Editionskriterien

Der vierzehnte Alte

Leithandschrift
Ka1 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. St. Georgen 64
Kontrollhandschriften
Ka2 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 241
Ka3 Karlsruhe, Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 242
St3 Stuttgart, Landesbibliothek, Cod. theol. et phil. 2° 144

Der vierzehnte Alte


1

[1] Der vierzehende alte leret von der goͤtlichen geschrifte und kunst und von irem ruͦme und wie man ir volgen sol und was si grǒsses nuczes schaffet .


2

[1] Ob aller lere, die ieman geleren oder mag, so ist daz hailig ewangelium und die lere Jhesu Cristi die aller hoͤhste und hailigest. [2] Won got der vatter het si úns selber gesant durch sinen aingebornen sune, alz er selber sprichet in dem ewangelio: 'Min lere ist nút min, si ist des, der mich gesendet het.' [3] Und ǒch an ainer andren stat sprichet únser herre in dem ewangelio: 'Wer us got ist, der hoͤret daz gottes wort gern. [4] Und wenne alle dinge zergand, so zergaut daz gottes wort niemer und belibet eweklich.' [5] Dis und ander sprúche, lere und wisunge vil raiczent mich vierzehenden alten darzuͦ, wie ich dich, minende sele, darzuͦ wisen múg, daz du in der schuͦl der hailigen geschrift goͤtlichen lere und kunste lernen múgest, damit du dich fuͤgest zuͦ dem guldin trǒne. [6] Won die hailig geschrift und goͤtliche lere lernen und daz wort gottes und guͦt predige ist alles ain sinn und ain materie. [7] 'Und wer mit flisse die liset und si mit ernst in sin hercze schribet und behaltet , der ist selig', sprichet únser herre in dem ewangelio.


3

[1] Ich vierzehender alte lere dich, minende sele, goͤtlich kunst ze studieren nach der wishait, von der dich min geselle der drizehende alte vor mir geleret het. [2] Won es sprichet die glǒse úber Matheus ewangelium, daz kain mensche wishait gehaben mag noch verstǎn múge, der da manglet des liehtes goͤtlicher lere und kunst, die in ir alle wishait beslossen het. [3] Goͤtlich geschrift ist guͦt zuͦ allem dem leben, daz got wol gevallet und ain iegliche mensche in zit gehaben mag. [4] Und darumb, waz dich, minende sele, alle alten vor mir geleret hǎnd, des hǎnd si dich gewiset us goͤtlicher kunst. [5] Und dabi merk, daz den guldin trǒne der geminten sele nieman gezieren mag ǎne die hailigen geschrift, won si ist ain muͦtter der goͤtlichen kunst. [6] Es mag ǒch ǎne die goͤtlichen kunst nieman in kainem goͤtlichen leben zuͦ nemen noch got wol gevallen, es het denne ain mensche ingegossen kunst von dem hailigen gaiste, die doch durch den hailigen gaist nút allermenglich geben wirt. [7] Es teͣtt denn gar grǒs not, alz es tet den hailigen zwelfbotten an dem anvange der cristenhait.


4

[1] Merke, waz Jeronimus schribet úber den salter von dem ruͦme der hailigen geschrift und sprichet: In der hailigen goͤtlichen kunst vindet der mensche alles daz, daz zuͦ sinem nucze gehoͤret und zuͦ allem leben. [2] In der geschrift vindent kindelin, was si sugen súllen, kint, waz si lernen súllent, knaben, was si loben súllent, júngling, damit si gestrǎffet werdent, mannen, weme si volgen súllent, die alten, was si anbetten súllen. [3] Jungfrǒwen vindent scham, megde bluͦghait , frǒwen behuͦte und zúhtigen wandel. [4] In der hailigen goͤtlichen geschrift vindent die wisen iren vatter, witwen iren rihter, arme iren schirmer, bilgerin und fremden iren wirt und enpfaher , kúnge ir wishait, richter ir vorhte, die trurigen iren trǒste, die froͤlichen ir messekait, die zornigen ir stillung e , maister ir kunst, júnger ir lerunge. [5] In goͤtlicher kunst wirt úns got gezoͤget, abgoͤtter wirt gespottet, guͦtter gelobe wirt gemeret und gebraitet, untrúwe wirt verdampnet, gerehtekait wirt geoffenet , súnde und bǒshait vertilget , erbermde wirt gelobet, warhait erkant, falschait vertriben. [6] Und vindet man ǒch in goͤtlicher kunst lere, damit man got minnen lernet und eweklichen schǒwet und nússet. [7] Dem gelich sprichet Petrus von Ravenne in siner epistel ainer: Aller wicze und wishait kraft lit an goͤtlicher lere. [8] Sol man lant beschirmen und fride in dem volke machen, warhait halten , falschait vertriben , tugend uͤben , untugend fliehen - daz gǎt alles us goͤtlicher kunst und lere. [9] Won in goͤtlicher kunst vindet der wiczig, daz er noch wiser wirt, der strittet, daz kuͦnhait in im wachset, der tugentlich wirt gesterket, der fúrste, wie er sin volke usrichtet , und alles gelúke gǎt diser welt und kumet us goͤtlicher geschrift. [10] Da von schribet Paulus den rǒmern und sprichet: 'Alles daz geschriben ist, daz ist geschriben zuͦ únser lere alzo, daz wir durch die geschrifte gedult und trostung hǎnt ze aller zuͦversicht .'


5

[1] Won nun die goͤtlich geschrift dich leret alles daz, daz dem menschen notdurftig ist ze dem ewigen leben, so rǎtet dir, du minende sele, Jeronimus an dem buͦch von den jungfrǒwen also: Die goͤtlich geschrifte solt du dick und vil lesen und hoͤren predigen und leren und sol ir leczgen von dir niemer entwichen, won in ir und mit ir verstǎst du allen den willen gottes. [2] Si vertribet dir alle boͤsse werke und gebúttet dir alle guͦte werke ze uͤben und verliht dir haimlichait und bringet dir goͤtliches niessen .


6

[1] Alle materie der goͤtlichen lere ist nút anders denne Jhesus Cristus gar und gancze alz ain hǒpt mit allen sinen gelidern, sprichet die glǒsse úber den salter. [2] Die hailig lere ist gottes munt, dadurch wir geleret werden, wie wir zuͦ goͤtlichen gelúbden gezogen werden und von irdescher vorht entfremdet , daz wir in goͤtlichen gebotten dester bas múgent wandelen und suͦchen mit húpscher kluͦghait. [3] Si suͦchet, wie man in minnen erhiczet sol sin, sprichet sanctus Bernhardus úber der minne buͦch.


7

[1] Es schribet ǒch Ysidorus: Wer wol und reht leren wil die goͤtlichen kunste, der sol gemain lere allermenglichen leren und himelsche dinge lúczel menschen verjehen und offenbar lere nieman verzihen ; und was verborgen und haimlich ist, sol man allain guͦten frúnden sagen. [2] Aber Gregorius, der aller beste lerer ainer, sprichet in goͤtlicher geschrift, daz man den súnder, durch des willen got ist mensche worden, bekerte von sinen súnden, won daz ist vil groͤsser, denne daz der lere maister ainen toten lebendig machet. [3] Es sol ǒch der lerer dem súnder guͦt zuͦversicht zuͦ got nit under ziehen noch verbergen mit herten worten und sol in doch dabi halten , daz er doch us gottes vorhte nút entwiche, so ist die lere guͦt. [4] Es schribet ǒch Gregorius an ainer andren stat: Der lerer sol den guͦtten menschen wisen ainer seligen und bestanden gruntveste , der hailigen geschrift, und sol den boͤssen leren mit dem spicze redelicher straffunge, die vorhtsamnen sterken, die zornigen gestillen , die traͤigen erkúfern , die fullen ermúndern , den verherten guͤtlich zuͦ kǒsen , die verzaggten troͤsten also, daz die ussprecher goͤtlicher lere sient ain milter weg und wisung zuͦ ewigem hail. [5] Und die daz haltent , daz sind gereht guͦt lerer der hailigen geschrifte, sprichet Gregorius. [6] Es sprichet ǒch Augustinus an dem buͦch von der bihte: Die aber die goͤtlich lere nút kúnent in worten us predigen noch die menschen in stimmen leren, die flissent sich aber guͦtter werke und endliches andaͤhtiges gebettes und hailiger gedenke und seliger betrahtung von got, die lerent sich selber die goͤtlichen kunst und ǒch die ander mit inen mit irem guͦttem bilde.


8

[1] Der mensche ist ain tore, der wenet etwas kúnen und doch núczet kan und wol lernen moͤht und nút lernet noch lernen wil und guͦt kunst sicht und hoͤret und si versmahet und darzuͦ gelerter lúte spottet und si und ir lere vernihtet. [2] Won es sprichet Cesarius in ainer predige: Wilt du vil guͦttes erkennen und wissen und ǒch uͤben und guͦt uͤbung erfúllen, so hoͤre die goͤtlichen lere gern, won si kumet von dem hailigen gaist, es si denne, daz der hailig gaist des menschen hercze inwendig erfúlle mit gnaden voran, so ist alle die lere uppig und unverfangen , die man ieman tuͦn oder geleren mag. [3] Daz sprichet der und hillet mit im Gregorius und Augustinus. [4] Es ist in zit nút bessers, den goͤtlicher lere volgen und si hoͤren und lernen und von ir niemer entwichen. [5] Und darzuͦ hǎt únser herre Jhesus Cristus zemal grǒs flisse, wie er iegliches mensche, daz im zuͦ gehoͤret, ze dem ewigen leben fuͦret; er prediget den subtilen húbschen, kluͦgen und tieffe sinne, den groben und slehten mit bilde und mit bizaichen , mit gelúchnúst wort und werke. [6] Den gelichsenern und den betriegern prediget er hertekait , den súndern rúwe und erbermd. [7] Den rúwigen prediget er miltekait , den uͤbenden ewigen lone und den schǒwenden , daz si sinen vatter mit im sehen und niessen súllent. [8] Und den boͤssen prediget er die ewigen verdampnúst , alz wir an dem ende vindent in dem hailigen ewangelio manigvalt.


9

[1] Davon redet Jeronimus úber Salomones buͤcher aines und sprichet: In diser welt het úns got geben ain kosper spisse und tranke an sinem hailigen frǒnlicham und sinem kostbaren bluͦt. [2] Und also kostbarlich werdent wir ǒch gedrenket mit der hailigen geschrift und lere, die úns geben wirt und flússet us dem goͤtlichen munde. [3] Dem gelich sprichet Augustinus an ainer predige: Wer daz goͤtlich wort unendelich versumet oder versmahet oder spottet, der súndet alz grǒsklich, alz der únsers herren frǒnlicham mit unfuͦr an den hert vallen muͦtwilleklich lies. [4] Es schribet Ambrosius in ainer predige von der vasten: Der gespiset wirt mit dem wort, bedarf nút irdenscher spise. [5] Er mag ǒch nút begeren der welt brǒt, der gespiset wirt mit Jhesu Cristi lere, won sin lere ist daz himel brǒt. [6] Er sinnet ǒch nit sines libes spise, der mit der kost der himelschen worten gespiset und gefuͦret wirt, won goͤtliche lere ist ain settunge der sele, die in goͤtlichem usbrechen durchsmelczet alles gemuͤte und hercze und krǎft des menschen. [7] Aber die goͤtlich geschrift mag nit suͤsse sin in des menschen gemuͤte , des hercze alle zit vol ist schelklicher und boͤsser súnde und bitterkait verkerter wise. [8] Jhesus Cristus sprichet in dem ewangelio wider den boͤssen gaist: 'Der mensche lebt nit allain des brottes, sunder er lebt ǒch der wort, die fliessent us dem munde gottes.'


10

[1] Goͤtliche kunste und der hailigen geschrift lere ler ich vierzehender alte dich, minende sele, getrúlichen ze volgen, alz si úns verschriben ist in der alten und in der núwen e mit allem flisse also, daz ain ieglich mensche alles daz leben darinne vinden mag, damit es daz ewig leben verdienen mag und damit es got mag alle zit wol gevallen. [2] Darumb sprichet Jeronimus in ainer epistel : Lise dick und vil die hailigen geschrift mit flisse und mit studieren, so fliehent von dir alle untugende. [3] Won si leret dich Cristus lere nach volgen und leret dich ǒch der lieben hailigen leben erkennen und keret dir din hercze und din gemuͤte ze allem andaht und hailigkait und machet dir got zuͦ ainem ewigen frúnde. [4] Daz sprichet der und hillet mit im Gregorius. [5] Es sprichet Katho, daz des menschen leben ǎne lere und kunst ist ain tot bilde. [6] Es sprichet Beda úber Lucas ewangelium: Jhesus Cristus het úns erzoͤget in im selber mit werken, daz er úns ingaistet het mit goͤtlicher lere, und het úns mit sinem bilde geoffenet , daz er mit goͤtlichen gebotten gehaissen het. [7] Nun merke, wie got in der alten ee goͤtlich kunst den menschen geleret het durch Moysen, damit und darus din leben sich vor got erzoͤgen sol. [8] Er sprichet: 'Ich bin din herre und din got allain. [9] Du solt kainen andern got anbetten noch dir gelichnúst machen in himelrich und uf erden. [10] Du solt minen namen nit unnuczlich nemmen , noch sunentag enteren. [11] Vatter und muͦtter solt du eren und nieman toͤten, nút unkúsche sin und nieman stellen , nút falsche gezúgnúst tuͦn wider dinen nehsten , nút dines nehsten guͦt noch wip begeren in kainerlayge wisse.' [12] Behaltest du die lere, so lebest du eweklich. [13] Die alten ee leret úns ǒch an dem dritten buͦch Moysen die goͤtlich geschrift also: ' Ir sond nút liegen, und sol nieman sinen nehsten betriegen. [14] Du solt dinem nehsten kain trugnúste tuͦn noch in mit frevel under dich nút truken noch im sin lidlǒn nút absprechen noch vor halten . [15] Du solt den toͤben nit fluͦchen noch fúr den blinden kain wirserunge legen und solt got fúrhten und nút tuͦn, daz boͤse sie, und solt den nehsten nit unreht urtailen. [16] Schecze nút des armen persone , und des richen antlút solt du nút eren. [17] Gereht urtail gib dinen nehsten und bis kain súnderer noch verwerer des volkes. [18] Bis nút wider daz bluͦt dines nehsten und hasse dinen bruͦder nút in dinem herczen und strǎffe in offenlich und halt kain súnde uf im. [19] Du solt kain rǎche úber nieman begern und gedenke nút, ob man dir unreht tuͦge.' [20] Halte dis geseczte , alz si alle got gebotten het in der alten ee, so wirst du behalten , won es ist die hailig geschrift.


11

[1] Die lere alle mag nieman volbringen, sprichet Augustinus, denne mit grǒsser gedulte und mit ainem geflissem andehtigen herczen und gebette. [2] Daz sprichet der an dem buͦch von der cristenlicher lere. [3] Er sprichet ǒch an dem selben buͦch, daz etlich lesent die hailigen geschrift darumb, daz si die wort behaltent , und versument doch, daz si den sinne der hailigen geschrift nút verstand. [4] Etlich lesent die hailigen geschrift und lǎnd die woͤrter varn und legent die sinne ze herczen. [5] Aber die sind die aller besten lerner, die da woͤrter und sinne behaltent und in mit ernst volgent. [6] Won es sprichet Jhesus Cristus in dem ewangelio: 'Selig sind die, die daz gottes wort hoͤrent und es behaltent .' [7] Wie aber únser herre Jhesus Cristus die goͤtlichen kunst und geschrifte geleret het in der núwen ee, daz bewisent die gebotte des hailigen ewangeliums, also úns Lucas und Matheus schribent. [8] Er leret úns also: 'Du solt barmherczig sin, alz din himelscher vatter ist, won die erbarmherczig sind, die sind selig und volget in goͤtliche erbermde nach. [9] Du solt nieman verurtailen, daz du nit verurtailet werdest, und nieman verdampnen, daz du nút verdampnet werdest. [10] Du solt dinem nehsten vergeben und ablǒn , daz dir ǒch vergeben und abgelǎssen werd, und solt almuͦssen geben, so sind dir alle ding rain und guͦt. [11] Des du erlǒn wilt sin, des solt du dinen nehsten erlǒn. [12] Daz du wellest, daz man dir tuͦ, daz solt du ǒch dinem ebenmenschen tuͦn. [13] Rache solt du úber kainen menschen geben und solt fúr die bitten, die dich hassent und dich durchehtent . [14] Din viend sol du minnen und solt ee den trome stossen von dinen ǒgen, ee du die muggen vertribest von dines nehsten ǒgen. [15] Allermenglich solt du dich erbietten und solt dich huͤtten vor valschen propheten, daz du von in út betrogen werdest. [16] Din gerehtekait solt du nit tuͦn vor den lúten durch ruͦmes willen. [17] Du solt bitten, so wirt dir geben, und solt suͦchen, so vindest du, und klǒpfe an, so wirt dir uf getǒn. [18] Mit ernst solt du vastan und ǎne underlǎs betten. [19] Hailikait und margariten lege nit fúr die unbeschaidenen . [20] Daz ist alz vil, daz die guͦt lere und leben nút tragest fúr die, da es unverfangen sie, also daz din und diner lere út gespottet werde. [21] Wer dir dinen rok nemen welle, dem lǎs den manttel darzuͦ, und wer dich an ainen bagen slahe, dem hab den andern ǒch dar. [22] Umb kain gelúhen guͦt solt du wocher nemen. [23] Wer dich vor geriht bekúrnern oder bekriegen welte, dem solt du entwichen, und huͤ t dich vor allen frevel .' [24] Mit disen gebotten allen lerte únser herre Jhesus Cristus die goͤtlichen geschrift und mit gar ander suͤsser lere und herlicher lere und gebott und wisung und reden und sprichet also: 'Behaltent ir min gebotte, so belibent ir in miner minne und kument denne zuͦ dem vatter und gewinnent ewig wonung bi im.' [25] Dis gebot und die goͤtlich kunst, sprichet Rabanus úber Moses buͦch, alz Moyses gesprochen het in der alten ee und úns nun Jhesus Cristus leret in der núwen e, nit sind allermengliches lere denne sunder den, die sich vast hoͤhent und verainent und verinnent in got und mit got ǎne alles mittel und sich im naͤhent mit aller volkumenhait und die Jhesu Cristo nach volgent in allem sinem leben. [26] Und darumb sprichet Ysidorus : Lerne, daz du etwas guͤttes kúnest, daz dir eweklich guͦt werden mag, daz du vor got út unendelich gescheczet werdest.


12

[1] Wilt aber du, minende sele, merken, wie die junger Jhesu Cristi die hailigen geschrift hant usgeriht und usgesprochen, so lerne, wie Petrus schribet in siner epistel : [2] 'Legent muͤrcze von úch alle boshait und alle trugnúst und nid und hass und nachrede und hinderrede und sont innen sin alz die núwe gebornen kindelin in beschaidenhait ǎn alles triegen und ǎne valsche darinne wahsen, so werdent ir got genem . [3] Ir sond úch ǒch ǎnen flaischlicher gelúste , die wider die sele strebent, und under den menschen hǎn ainen hailigen wandel guͦtter werke. [4] Frige sond ir sin alz die diener gottes und kain behenkunge und verdakung han in der frighait und boshait. [5] Allermenglich sond ir eren, bruͦderlich minne hǎn, got fúrhten in aller undertenikait . [6] Daz ist die gnade gottes: ain goͤtlich consciencie hǎn und darinne trurkait, aber unrehtekait gedulteklichen liden und vertragen alle widerwertekait , in dem gelǒben ainmuͤteklichen betten, barmherczig, messig und demuͤtig sin, nút úbel wider úbel tuͦn noch fluͦchen umb fluͦchen erbietten , und sond allermenglich wol zuͦ sprechen. [7] So gewinnen wir gottes segen. [8] Der sin leben wol minen wil und guͦt tag sehen, der sol sin zungen zwingen von boͤssen worten und sinen munt, daz er sitteklich rede. [9] Er sol dem boͤssen entwichen und daz guͦt uͤben und fride suͦchen und dem volgen und ǎne underlǎs berait und geschiket sin ze aller hailikait.' [10] Dis ist alles der wille gottes, mit dem úns Petrus lerte die hailigen geschrift. [11] 'Und wer ir volget, der het hie ain volkumen leben und gewinnet dert ain selig leben', alz Petrus sprichet in der selben epistele . [12] Gregorius sprichet: Aines gelerten mannes rede und wissunge ist alle zit núcze und guͦt, won wer den hoͤret und sin kunst merket, der lernet, daz er vor nit kund, und wirt damit gebessert, oder er merket, daz er sin nit kúnde ain suͤnnunge ist. [13] Darumb het got vil guͦtter, núczer lere sinen jungern gegúnen ze sprechen us der hailigen geschrift, darus wir lernen súllent, des wir bedúrfen zuͦ dem ewigen leben und daz wir doch von natúrlichen sinnen von úns selben nit gehaben múgent.


13

[1] Wie úns aber der lieb Paulus der hailigen kunst und geschrift leret nach volgen, wise ich vierzehender alte dich, minende sele, an siner epistel . [2] Er sprichet also: 'Ernúwerent den gaist úwers gemuͤtes und legent an ainen núwen menschen, der nach got geschaffen sie in gerehtekait , in hailikait und in warhait, und legent von úch alle lúginen. [3] Und ieglicher rede warhait mit sinem nehsten , won wir zesamen gelidet sind. [4] Ir sond dem túfel kain stat geben, und kain boͤsse rede sol von úwerm munde nit kumen, und betruͤbent nit den hailigen gaist gottes, mit dem ir gezaichent sind. [5] Alle bitterkait und zorn und unwirdeschait und geschraige und schelten und alle boshait sond ir alles von úch triben und sond under enander guͤtig sin und erbarmherczig sin und nach volgen Cristo, dem lebendigen gottes sune, und wandelent in der minne, alz úch Cristus geminnet hǎt, der sich selber gegeben hǎt in ain opfer des suͤssen smakes und gelustes . [6] Aber unsuberkait, gitekait , boshait und torehte rede und verlǎssen spil, daz hailigen lúten nút zuͦ gehoͤret, sol in úch nit genant werden, aber dankberkait gottes sond ir erfúllen. [7] Und sond úch nút lǎn betriegen mit uppigen worten, won die fruͦhte des liehtes ist in aller guͤtekait , gerehtekait , hailikait und warhait. [8] Sehent wie ir sicher wandelent (nit alz die unwissen sunder), erkennent wislich den willen gottes und werdent erfúllet des hailigen gaistes. [9] Und daz ir under úch selben múgent gereden und singen in dem psalmen und ander lob und goͤtlich kunst mit aller dankberkait gottes.' [10] Dis alles schribet sanctus Paulus in ainer epistel , die haisset 'ad epheseos' und ist alz gar vil lere darinne beslossen. [11] Volgest du ir, du wirst iemer eweklich selig.


14

[1] Die hailig geschrift ist ain soliche vaisse waide, sprichet Jeroninus úber den salter, daz si in ir hǎt alle zarthait . [2] Und was du begerest, daz wirt us dem gottes wort geborn. [3] Die hailig geschrift leret dich verstǎn den willen gottes und verbúttet dir boͤsse werke und verliht dir nút laid und rattet dir zuͦ volkumenhait. [4] Du solt die goͤtlichen kunst dick und vil mit ernst lessen, so siehest du darinne alz in ainem claren spiegel, wie du boͤsse ding strǎffen und besseren solt, schoͤne und núcze dinge erwellen solt und die aller schoͤnest und besten sache behaben und eren solt, won es ist nit in disem leben, daz den wisen menschen vor twangsal und betrúbesal alz wol behuͤten und beschirmen múge als die hailig goͤtlich lere. [5] Daz sprichet er úber den salter und ǒch úber sant Paulus epistele 'ad epheseos', alz davor geschriben stat. [6] Es sprichet ǒch Paulus von den hailigen gottes worten in ainer andren epistel : 'Ir sond úch claiden alz die erwelten hailigen gottes frúnd mit goͤtlicher minne in erbermde , in guͤtekait , in demuͤtekait , in gedult, in fride gottes und in aller wishait, also daz daz wort Cristi in úch wone, und alles, daz ir tuͦnd in worten und in werken, daz sond ir tuͦn in dem namen únsers herren Jhesu Cristi in dankberkait sines vatters.' [7] 'Wir bitten úch ǒch, daz ir die ungestuͤmen straffent und die erschroken troͤstend und siechen enpfahent und gedultig sient alle zit. [8] Den hailigen gaist und guͦt vermanung sond ir nút von úch slahen und triben noch in úch erleschen und wissung nút versmahen . [9] Alle ding sond ir versuͦchen , und daz guͦt si, daz sond ir behalten und úch aller boͤsser ding und bilde ab tuͦn, so werdent ir von dem fridlichen gehailiget, also daz úwer gaist und sel und lip in kain klage von dem herren Jhesu Cristi niemer gevallent.'


15

[1] Die hailig goͤtlich kunst und geschrift die leret uns in der alten und núwen ee alles, daz úns guͦt und núcze ist ze lib und ze sele inwendig und uswendig alz gar benuͤglich , daz Hugo von sant Victor davon geschriben het in dem buͦch von der arche Noe und sprichet: Goͤtlich lere ist daz buͦch des lebens, ain ursprung der ewekait, ain erkantnúst gottes, ain lieplich wesenhait . [2] Ir buͦchstaben mag nieman verdilgen , ir anblúk ist lustig und begirlich , ir lere ist lichte, ir kunst ist suͤsse, ir grunt ist grundlǒs , ir worter ist ǎne zal vil, und ist doch ain wort, in dem alle ding beslǒssen sind. [3] Er sprichet ǒch in dem buͦch von der sele: Núczit ist in disem zit suͤsser ze enfinden, núczit begirlichers ze empfahen, núczit schaidet den menschen bas von ungeordenter minne diser welt, núczet schirmet den menschen bas von bekorunge , núczet fúrdert den menschen bas ze allen guͦtten werken denn die arbait und der flise und daz studieren goͤtlicher lere und der hailigen geschrift. [4] Won was si leret, daz ist die ewig wishait, was si gebútet, daz ist die ewig guͦtekait und miltekait , waz si gehaisset , daz ist die ewig selekait und hailikait.


16

[1] 'Es sind aber laider gar vil menschen, die goͤtlicher lere nút enachtent noch goͤtlicher kunst und die hailigen geschrift weder hoͤren noch liden wellent', sprichet Paulus. [2] Und in ir begirde so erwellent si in selber maister úppiger lere und kerent sich von der warhait und folgent guͦtter lere nút und folgent falscher lere nach und verkerten sinnen und erdahten meren und gestifter , betrogner geschrift, die dick und vil mit kczerie und mit zobrie und mit betrugnúste und mit karactern des boͤssen gaistes gehandelet und vermúschet sind und sagent von helden und von stritten, von spunczieren , von luͦdern, von dichten und von lsbuͤchlin und von vil aberglǒben und von allen andren wundern , die alle sind wider die hailigen geschrifte und wider got. [3] An soͤlich geschrift und lere und kunst solt du dich, minende sele, zemal núczet keren noch in nút volgen, won man verlúret daz zit mit soͤlicher úppigkait und úppiger lere und ist unverfangen und wider got und bringet gar vil súnden, darumb der mensche muͦs got swere rechnung geben. [4] Huͤte dich vor schedlicher lere und túfenlicher kunst, si wisent dich von got und fuͤrent den menschen zuͦ dem boͤssen gaist und bringent in zuͦ vil verkerter und túfelscher bekorunge . [5] Es sprichet Crisostomus der guldin munt úber Matheus ewangelium, daz under tusent weltlicher sagmeren und gestifter , betrǒgner lere vindet man kum ain gancz warhait. [6] Was vervahet in weltlicher betrogner lere zuͦ nemen und in goͤtlicher dichtunge abnemen , sprichet Ysidorus an dem ersten buͦch von dem hoͤhsten guͦt, und zergenklichem richtuͦm nach volgen und himelsche kunst und lere varen lǒn? [7] Soͤlicher verbotten buͤcher und unnúczer lere solt du fliehen und miden durch der minne willen, die du hǒn solt zuͦ goͤtlicher lere. [8] Si hant uswendig schinnenden glancze und suͤsse wort, aber inwendig sind si wan und leͣre aller tugend und wishait. [9] Kere dich nút an si, won si sind behefte mit des boͤssen gaistes gespenst .


17

[1] Es schribet Terrencius in dem buͦch von den sitten: Es ist kain lere als guͦt, verkerte herczen múgend boͤsse sinne darus ziehen. [2] Aber in dem guͦtten werdent alle ding guͦt. [3] Es sprichet Ovidius in dem buͦch von der trurikait: Ain guͦtter lerer weket den menschen von allem laid und bringet im ǒch lǒb, daz er wahset in tugenden ǎne mǎssen vil. [4] Johannes Crissostomus der guldin munt sprichet: Alz ain mensche mit boͤssen ǒgen bas gesicht in der vinstrú den in der sunen, also sind die weltlichen menschen me genaiget zuͦ weltlichen buͦchen den zuͦ der gaistlichen goͤtlichen kunst und zuͦ der hailigen lere. [5] Es sprichet Augustinus in dem buͦch von der cristenlichen lere, daz der lermaister goͤtlicher geschrift guͦtte ding leren sol, die den menschen gebesseren múgent und swache und boͤsse irresalunge mit worten, mit werken vertriben .


18

[1] Ich rǎt dir ǒch mit allem flisse, daz du die geschrift der alten und der núwen ee dick und vil mit andǎht und ernst lesen solt, es sie in túsch oder in latin, ob du latin verstandest. [2] Und der hailigen lerer ler solt du wol behalten und si inneklich ze herczen legen und si endelich und ernstlich merken und in vast volgen, won der hailig gaist het die warhait goͤtlicher lere und kunst durch si gesprochen. [3] Ǒch der hailigen leben und der alten guͦten vaͤtter leben und getette solt du vil lesen und ir selig leben vast und sterklich in dich bilden, won daz bringet dir gar grǒssen andǎht und verainunge ze guͦten werken und kert dich billich uf dich selber mit angedenken und erkennen din selbes. [4] 'Ir sond ablegen alle unsuberkait und úberflússekait der bǒshait und in guͤtekait sond ir enpfahen daz ingedruket wort, daz behalten mag úwer selen', sprichet sant Jacobus in siner epistel .


19

[1] Es sprichet Bernhardus úber der minne buͦch, daz got die hailigen geschrift in dis welt gesendet het durch die hailigen drivaltikait , daz úns der ewig vatter daz himelbrǒt der goͤtlichen lere gesant het, damit der sune sin warhait und wishait in úns geseiget het, der hailig gaist sin minne und guͤnlichait in úns gegossen het, die engel darzuͦ in úns ir sttlichen beliplichait , die zwelf botten ir nachvolgung und ir anhaftunge an úns geleit habent, die martrer ir kraft, die bihter ir gerehtekait , die jungfrǒwen und die megd ir maͤssekait und ir rainkait in úns gepflanczet hant - alles mit der lere der hailigen geschrift und mit irem seligen leben und andehtigen dingen, daz si geleret hǎnd in der goͤtlichen kunst. [2] Anshelmus sprichet in dem buͦch von der gnade und frigem willen also, daz der almehtig got mit sinen wundern und gewalt himelrich und ertrich frielich gemachet het ǎne allermenglichs hilfe und ǎne alle samen. [3] Also hǎt er ǎn aller menschen hilfe und kunst in die hailigen propheten und zwelf botten und ander lerer herczen gossen die hailigen geschrift, damit der menschen gemuͤte und hercz und sele also durchlúhtet werdent, daz man nút bessers noch núczers geleren mag noch gepredigen zuͦ dem ewigen riche, denn die goͤtlich kunst ist, die der hailig gaist mit zaichenlicher begirde in úns getoͤwet und gegossen und getungen het. [4] Ambrosius sprichet: Von wem die warhait iemer gesprochen wirt, so kumet si doch von dem hailigen gaist alle zit und stunde.


20

[1] Wer aber der edeln sinne der hailigen geschrift nit zehant verston noch begriffen mag, der sol si darumb nút versmahen noch ir ledig stǒn, sprichet Gregorius. [2] Won alz man von ainem golde machet etwenne guldin ring, etwenne guldin spanga, etwenn guldin kronen, etwen guldin trinkvas und vil ander klainatt und doch ain golde ist, also nimet man us ainer goͤtlichen lere mengen húbschen sinne und lere und wisunge und ist doch ain kunst, und wisent doch die sinne alle in daz ewig leben. [3] Daz du hút nút verstast, daz maht du morn gelernen, won úns nun got die hailigen geschrift selber berait und gemachet het und geben het, daz wir hie und dort goͤtlich gelust und trǒst und ewig leben darinne vinden múgent, der ir volget.


21

[1] So rǎt ich vierzehender alte dir minenden sel, daz du die hailigen geschrift und kunst und lere dick lesest und si behaltest . [2] So wirt dir got hainlich und git dir got ewigen trǒst und vertribet dir alles zitlich laid und widerwertekait und gestaͤst du dester zierlicher den guldin trǒne des ewigen kaissers. [3] Das dir alle alten vor mir lere geben hond und dir die nachgenden alten noch geben werdent, daz wirt alles genumen us der hoͤhsten wishait und us der goͤtlichen kunst. [4] Und darumb so lerne si wol und vast, daz wirt dir úber alle massen núcze und guͦt zuͦ goͤtlichem leben.


Zitierhinweis

Der vierzehnte Alte. In: Otto von Passau digital, hg. im Auftrag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Lydia Wegener, Elke Zinsmeister, Jens Haustein und Martin Schubert (2018-2022). Berlin. 03.03.2023

URL: https://otto-von-passau.de/chapter-detail.html?id=O0910363. Abgerufen am: 28.03.2024.