagen niemer darinne gewinnen noch hǎn. [11] Wan got der vermag tusenstunde me súnde vergeben, denn kain mensch gesúnden moͤht. [12] Darumb sprichet sant Jeronimus úber den salter, das Judas, der boͤse, vil groͤsser súnde tett, daz er verzaget in sinen súnden und sich erhankte, denne daz er Jesum Cristum verriett und verkǒffte in den tode. [13] Die bihte sol warhaft sin, daz die warhait der súnde út verswigen werde noch kain falschs darunder út werde vermúschet noch von diemuͤtkait út beschoͤnet werde; noch darinne nit liegen, daz du in der bihte und mit bihten út in súnde komest. [14] Och solt du dicke und vil bihten und sunderlich als balde du in schedlich und in tot súnde vallest, so solt du zehant bihten, daz din werke gott dester neher und dest genemer sien und och dir dest núczer und frutbaͤrer. [15] Wer aber dicke bihtet, der lernet dester basz bihten und wirt dester gnadenricher und huͤtet sich dester me vor súnden und uͤbet tugent dester gerner und ist an allen steten siner sele dester sicher, wie ez im joch ergǎt. [16] Und als die bihte ie schemiger ist, als si dem menschen ie frúchtberer wirt.


8

[1] Davon sprichet sant Augustinus in dem buͦche der rúwe: Bicht ist ain hail der sele, ain zerstoͤrerin der súnden und untugenden und ain widerbringerin der tugent, ain stritterin wider die boͤsen gaist, ain besliesserin der helle und ain uftuͦn dez himelschen paradises. [2] Ez mag ǒch ain mensche soͤlichen ernst, rúwe und lait umb sin súnde hǎn in der bihte, daz alle sin buͦsse und fegfuͤre mag ab geleite werden, als die lerer gemainlich haltent und bewerent daz mit Marien Magdalenen und mit vil andern grossen hailgen, die da mit biht und rúwe aller pin erlon wurden. [3] Bihte sol och blos sin und unverdakt also, daz der mensche sage mit unverdakten worten schlehticlich die werke der súnden und ǒch nieman fúr sich selben lǎs noch haisse bihten noch sin bihte weder mit briefen noch tafeln an worten dem bihte r ze lesende gebe, won soͤlich bihte sind unverfangen . [4] Es sol och nieman bihten mit zaichen und mit ander betútung , ez waͤre denn, daz der mensche als gar siech waͤre, daz er nit gereden moͤht; so mag er sin súnde bihten mit zaichnen oder mit ander betútungan , wie er mag. [5] Der bihter sol och den súnder wisen und leren und fragen, wa er sin notdúrftig ist. [6] Und tuͤge es der bihter nit selber, so sol es der sunder von im schlehteklich haischen . [7] Es sol och der bihter den súnder guͤtlichen und frúntlichen handlen und in doch dabi fast und endlich straffen umb sin súnde und im untugende weren und erlaiden und im tugent lieben und raten.


9

[1] Bihte sol beschaiden sin, daz man die súnde sage, in sunderhait , wa du gesúndet hest, mit weme, wie dicke, an welhen steten, in welhem zit, waz du gesúndet hast, ob ez toͤtlich oder taͤglich sige, und warumb oder durch waz du gesúndet hest. [2] So maht du in der bihte nit irren . [3] Es sol och din bihte willig sin und ungenoͤtet und unbezwungen und gar schemig und doch benúte kain súnde von schamme wegen oder von vorhte underwegen lǎn oder verswigen. [4] Es sol och die bihte als gancze sin, daz du nit ainem solt ains bihten und daz ander ainem andern, won getailte biht ist unverfangen . [5] Es gehoͤre denn ain súnde fuͤr den bapst oder fuͤr den bischoff oder fuͤr ander prelaten , daz sol dir din bihter koͤnnen sagen. [6] Biht sol och haimlich sin und mit wainen und gar mit grossem ernst und rúen und mit andaht . [7] Wan ez spricht Crisostonus der guldin munt: Trehen weschent dem súnder sin súnde ab, der da bihtet mit wainen. [8] Du solt och din bihte nit lange verziehen noch lange uf schlahen , won du waist nit, sprichet Salmon, wenne der zorn gottes und sin rach úber dich verhenget wirt. [9] Und sol din bihte kreftig sin, daz dich der boͤse gaist nit irre an diner bihte, und solt dich selber vast ruͤgen, daz du die súnde me volbraht hest von aigner untugende denne von zwungenhait . [10] Och solt du dich gar und gancze gott und dem bihter bevelhen im gehorsam ze sinde, waz er dich haisset tuͦn fuͤr dine súnde. [11] In der bihte solt du din sinne wol bi dir han und nit gaͤhlingen da von ilen, daz du kainer súnde vergessest, und voran bihten die sweren und grossen tot súnde und darnach die taͤglichen súnde.


10

[1] Wa du gehon muͤgest ainen wol gelerten bihter , der dich endlich geleren und gewisen kan nach der geschrifte, der ist dir vil núczer denne ain ungelerter, der dich und sich selben verwarloset an den selen. [2] Kain bihter solt du dir nemen, der sinnelos sig oder unsinnig oder tǒbe sig oder zuͦ ainem kinde worden sig oder trunken sig oder slǎffe oder in dem banne sig oder priesterl os sig oder zemale ungelert, won der kainer moͤhte dich von dinen súnden enbinden noch usz gerihten .


11

[1] Wenne du an vahest ze bihtent, so sprich vor mit ernst und mit grossem andaht und begirde aines herczen: [2] 'Herre, ich gib mich schuldig unserm lieben herren gott und siner lieben muͦter Marien und allen gottes hailgen und úch priester an gottes stat aller der súnde, die ich gern bihten woͤlt, als vil mich ir gott schuldig waisz, und beger daz ir mir ratend und helfent uf dem weg dez ewigen lebens.' [3] Darnach so flis dich ze bihtend, ob du dich sin schuldig und notdúrftig waist oder dunkest, voran von den súben hopt- und totsúnden und von den zehen gebotten, darnach von dinen fúnf sinnen, darnach von den sehs werken der erbaͤrmde , dar nach von den súben gaban dez hailgen gaistes, darnach von den aht saͤlkaiten, darnach von den zwelf stuken dez gloͤbigengeloben, darnach von den súben hailkaiten, darnach von den hailgen gebotten dez ewangelio, darnach von den geseczten der cristenhait, darnach von den drin kreften der sele, darnach von aller geseczte gaistlicher ordnunge, wie si genant sint in kainerlai wise.


12

[1] Nu solt du von den stuken allen bihten in sunderhait , als vil du kúnnest, oder in gemain , dez du in sunderhait nit enwaist. [2] So mag dir kain súnde engǎn, du komest ir ze bihte. [3] Won ez spricht sant Bernhardus in ainer epistel : Du solt bihte minnen, ob du die crone dez himelriches wilt enpfahen. [4] Wan mit bihte, so wirst du also gerainget vor gottes antlúcz, daz du im ain werdes und ain gemaines opfer wirst, und darumb hab flis zuͦ diner bihte.


13

[1] Wie du, minnende sele, mit tugenden wider alle súnde und untugenden stritten solt, daz din bihte dester rainer werde, daz wirt dich leren min geselle, der zwainczigeste alte, mit allem flis.


14

[1] Du minnende sele, du hast von mir dritten alten vernomen, wie gar núcze und guͦt ist rúwe und bihte ze dem ewigen leben und allen súndern notdúrftig . [2] Wan wer sich der súnde nit entlediget mit bihten, darumb der mensch ewiclich moͤht verdampnat werden, dem waͤre vil waͤger, daz er nie geborn were worden, sprechent die lerer alle. [3] Aber darnach, so lere ich dritter alte, daz buͤssen ist abelegunge der súnde und ain beschliessunge rúwe und bihte. [4] Wan rúwe, bihte und buͦsz sint also zesamen verainet , daz aines ǎne daz ander niht verfahet . [5] Wan ez sprichet sant Augustinus in dem buͦch von rúwen: Dis ist nút ain benuͤge n, ob der mensche von dem boͤsen kert zuͦ dem guͦten, ez sige denn, daz man gott ablege mit buͦsz die súnde, die der mensche volbraht het und gerúwet und gebihtet het. [6] Und daz sol man tuͦn mit kestecunge des libes, in diemuͤtiger wise, mit ainem rúwigen herczen, mit opfer guͦter werke, mit bettan, mit vastan und mit almuͦsen geben, mit wachen, mit disciplinen ze nemen und mit vil andern kestegungen dez libes, der die súnde volbraht het.


15

[1] Wan buͦsz ist, damit man die súnde uszrútet und damit man der súnde gelúste weret , spricht Aristotiles in dem buͦch siner wishait. [2] Buͦsz daz ist ain ercznie fuͤr alle boͤsú werk. [3] Buͦsz ist ain ablegunge aller der súnde, die der mensche ie wider gott getǎn hett. [4] Es vervahet och kain buͦsz, man habe denne vor die súnde berúwet und gebihtet. [5] Und darnach sol man mit der buͦs gott sinen zorn abelegen umb die volbrahten súnde mit guͦten werken widerlegen und mit der buͦse sich fuͤrbas ernstlich huͤten vor kúnftigen súnden, mit allem flisze und ernst.


16

[1] Es belibet kain súnde ungebuͤsset aintweder hie in disem zit oder doͤrt im fegfuͤre oder in helle denn allain die erbsúnde , die nimet der tǒffe ab. [2] Und ǎne den tǒf wirt si gebuͦsset ewenclich mit dem mangel gottes anblike, ze niessen sin gothait und der ewenclichen enberen , und daz ist gar ain grosze buͦs. [3] Aber taͤglicher súnde buͦsse wirt abgenomen mit unsers herren fronlichnam ze enpfahen, mit wichwasser ze nemen, mit tǒffe, mit vasten, mit almuͦsen gen,gen mit dem hailgen pater noster , mit ernst an daz hercze und brust klǒpfen, mit gemainer bihte und schulde sprechen, mit aines bischofs segen, mit oͤlung und firmung , mit herczen rúwe , mit messe hoͤren und dez priesters segen nah der messe. [4] Dis schribent alles die baͤbste in den rehtbuͦchen: Daz man ain ieclich todsúnde súben jǎr buͤczen solte und etlichen vierzehen jar, etlich bis an den tod. [5] Won aber die menschait krank ist und och darumb, daz der sunder út kume in ain verzagen, so hant die baͤpste bevolhen allen rehten bihtern ledikait , frihait aller súnden buͦsz nach mer und nach minder súnde. [6] Wan ez spricht Crisostonus der guldin munt úber sant Matheus ewangelium: Ez ist vil waͤger, der bihter werde von gott gestraffet umb erbaͤrmde denne umb hertikait . [7] Wan wa unser herre Jesus Cristus dem súnder milt und guͦt ist, da sol sin verweser , der bihter , nit herte und scharpfe sin, das der súnder in clainer buͦsz dester groͤssern ernst gewinne und von der buͦs wegen mit ainem verzagen út wider in die súnde valle. [8] Du solt die buͦsse volbringen in gehorsami , also dich din bihter haiset, und zehant ǎne alles verziehen und da zwúschent dich huͤten vor súnden; und solt sú volfuͤren mit andaht und mit ernste und in grosser begirde dines herczen und mit fuͤrsatze, nit me ze súnden. [9] Won ez sprichet Ysidorus an dem buͦche von dem hoͤhsten guͦt, daz der mensche sin buͦsz reht und wol vollebringet, der alle zit die súnde versmahet und sterklich in der buͦsz umb die súnde wainet und die súnde grosz ie mer claget nach dem, als die súnde grosz warent. [10] Es spricht sant Bernhart in dem buͦch von den sehs fetichen des seraph : Ist in diner buͦsz din ernst und clage nit alz grosze, als din gelust waz in der súnde, so ist din buͦsz nit fruhtber . [11] Und won du nit waist, wenne du genuͦg buͤssest, so ist notdúrftig , daz du e me buͦssest e minre. [12] Won dez guͦten kan niemer ze vil gesin, und was dir úber die buͦsse vor stat, daz leit dir got in den ewigen lon. [13] Es spricht Sant Gregorius in siner buͦch ainem also: Gott wirt nit gefuͦret mit unser pen, aber die krankait - unser súnde - die arcznet er also, daz die mit grossem wolluste der úpikait von im entwichen sint, daz sú mit wainen und mit bitterkait herumb zuͦ im kerent; und die mit unczimlichen sachen von im gevallen sint, daz si mit kreftiger múglichait wider uf stan und sich zuͦ dem keren, der in niemer entwichen wil. [14] Und der vil gesúndet und gott betruͤbet hat, der sol vil buͤssen und ablegen . [15] Dis alles lere ich dritter alte dich, minnende sele. [16] Volgest du mir, so wirst du selig an libe und an sele und besiczest herlich den guldin trone. Amen.


Zitierhinweis

Der dritte Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

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